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Europas Libyenpolitik

24. August 2011

EU-Außenministerin Ashton hat sich in Brüssel geäußert, wie sie sich die Zukunft Libyens vorstellt. Sie blieb vorsichtig und vage. Eine einheitliche europäische Haltung muss noch gefunden werden, meint Bernd Riegert.

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Schriftzug Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Während die EU-Außenministerin Catherine Ashton noch darauf wartet, dass es eine offizielle Bestätigung des Machtwechsels in Libyen gibt, schaffen nationale Politiker aus EU-Mitgliedsstaaten bereits Fakten. Der italienische Außenminister Frattini lässt sich von den libyschen Rebellen zusichern, dass Förderverträge für den italienischen Ölkonzern Eni, die noch mit dem Gaddafi-Regime abgeschlossen wurden, nun weiter gelten. Der französische Staatspräsident Sarkozy vermittelt den Eindruck, er habe die erfolgreiche Revolution in Libyen durch seinen Entschluss, die NATO zum Militäreinsatz zu führen, erst möglich gemacht. Auch er möchte natürlich die Zusicherung, dass französische Firmen weiter lukrative Aufträge in Libyen ausführen können.

Deutschland gewährt dem libyschen Übergangsrat 100 Millionen Euro Überbrückungskredit, noch bevor die EU über die Aufhebung von Sanktionen beraten hat. Die deutschen Firmen hoffen darauf, bald nach Libyen zurückkehren zu können. Und auch der türkische Außenminister Davutoglu ist vorne mit dabei. Er war in Bengasi und hat schon für Donnerstag (25.08.2011) die erste Kontaktgruppen-Konferenz in Istanbul organisiert.

Urlaub statt Libyen-Konzept

Bernd Riegert (Foto: DW)
Bernd Riegert, EuroparedaktionBild: DW

Und die EU? Die war erst einmal in Ferien. Wie in Belgien üblich, fahren die EU-Kommission und der Rat der Europäischen Union im August in Urlaub, nur Stallwachen werden zurückgelassen, also subalterne Beamte, die im Notfall reagieren sollen. Seit dem vergangenen Wochenende werden nun die zuständigen Mitarbeiter nach Brüssel zurückbeordert. Catherine Ashton selbst ist an ihren Schreibtisch im Ratsgebäude zurückgekehrt und telefoniert viel. Sie muss sich, bevor sie vor die Presse treten und Wiederaufbaupläne verkünden kann, erst mit den wichtigsten Außenministern der EU abstimmen, am besten mit allen 27.

Die Minister haben auch Pause. Sie treffen sich erst am 12. September zu ihrer nächsten regelmäßigen Sitzung. Zuvor findet das traditionelle informelle Nachdenken der Außenminister im Land der jeweiligen Ratspräsidentschaft statt, diesmal am 2. September in Polen. Die Führung des Wiederaufbaus will Catherine Ashton den Vereinten Nationen überlassen, die für kommenden Freitag zu einem Gipfeltreffen nach New York geladen haben.

Pläne sind in Planung

Die EU will nun als erstes erreichen, dass die eingefrorenen libyschen Staatskonten in aller Welt wieder freigegeben werden. Das Geld solle der Übergangsrat erhalten. Finanzielle Unterstützung für das reiche Libyen sei nicht nötig, so Lady Ashton. Außerdem wolle man jetzt damit beginnen, einen Plan zu entwickeln, wie der Aufbau eines demokratischen Staates organisiert werden kann, sagte Catherine Ashton. Was ist eigentlich in den letzten sechs Monaten in Ashtons Stab passiert? Warum liegt solch ein Plan nicht längst in der Schublade? Bislang hat die EU in Bengasi ein kleines Verbindungsbüro eröffnet, so wie etliche Mitgliedsstaaten auch. Das soll nun nach Tripolis umziehen und eine richtige EU-Botschaft werden.

Immerhin hat Frau Ashton schon einmal vier Problemfelder ausgemacht, für die jetzt Pläne geschmiedet werden sollen: 1. Medizinische Versorgung, 2. Einsammeln der Waffen in Privatbesitz, 3. Wiederaufnahme wirtschaftlicher Aktivitäten und 4. Aufbau von demokratischen Institutionen und Parteien. Auf allen vier Feldern will die EU möglichst schnell helfen, wie genau, hat Frau Ashton noch nicht mitgeteilt. Ihre Hauptaufgabe sieht sie aber darin, die Hilfsmaßnahmen der 27 Mitgliedsstaaten zu koordinieren.

Alleingänge ohne Brüssel

Catherine Ashton (Foto: pa/dpa)
Vorsichtig und vage: Catherine AshtonBild: Picture alliance/dpa

Bereits jetzt zeichnet sich ab, wie bei anderen vergleichbaren Fällen in Afghanistan oder Irak, dass viele Staaten das machen, was sie für richtig halten, ohne Absprachen. Besonders Italien als ehemalige Kolonialmacht und Frankreich als wichtiger wirtschaftlicher Partner des alten Regimes wollen ihren Einfluss in Libyen sichern.

Außerdem hat die Europäische Union, und da wiederum die Mittelmeerländer, ein vitales Interesse daran, dass Libyen seine Grenzen recht bald sichert. Flüchtlinge aus Afrika sollen ein befriedetes Libyen nicht als Fluchtroute nach Norden, nach Europa nutzen können. Das Gaddafi-Regime hatte nach Abkommen mit Italien die eigene Küste abgeriegelt und die Flüchtlinge in Lager gesteckt. Irgendetwas Ähnliches schwebt den EU-Mittelmeerstaaten jetzt natürlich auch vor.

Die EU führt mit ihrer eigenen Hilfsorganisation ECHO eine humanitäre Mission an der libysch-tunesischen Grenze aus. Dort wurden und werden 90.000 Flüchtlinge versorgt. Die EU hat bereits bei der Rückführung von 24.000 Gastarbeitern aus Misrata in ihre Heimatländer geholfen. Zusammen mit dem Internationalen Roten Kreuz und der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen hat die EU seit sechs Monaten vor Ort finanzielle Hilfe geleistet. Das muss fortgesetzt werden. Insgesamt haben die EU und ihre Mitgliedsstaaten bislang rund 150 Millionen Euro für humanitäre Hilfe und Evakuierungsmaßnahmen ausgegeben.

Diese Hilfe sollte nun mit einem stärkeren politischen Engagement Hand in Hand gehen. Ernste Zweifel sind angebracht, ob Catherine Ashton in der Lage sein wird, hier mit der nötigen Führungskraft und Präsenz zu glänzen. Bereits im März wurde ihr in Brüssel vom EU-Parlament vorgeworfen, sie sei eine Fehlbesetzung.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Andrea Lueg