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Sex Sells

10. Mai 2009

Der junge Wiener Regisseur Fabian Burstein hat einen klugen Film über die Pornofilm-Produktion in Europa und den USA gedreht. Seine Erkenntnisse dürften so manchen Zuschauer verstören.

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Filmplakat Schriftzug Porno und eine hockende Frau, man siegt nur Knie und Arme (Illuminnati Filmproduktion GmbH)
Bild: Illuminati Filmproduktion GmbH

Die Mutter sitzt vor einer weißen Wand und hat eine Blumenvase vor sich. Ihre gefalteten Hände und ihre schnörkellose Erscheinung erinnern ein wenig an eine Nonne. Sie versucht sich an einer Erklärung für den Job ihres Sohnes: der ist Pornodarsteller und mittlerweile auch in Amerika eine Größe. Es geht um Mick Blue, die "steirische Supereichel", wie er in der Szene genannt wird. Seine Mutter schaut sich seine Hardcore-Streifen nicht an, ist aber stolz, wenn sie ihren Sohn in einer Softsex-Produktion als Schauspieler sieht.

Darsteller Mick Blue in Sommerkleidung mit Gartenschlauch (Foto: Stefan Würnitzer)
Mick Blue in CalifornienBild: Stefan Würnitzer

Industriezweig mit Milliardenumsatz

Die Verdrängungsleistung der Frau ist so anrührend wie durchsichtig und führt direkt in die Welt des Films "Porno Unplugged". Einer Welt, in der "Porno" durch die Hintertür betreten wird. Ganz normale Menschen, Menschen wie du und ich, so legt es der Film nahe, sind die Dienstleistenden in einer der umsatzstärksten Industrien auf diesem Planeten. Allein in den USA werden jährlich 700 Millionen Pornovideos ausgeliehen. Der Umsatz der Porno-Industrie beträgt dort 13 Milliarden Dollar.

Keine moralische Verurteilung

Der eineinhalbstündige Film "Porno Unplugged" fragt nach den Gagen der Darsteller, nach den partnerschaftlichen Beziehungen in der Szene, nach den Motiven der Akteure, Sex vor der Kamera zu haben. Er erzählt dies dokumentarisch, aber auch anekdotisch. Regisseur Fabian Burstein ist gelernter Journalist aus Wien. Vor drei Jahren hat er eine Reportage zum Thema "Porno" geschrieben. Seine damaligen Protagonisten, zwei Darsteller sowie ein Porno-Industrieller, erklärten sich sofort bereit, in dem Dokumentarfilm mitzumachen. Wohl auch deshalb, weil Burstein nicht an moralischen Verurteilungen interessiert war.

S/W-Foto des Regisseurs zwischen Häuserzeilen (Foto: pertramer.at)
Regisseur Fabian BursteinBild: pertramer.at

Der Regisseur, Jahrgang 1982, mutet dem Betrachter einiges zu. Letztlich bietet er aber einen wohl zeitgemäßen Zugang zum Thema - zwischen Undercover-Reportage und einfühlsamer Dokumentation. Burstein inszeniert sich vor der Kamera als schüchterner Rechercheur - inmitten einer Welt aus muskulösem und silikongepolstertem Fleisch. Einer Welt, die sich - laut Burstein - nicht am Rande der Gesellschaft abspielt, sondern Mainstream ist und sich fast schon in der bürgerlichen Mitte befindet.

Virtuose filmische Mittel

Die formalen Gestaltungsmittel machen "Porno Unplugged" sehr unterhaltsam. Zeitlupen und Zeitraffer, verzerrte Weitwinkel-Einstellungen und 8-mm-Schnipsel verleihen dem Film eine fast schon rauschhafte, irreale Atmosphäre. Bisweilen sind es grenzwertig viele Effekte, aber vielleicht wird dieses Übermaß an Bildsprache dem Thema auch gerecht.

Und dann sind da noch die eingesprochenen Texte des Regisseurs, die dem Zuschauer als verlässlicher Anker dienen. Sie ordnen ein, stellen Bezüge her: beispielsweise zwischen Pornographie und Religion. Oft auch mit ironischen Schlenkern. Zum Beispiel, wenn Burstein von einem Erlebnis bei einem Dreh berichtet: Der Regisseur steht vor einem Sofa, auf welchem die Darsteller ihre Arbeit verrichtet haben und berichtet von einem Bauern, der draußen mit seinem Traktor vorbei gefahren ist und immer am selben Ort angehalten hat um zuzuschauen.

(K)eine Botschaft

Darstellerin Kaffee trinkend, man sieht nur den Kopf (Foto: Stefan Wünitzer)
Nach außen gute Laune: Darstellerin Renee PorneroBild: Stefan Würnitzer

Ernst und behutsam – und ohne aufklärerische Diktion – geht Burstein mit dem Thema Pornographie und seinen Protagonisten um. Dadurch ermöglicht er dem Betrachter einen Zugang, der bei diesem Thema wohl selten zu sehen war. "Sie werden erwarten, dass ich Ihnen jetzt eine Botschaft mitgebe..." - mit diesen Worten endet der Film. Und tatsächlich dürfte so mancher Zuschauer am Ende diesen Wunsch haben. Doch der Regisseur verweigert eine moralische Beurteilung.

Vielleicht - das könnte zumindest eine Deutung des Films sein - fußt die Pornographie auf ähnlichen Mechanismen wie die der Gewalt: Alle schauen hin und viele sind empört. Die meisten wollen nichts damit zu tun haben. Und doch ist der Markt da, die Nachfrage groß. Davor sollte man die Augen nicht verschließen.

Der Film ist bisher bei verschiedenen Veranstaltungen und in ausgesuchten Kinos gelaufen. Als DVD ist er ab sofort erhältlich. Über einen Kinostart - auch in Deutschland - wird noch verhandelt.

Autor: Daniel Müller

Redaktion: Jochen Kürten (mag)