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Frauen und Karriere

Jutta Schwengsbier31. Januar 2007

Frauen sind in Führungsetagen von Großunternehmen selten zu finden, auf mittleren Managementebenen nicht viel häufiger. Ein Erfolgsbeispiel aus Serbien zeigt: Das muss nicht so sein.

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Innenansicht der Filiale der ProCredit Bank in Belgrad
Der Frauenanteil bei der Procredit Bankengruppe liegt bei durchschnittlich 70 ProzentBild: ProCredit Holding

Völlig unbeabsichtigt, wie das Management beteuert, liegt der Frauenanteil bei der Procredit Bankengruppe bei durchschnittlich 70 Prozent. Procredit ist eine internationale Bank für Mikrokredite. Hat sie eine besondere Firmenkultur für Frauen?

Auf den ersten Blick sehen die Filialen von Procredit aus, wie bei jeder anderen Bank. Erst bei näherem Hinsehen fällt auf, dass die Angestellten ganz leger gekleidet sind. Statt Nadelstreifen mit Schlips und Kragen werden auch einfach Jeans und Bluse getragen. Procredit vergibt Mikrokredite an Klein- und Kleinstunternehmen. Deshalb sei es besonders wichtig, dass ihre Mitarbeiter freundlich und zugänglich wirken und keine Barrieren durch ihr äußeres Erscheinungsbild entstehen, erläutert die Länderdirektorin von Procredit Serbien, Dörte Weidig. "Für uns ist es sehr wichtig, dass wir auf die Leute zugehen", sagt sie, "dass wir ihnen zeigen, wir sind genauso wie ihr, normale Leute und die Dienstleistung, die wir anbieten, sind genau so zugeschnitten, dass sie zu euch passen."

Alle Kunden sind gleich

Die Kunden sollen sich wohl fühlen. Das können Mitarbeiterinnen nur erreichen, wenn sie engagiert auftreten, sich also auch selbst wohl fühlen. Bei Ihrer Einstellungspolitik achte sie weniger auf die Fachkompetenz als auf die Persönlichkeit der Bewerberinnen, sagt Helen Alexander. Als Vorstandsmitglied der Procredit Holding ist sie für die strategische Ausrichtung der ganzen Bankengruppe mit Filialen in bislang 19 Ländern verantwortlich.

"Der Schlüssel für Erfolg sind die Mitarbeiter auf allen Ebenen", sagt Alexander. "Sie müssen unsere Vision teilen, dass wir für normale Menschen da sind, dass wir für Geringverdiener da sein wollen." Man wolle Mitarbeiter, die auch zu jedem Analphabeten freundlich seien, so als ob sie einen Kreditvertrag für eine Million unterzeichneten. Sie müssten vertrauenswürdig sein und müssten Menschen mögen, meint das Vorstandsmitglied. "Alles andere können wir ihnen beibringen."

"Karrierechancen wahrnehmen"

Außenansicht der Filiale der ProCredit Bank in Belgrad
Nur auf den ersten Blick sehen die Filialen der Procredit Banken aus, wie bei jeder anderen BankBild: ProCredit Holding

Procredit stellt vor allem junge Mitarbeiterinnen ein. Das Durchschnittsalter der Angestellten liegt bei 28 Jahren. Auch Sachbearbeiterinnen dürfen früh eigenverantwortliche Entscheidungen treffen und haben Aufstiegschancen. Die soziale Ausrichtung der Bank kombiniert mit einer Beförderungspolitik, die rein auf Qualifikation basiert, führte ganz ohne Förderplan zu einem Frauenanteil bei Procredit von durchschnittlich 70 Prozent. Das Geheimnis? Wenn Frauen Karrierechance bekommen, dann nehmen sie sie auch wahr, glaubt Dörte Weidig.

Chancen in Serbien

"Das wird in vielen anderen Institutionen und anderen Banken nicht so gehandhabt. Die Tatsache eine Frau zu sein, schränkt die Karrierechancen ab einem gewissen Niveau ein", meint die Länderdirektorin von Procredit Serbien. "Hier in Serbien haben wir 75 Prozent Frauen. Das liegt daran, dass Frauen einfach eine Chance bekommen und ihr Potential entfalten können." Bei Procredit befördere man Frauen, wenn sie besser als ihre männlichen Mitbewerber sind, meint Weidig.

Procredit verlangt von den Mitarbeiterinnen einen hohen Einsatz im Geschäftsbereich. Sie sollen nicht nur freundlich, sondern auch absolut unbestechlich sein. Die ethische Grundhaltung müsse bei Angestellten und Management in jeder Beziehung hervorragend sein, sagt Helen Alexander. Dazu gehöre auch eine absolut transparente und faire Firmenkultur. Ihr eigenes Gehalt liegt bei 140.000 Euro. Ein Bruchteil der sonst im Bankenbereich bezahlten Vorstandsgehälter. Arbeitszufriedenheit könne sowieso nicht erkauft werden, sondern hänge stark von der Möglichkeit zu eigenverantwortlichem Arbeiten ab. Die geringe Personalfluktuation zeugt davon, dass die meisten Frauen bei Procredit die Firmenphilosophie teilen.

Kindergarten inklusive

"Viele unserer Banken werden von Frauen geführt, was sehr ungewöhnlich ist in vielen Ländern, in denen wir arbeiten. Aber auch hier haben wir ungefähr 50 Prozent Frauen", erklärt Alexander mit Blick auf Deutschland. Ein nicht hierarchisches Arbeitsumfeld funktioniere besser für Frauen. Zudem versuche man ihnen im Privaten zu helfen - z.B. indem man Kindergärten zur Verfügung stellt. Auch Krankenversicherungen für ihre Familien würden finanziert, was in vielen Ländern nicht selbstverständlich sei.

Ehrliche Umgangsformen, gute Fortbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen rein nach Qualifikation haben Procredit in Serbien zu einer Bank der Frauen werden lassen - ganz ohne Förderpläne oder Quoten.