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Dem Erbe verpflichtet

22. März 2010

Der langjährige Leiter der Bayreuther Festspiele ist tot. Wolfgang Wagner starb im Alter von 90 Jahren. Er leitete die Festspiele mehr als ein halbes Jahrhundert lang. Erst 2008 gab er seine Aufgaben ab.

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Wolfgang Wagner (Archivfoto: AP)
Wolfgang WagnerBild: AP

In der Nacht zu Sonntag (21.03.2010) sei Wolfgang Wagner in Bayreuth gestorben, teilte die Festspielleitung auf ihrer Internetseite mit. "Die Bayreuther Festspiele trauern um ihren langjährigen Festspielleiter." Sein ganzes Leben habe Wagner dem Erbe seines berühmten Großvaters gewidmet. 57 Jahre lang lenkte er die Geschicke der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth.

"Glücksfall" für die Festspiele

Als "Glücksfall" für die Nachkriegsgeschichte der Bayreuther Festspiele hat ihn der Dirigent Peter Schneider bezeichnet. Als einen Intendanten, der sich um buchstäblich alles kümmerte, von den Proben bis zum Essen. "Ich habe ihn beobachtet, wie er in der Kantine in die Töpfe guckte, ob alles läuft", erzählt Schneider. Tatsächlich ist unter Wolfgang Wagner, dem letzten lebenden Enkel des berühmten Komponisten, aus dem privaten künstlerischen Vermächtnis der Festspiele ein erfolgreiches Kulturunternehmen geworden.

Die Last der Vergangenheit

Winifred Wagner und Adolf Hitler im März 1934 (Foto: dpa)
Winifred Wagner mit HitlerBild: picture-alliance/dpa

Doch der Weg dorthin war weit. Nach dem Zweiten Weltkrieg fuhr Wolfgang Wagner mit dem Motorrad durch Deutschland, um Sponsoren für die Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele zu finden. Kein leichtes Unterfangen. "Es gab viele Ressentiments, weil meine Mutter mit Adolf Hitler befreundet war", erzählt Wolfgang Wagner. "Ohne ausländische Sponsoren hätten wir es daher nicht geschafft." Tatsächlich konnte sich bereits am 30. Juli 1951 der Vorhang zur Eröffnungspremiere des "Parsifal" heben.

Seit 1951 leitete Wolfgang Wagner, gemeinsam mit seinem Bruder Wieland, die Bayreuther Festspiele. 1966 starb Wieland und seither war Wolfgang alleiniger Festspielleiter. Als Regisseur war Wolfgang Wagner immer umstritten. Er galt als konservativ und stand im Schatten seines Bruders. Doch seine enorme praktische Lebensleistung ist Respekt gebietend. Er hat unzweifelhaft künstlerische Höhepunkte gesetzt. Er hat bedeutende Sänger, Regisseure und Dirigenten an sein Haus geholt und er hat Bayreuth zur "Werkstatt" eines "Work in Progress" gemacht.

Kritik an der "Werkstatt Bayreuth"

Birgit Nilsson (Archivfoto: AP)
Opernstar Birgit NilssonBild: AP

Doch davon waren nicht alle begeistert. "Man sagt nun Werkstatt Bayreuth", kritisierte die große Wagner-Sängerin Birgit Nilsson kurz vor ihrem Tod. "Da kann ja jeder Anfänger in Bayreuth singen!" Auch wenn Wolfgang Wagner mit seinem Werkstattgedanken den künstlerischen Niedergang der Festspiele einleitete: Er hat sich maßgeblich für die Gründung einer Richard Wagner-Stiftung engagiert, aber auch um den Wiederaufbau des kriegszerstörten Hauses Wahnfried - heute Richard Wagner-Museum - und er hat konsequent ein baufälliges Provisorium zu einem mit dem neusten Stand der Technik ausgerüsteten Theatergebäude saniert.

Im März 1999 gab Wolfgang Wagner seine Zustimmung zu dem Verfahren seiner Nachfolgefindung als Festspieleiter. Schmierentheater-Possen, politische Querelen und familiäre Schlammschlachten haben sich seither gejagt. Der Clan stritt sich um das Erbe. Erst als Wolfgang Wagners zweite Frau Gudrun, die seit mehr als 25 Jahren seine rechte Hand war, Ende November 2007 plötzlich und unerwartet starb, wurde durch ihren Tod der Weg frei für die Nachfolgeregelung zugunsten Eva und Katharina Wagners, die denn auch am 1. September 2008 vom Stiftungsrat der Bayreuther Festspiele entschieden wurde.

Aufbruch in eine neue Zeit

Festspielleiterinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier (Foto: AP)
Die neuen FestspielleiterinnenBild: AP

Seither sind andere Zeiten angebrochen auf dem "Grünen Hügel" in Bayreuth. Die beiden Halbschwestern Eva und Katharina sehen sich mit schwierigen strukturellen und finanziellen Veränderungen der Festspiele konfrontiert. Und sie setzen programmatisch-künstlerisch auf Verjüngung, auf Regietheater, Zeitgeist, Events, neue Kommunikationsmedien und Popularisierung der Festspiele. Der Ausgang dieser Neuorientierung ist ungewiss.

Wolfgang Wagner, der sich - seit 2007 gesundheitlich arg angeschlagen - weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, mischte sich zuletzt nicht mehr in die Festspielleitung ein. Seinen neunzigsten Geburtstag hatte er im vergangenen Sommer als Pensionär in aller Stille und familiären Abgeschiedenheit begangen. Zum ersten Mal seit 1951 stand er bei diesem Geburtstag nicht mehr im Rampenlicht.

Autor: Dieter-David Scholz
Redaktion: Sabine Damaschke / Frank Wörner