1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wohin mit dem Atommüll?

Jens Thurau23. April 2013

Die Regierung will nach einem Endlager für Atommüll suchen, überall, nicht nur in Gorleben in Niedersachen, dem lange favorisierten Ort - aber viele Politiker schlagen vorerst noch die Schlachten der Vergangenheit.

https://p.dw.com/p/18JrX
Atomfass. Foto: Axel Heimken/dap
Bild: dapd

Das war ein Tag so ganz nach dem Geschmack von Peter Altmaier: Der gesellige Bundesumweltminister von der CDU gilt als Brückenbauer, als einer, der gut kann mit den Umweltfachleuten der Opposition. Immer wieder hatte er Politiker der Grünen und der SPD in seine Berliner Altbauwohnung eingeladen, sie fürstlich bekocht, um ihnen einen Konsens abzuringen bei der leidigen Frage des Atommüllendlagers in Deutschland. Mit Erfolg. "Die Schlachten von früher sind geschlagen, wir brechen auf in eine neue Zeit", freute sich Altmaier Anfang April.

Neue Zeiten, alte Zeiten

Gemeint war: Deutschland sucht in den kommenden Jahren an mehreren Standorten nach einem Tiefenendlager für hoch radioaktiv strahlenden Müll aus den Kernkraftwerken. Eine Kommission aus Politikern und Experten klärt erst einmal die Kriterien, dann werden vier, vielleicht fünf Standorte ausgewählt und verglichen, am Ende wird am Standort, der sich am besten eignet, ein Bergwerk gebaut und der Müll dort endgelagert. So einfach, so friedlich, so transparent klingt das. Die Menschen, die an den Standorten wohnen, werden stets informiert und beteiligt. Und das Ganze passt so recht zum Ausstieg aus der Kernenergie, den die konservativ-liberale Regierung nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 eiligst beschlossen hatte. Wie gesagt: Neue Zeiten, alte Zeiten.

Ausschreitungen bei Castor-Demonstrationen. Foto: Peter Steffen/dpa
Die sogenannten Castor-Transporte ins Atomlager Gorleben wurden stets von heftigen Protesten begleitetBild: picture-alliance/dpa
Bundesumweltminister Peter Altmaier. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Bundesumweltminister Altmaier glaubt an den "Aufbruch in eine neue Zeit"Bild: picture-alliance/dpa

Ab sofort werde auch nicht mehr um Gorleben gestritten, versprach Altmaier. Gorleben ist jener Ort in Niedersachen, nahe an der Elbe und der früheren deutsch-deutschen Grenze, an dem CDU und FDP seit Jahrzehnten gern ein Endlager bauen wollten. Für SPD, Grüne und Linke dagegen war Gorleben stets der Ort, an dem auf keinem Fall ein Lager entstehen durfte. Der Ort vieler, oft auch gewaltsamer Proteste gegen die Kernenergie. Jetzt, so Altmaier, sei das alles vergessen, Gorleben sei ein Ort wie andere auch. Wirklich?

Standort Gorleben bleibt "fortschrittlich"

Mitte vergangener Woche in Berlin: Die alten Zeiten kehren zurück. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages zu Gorleben beendet seine Arbeit, nach mehreren Jahren, nachdem viele Experten angehört wurden, nach Sichtung von 7000 Aktenordnern. Ziel des Ausschusses war es eigentlich, herauszufinden, ob damals, als Gorleben als Endlagerstandort ausgesucht wurde Anfang der achtziger Jahre, alles mit rechten Dingen zuging.

Angela Merkel in Gorleben. Foto: Stefan Hesse/dpa
Angela Merkel besuchte in den Neunzigern erstmals GorlebenBild: picture-alliance/dpa

Aber darum ging es am Ende nicht mehr. "Gorleben ist und bleibt als Standort geeignet", so Stimmen aus CDU und FDP. Die  Erkundungen in Gorleben, seit Jahren Gegenstand heftigster Streits zwischen Juristen, Politikern, Umweltschützern und Bürgern, sei sogar "beispielhaft und fortschrittlich", fügten sie noch an. SPD, Grüne und Linke eiferten zurück, Gorleben sei überhaupt nicht geeignet. "Die sind aus der Zeit gefallen und haben vom Atomausstieg nichts bemerkt", empörte sich Ute Vogt von der SPD in Richtung CDU und FDP.

Aber auch diese Abgeordneten von CDU und FDP müssen dem großen Kompromiss in der Endlagerfrage im Bundestag noch zustimmen, nach Altmaiers Plan noch vor der Sommerpause. Ob Altmaier auch die noch überzeugen kann? Zweifelhaft.

Neue Zwischenlager

Auch an anderen Orten beginnt die neue Zeit eher schleppend. Zum Kompromiss gehört nämlich auch, dass der Atommüll aus den Kernkraftwerken auch nicht mehr vorübergehend in Gorleben gelagert wird, wie seit Jahren praktiziert. Um eben deutlich zu machen, dass Gorleben nicht mehr als Endlagerstandort favorisiert wird, soll der Müll in andere Bundesländer gebracht werden.

Wolfgang Kubicki. Foto: Fabian Bimmer/Reuters
FDP-Fraktionschef Kubicki: "Alles nach Gorleben!"Bild: Reuters

Ganz im Sinne der gütigen Einigung aller Parteien erklärte sich das rot-grüne Schleswig-Holstein bereit, als Zwischenlagerstandort einzuspringen - am Atomkraftwerk Brunsbüttel gibt es ein Zwischenlager. Dagegen hat aber bereits die FDP mit Fraktionschef Wolfgang Kubicki laut Protest erhoben. Dabei war gerade die FDP immer für die Kernenergie, im Gegensatz zu SPD und Grünen. Aber mit den Hinterlassenschaften möchte Kubicki nicht belästigt werden. "Wir können das alles nach Gorleben bringen", lautet sein Tipp für Altmaier.

Der schweigt erst einmal zu den Einfällen seiner Koalitionskollegen. Wahrscheinlich dämmert ihm längst, dass es noch jede Menge Geduld braucht, bis die neuen Zeiten wirklich überall beginnen.