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Wo liegt Schottlands Zukunft?

Carsten Grün27. Juni 2016

Großbritannien hat sich entschieden, aus der EU auszutreten. Aber das ist nicht so einfach. Und da sind dann auch noch die Schotten. Die planen ein Brexit-Veto und vielleicht sogar ein neues Unabhängigkeitsreferendum.

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Großbritannien Houses of Parliament mit schottischer Flagge in London Foto: Getty Images/AFP/A. Dennis
Bild: Getty Images/AFP/A. Dennis

Der Norden des Vereinigten Königreichs hat mit 62 Prozent mehrheitlich gegen den Brexit gestimmt und will nun mit aller Macht in der EU bleiben. Dafür spielen Schottlands Politiker mehrere Szenarien durch. Die eine Variante ist das Unabhängigkeitsreferendum von Großbritannien mit dem sofortigen EU-Beitrittsantrag.

Die andere Möglichkeit ist wahrscheinlich komplizierter, würde noch mehr Druck auf den britischen Kessel bringen und ist rechtlich schwierig einzuordnen: das Veto gegen das britische EU-Austrittsreferendum.

Planspiele mit dem Veto

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon spielt mit der Möglichkeit dieser Brexit-Blockade. Sie ist der Ansicht, das Parlament in Edinburgh sollte selbst über den Ausstieg aus der EU abstimmen und ihn somit verhindern.

Allerdings ist sich Sturgeon darüber im Klaren, dass das ein steiniger Weg wird. Sie befürchtet, dass die britische Regierung anderer Meinung ist. Da müsse man sehen, wo diese Diskussion enden werde, sagte sie der BBC. Sollte sich herausstellen, dass ein Veto zur Sicherung schottischer Interessen notwendig sei, werde sie diesen Weg gehen. Dazu gehöre im Zweifel auch, dem schottischen Parlament eine Blockade der erforderlichen Brexit-Gesetzgebung zu empfehlen, so Sturgeon weiter.

Schottland Nicola Sturgeon in Edinburgh Foto: Reuters/UK Parliament
Setzt auf den EU-Verbleib mit allen Mitteln: Nicola SturgeonBild: Reuters/UK Parliament

Nach britischem Recht haben die Regionalparlamente auf der Insel Gewicht. In den Vereinbarungen, die mit den Parlamenten und Regierungen in Schottland, Wales und Nordirland geschlossen wurden, ist geregelt, dass Regionalregierungen einen EU-Austritt mittragen müssten. Grundlage hierfür ist, dass EU-Recht in das jeweilige Landesrecht mit aufgenommen wurde. Beispielsweise für die Umsetzung von Verordnungen.

Diffuse Rechtslage

Sturgeon bezieht sich dabei auf ein Gutachten, das die Möglichkeit eines Vetos beinhaltet. Der schottische SNP-Abgeordnete Pete Wishart hatte zuvor auf ein Dokument des EU-Ausschusses des britischen Oberhauses verwiesen, das von einer nötigen Zustimmung Schottlands ausgeht. Sollte Schottland diesen Weg einschlagen, wird das ein Fall für die Gerichte. Es könnte sogar sein, dass der EU-Gerichtshof schließlich darüber entscheiden muss, ob das Veto rechtens wäre. Der Gerichtshof ist nach dem gesetzlich verankerten Auftrag dazu verpflichtet, Austritte aus der EU zu stoppen und sich für die Integration innerhalb der EU einzusetzen.

Widerspruch bei den Konservativen

Einige britische Politiker sehen das anders. Es sei Unsinn zu glauben, dass das schottische Parlament die Macht hätte, einen Brexit zu blockieren oder ein Veto einzulegen, schrieb der Jura-Professor und schottische Tory-Abgeordnete Adam Tomkins im Kurznachrichtendienst Twitter. Es bestehe höchstens die Möglichkeit zuzustimmen oder eben nicht - oder sich einfach nur zu enthalten, so der Hochschullehrer aus Glasgow. Die Zustimmung zu verweigern, sei nicht dasselbe, wie zu blockieren. Tomkins gilt als Freund des Brexit-Anhängers Iain Duncan Smith. Dieser war Arbeitsminister im Kabinett von David Cameron und ist im Frühjahr zurückgetreten.

London Minister für Arbeit und Pensionen Iain Duncan Smith Downing Street in London Foto: Reuters/T. Melville
Schottischer Brexit-Befürworter: Iain Duncan SmithBild: Reuters/T. Melville

Eines ist nach der Brexit-Abstimmung offensichtlich: Vieles bleibt unklar. Der Einfluss des Anti-EU-Referendums wird offenbar überschätzt. Die Bindung daran ist nicht verpflichtend. So muss das Parlament den Beschluss umsetzen. Allerdings ist es rechtlich nicht dazu verpflichtet. Auch kann der künftige Premier die Brexit-Entscheidung aufheben, wenn zum Beispiel durch Verhandlungen mit der EU die Grundlagen der Zusammenarbeit neu geregelt werden. Ein anschließendes Referendum könnte dann ein völlig anderes Abstimmungsergebnis erbringen.

Aber auch die Unabhängigkeit Schottlands rückt wieder in den Fokus. Vor zwei Jahren scheiterte das Referendum. Nun sollen sich 59 Prozent der Schotten nach einer Erhebung der schottischen Zeitung Sunday Post für einen eigenen Staat aussprechen. Das Sozialforschungsinstitut ScotCen hingegen geht von lediglich 39 Prozent aus. Nicola Sturgeon wird nachgesagt, dass sie die Schotten hinter sich wissen will, bevor es nochmals in eine Abstimmung geht.

Warnung an London

Sollte sich in Schottland jedoch ein Unabhängigkeitsreferendum durchsetzen, kämen neue Schwierigkeiten auf die Schotten zu. Sie müssten nach gegenwärtigem Stand nach Artikel 49 des EU-Vertrags die Mitgliedschaft beantragen und alle EU-Länder müssten zustimmen. Wäre Großbritannien zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgetreten, könnte London dagegen stimmen und Schottland die Aufnahme verwehren. Nicola Sturgeon warnte bereits Cameron und jeden zukünftigen Premierminister davor, ein zweites Unabhängigkeitsreferendum in Schottland zu unterbinden.