Wolken sind Diven aus Dampf
10. Mai 2005Damit die Gedenkfeier zum 60. Jahrestag des Kriegsendes (9.5.2005) auch trocken vonstatten gehen sollte, haben russische Flugzeuge die dunklen Regenwolken über Moskau mit Chemikalien bombardiert. Und tatsächlich: Die Wolken verschwanden. Ob das nicht doch bloß Zufall war, weiß der Himmel.
Wetterexperten können sich theoretisch schon Methoden vorstellen, um Regenwolken aufzulösen. Dazu würde man sie dort abregnen lassen, wo es nicht stört. "Die Wassertropfen, die in der Luft schweben, sind nur 100 bis 200 Mikrometer groß", erklärt Stephan Borrmann, Wolkenfachmann und Professor am Mainzer Institut für Physik der Atmosphäre. "Damit sie runterfallen, müssen sie etwa einen Millimeter groß werden, das ist dann Regen."
Eis oder Bakterien
Eine mögliche Lösung: Trockeneis, also extrem kaltes Kohlendioxid. "Die Wolke vereist, und der Eispartikel kann den Wasserdampf um sich herum schneller aufnehmen", sagt Jost Heintzenberg, Direktor des Instituts für Troposphärenforschung in Leipzig. Also wächst der Partikel, wird schwerer, fällt irgendwann herunter und reißt andere Tropfen mit. Ist es unter der Wolke warm, fällt Regen, sonst hagelt oder graupelt es. Über den Vereisungs-Weg entstünden 80 Prozent des Regens auf der Erde, erklärt Borrmann.
Heintzenberg weist darauf hin, dass es theoretisch auch bestimmte Bakterien täten, die die Pflanzenoberflächen nachts gefrieren lassen könnten.
Silbersalz macht Tropfen dick
Die zweite mögliche Strategie wäre, die Wolke mit einem Salz zu besprühen, nämlich mit Silberiodid. "Das nimmt man, weil seine Kristallstruktur der des Wassereises sehr ähnlich ist", erklärt Heintzenberg. "Da passen die Wassermoleküle besser dran." Dadurch entstehen wieder große Eistropfen, die schmelzen und herabregnen. Keine kostengünstige Lösung. Silberiodid ist teuer und würde in großer Menge auch der Umwelt nicht guttun, vermutet Borrmann.
Schiffe machen gutes Wetter - vielleicht
Als dritter Weg wäre es denkbar, die Wolken am Regnen zu hindern, indem man zusätzliche Partikel hineinschießt - so genannte Aerosolkerne. Dann verteilt sich der Wasserdampf auf mehr kleine Tröpfchen, die schmelzen und verdunsten schneller oder fallen zumindest nicht runter.
Auf diese Weise würden auch große Schiffe Wolken beeinflussen, sagt Troposphärenforscher Heintzenberg: "Die Tröpfchen werden kleiner wegen der Rußpartikel aus den Schiffsabgasen. Dann werden die Wolken weißer, es regnet weniger." Aber auch das Gegenteil könne eintreffen: Es regne möglicherweise mehr, weil die warmen Partikel Wirbel erzeugen und vorher getrennte kalte und warme Luftschichten durchmischen würden. Wehe, wehe Wolkenbruch.
Immerhin: Regen statt Hagel
Soweit die Theorie. Richtig einsatzfähig ist die Wolken-Behandlung noch nicht, obwohl seit den 1950ern daran geforscht wird - besonders in trockenen Ländern. "In Südafrika bildet sich am Tafelberg immer wieder eine Wolke, aus der werden mit gespannten Drähten Tropfen abgeleitet", berichtet Borrmann. "Da kommen aber auch nur ein paar Liter raus."
Immerhin profitiere die Landwirtschaft, die ihre Ernte schont: "Das einzige ist, dass man mit Aerosolkernen eine Wolke, die zum Hageln neigt, dazu bringt, nur große Tropfen oder kleine Graupelkörnchen fallen zu lassen", sagt der Mainzer Wolkenexperte.
Klage gegen verirrten Platzregen?
Abgesehen davon sind beide Wolkenkundler eher skeptisch, ob man dem Wettergott kontrolliert ins Handwerk pfuschen kann. "Man kann statistisch nicht beweisen, dass sich die Wolke anders verhalten hätte, wenn man sie nicht behandelt hätte", betont Heintzenberg. "Bei dicken Wolkendecken kann ich mir das sowieso nicht vorstellen. Und denken Sie an die rechtlichen Probleme: Was passiert, wenn's an der falschen Stelle regnet?"
Letztlich bleibt eine Regenwolke ein watteweiches Wunderwerk. Borrmann sagt: "Wenn eine Wolke nicht regnen will, dann tut sie's eben nicht."