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Politik

Was bringt das der Demokratie und den Parteien?

3. März 2017

Ein altes Thema hat gerade wieder Konjunktur: 16-Jährige sollen wählen dürfen in einer älter werdenden Gesellschaft. Das ist auch gut für die zukünftige Wahlbeteiligung, sagt Robert Vehrkamp im DW-Interview.

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SPD Parteitag Augsburg
Bild: DW

DW: Die SPD und die Grünen wollen ausdrücklich Jungwähler unter 16. Die CDU weniger. Warum gibt es in der Frage Meinungsunterschiede entlang von Parteilinien?

Vehrkamp: Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die Parteien sich unterschiedliche Wahlergebnisse in der Altersgruppe erhoffen. Aber es gibt natürlich auch unterschiedliche Auffassungen darüber, ob Wählen ab 16 insgesamt sinnvoll ist oder nicht.

Gerade unter jungen Menschen heißt es oft: "Die Politiker kümmern sich doch nicht um uns." Haben denn Jugendliche eine Interessenvertretung bei den Parteien, oder machen die vor allem Politik für Erwachsene?

Politiker machen normalerweise Politik für ihre Wähler, dazu werden Sie ja auch gewählt und es ist natürlich so, dass die jüngeren aufgrund des demografischen Wandels weniger werden. Umso dramatischer ist es, dass auch die Wahlbeteiligung der Jüngeren unterdurchschnittlich ist. Gerade das wollen wir ja mit dem Wählen ab 16 versuchen zu ändern.

2020 sind mehr als ein Drittel der Bevölkerung über 60, Jugendliche aber machen nur noch ein Sechstel aus. 1960 war das genau umgekehrt. Das heißt doch: Ältere bestimmen die politischen Themen. Ist das noch demokratisch?

Ja, das ist demokratisch. Die Demokratie richtet sich nach den vorhandenen Mehrheiten und ich bin nicht so ganz glücklich mit dieser Alterskategorisierung von Wählern. Ich würde daraus nicht automatisch einen Interessengegensatz zwischen Älteren und Jüngeren konstruieren wollenEs gibt auch viele Ältere, die sehr langfristig orientiert sind und auch sehr die Interessen der Jüngeren durch ihre Wahlentscheidungen vertreten. Wichtig ist aber, dass die Jüngeren, gerade weil sie weniger werden, aktiver werden und ihr Wahlrecht auch tatsächlich nutzen und sich stärker in Parteien engagieren als das heute der Fall ist.

Professor Vehrkamp
Prof. Robert Vehrkamp, Bertelsmann-StiftungBild: Privat

Wie politisch sind denn unter 18-Jährige überhaupt?

Sie werden wieder politischer, das zeigen uns alle vorhandenen Studien, dass in der Tendenz das Interesse an Politik bei den Jüngeren wieder ansteigt. Mit Blick auf "Wählen ab 16" argumentiere ich aber auch gerne so: Die, die wählen gehen, interessieren sich schon für Politik. Aber wählen zu können erzeugt auch Interesse an Politik. Wir sind fest davon überzeugt, dass eine Absenkung des Wahlalters auch das Interesse an Politik bei jüngeren Menschen steigern wird, weil sie dann mitbestimmen dürfen. Und solange sie das nicht dürfen, bleibt das Interesse an Politik natürlich auch ein bisschen theoretisch.

Beim Brexit sind gerade die ganz jungen Wähler zu Hause geblieben. Auch in Deutschland gehen die Jungen nicht gerade begeistert wählen. Warum also das Wahlalter absenken?

Weil wir die Jugendlichen mit 16, 17, 18 Jahren noch in den Schulen erreichen und wählen will gelernt sein. Diese Chance der Aktivierung gerade der Kinder und Jugendlichen aus den bildungs- und politikfernen Haushalten, deren Eltern sich an Wahlen nicht mehr beteiligen, die können wir durch eine Wahlrechtsänderung erreichen. Die Schule ist da die einzige Chance.

Wie viel Steigerungspotential ist möglich bei der Wahlbeteiligung, wenn 16-Jährige ihre Stimme abgeben dürften? Zum Vergleich: 2013 gingen 71,5 Prozent der Wahlberechtigten an die Urne.

Da muss man zwischen kurz- und langfristigen Effekten unterscheiden. Kurzfristig ist der Effekt wahrscheinlich relativ gering, vielleicht ein Prozent bei der Wahlbeteiligung, weil ja die Gruppe der Jüngeren insgesamt nur so einen kleinen Anteil an Wahlberechtigten ausmacht. Aber langfristig ist der Effekt erheblich größer, weil wir wissen, je früher sie anfangen zu wählen, umso stärker ist auch ihre Wahlbeteiligung dann im weiterem Verlauf ihres Wahllebens. Das ist ein Hebeleffekt, den Wählen ab 16 hat. Der ist so stark, dass man über 20, 30 Jahre die Wahlbeteiligung um 10 bis 15 Prozent steigern kann. Und zwar nur dadurch, dass man es schafft, die Erst- und Jungwählerbeteiligung zu erhöhen.

Professor Robert Vehrkamp ist Wirtschaftswissenschaftler und leitet für die Bertelsmann-Stiftung das Programm Zukunft der Demokratie.

Das Interview führte Volker Wagener.

Porträt eines Mannes mit Mittelscheitel und Bart
Volker Wagener Redakteur und Autor der DW Programs for Europe