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Keine Ambitionen

30. November 2009

In Genf hat nach vier Jahren wieder einmal ein Ministertreffen der Welthandelsorganisation WTO begonnen. Doch Hoffnungen auf einen Abschluss der Doha-Runde macht sich niemand.

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Der Eingang des WTO-Hauptquartiers in Genf (Foto: AP)
Vermutlich wieder ohne Erfolg: WTO-Ministertreffen in GenfBild: AP

Nach fünf erfolglosen Ministerkonferenzen der Welthandelsorganisation in den letzten zehn Jahren ist WTO-Generaldirektor Pascal Lamy vorsichtiger geworden. Im November 1999 hatten zehntausende Globalisierungsgegner den Abbruch der WTO-Ministerkonferenz im amerikanischen Seattle erzwungen. Und auch die folgenden vier Konferenzen der im Jahr 2001 ausgerufenen "Doha-Verhandlungsrunde" der WTO scheiterten sämtlich an dem erklärten Ziel, neue Abkommen zur weiteren Liberalisierung des Welthandels mit Industrie- und Agrarprodukten sowie im Finanz- und Dienstleistungsbereich zu vereinbaren.

WTO-Generaldirektor Pascal Lamy (Foto: AP)
WTO-Generaldirektor Pascal Lamy: "80 Prozent sind geschafft"Bild: AP

Auch die bis zum vergangenen Freitag geführten intensiven Beratungen der Handelsbotschafter der 153 WTO-Mitgliedschaften erbrachten lediglich einige technische Fortschritte, aber keinen politischen Durchbruch, wie Lamy resigniert feststellen musste. "Die Gesamtbilanz der Verhandlungen seit September zeigt, dass wir zwar Fortschritte gemacht haben bei einer Reihe technischer Details, aber die Differenzen bei den großen Themen haben wir noch nicht überwunden. Hier müssen die Bemühungen verstärkt werden."

Die letzte Meile ist die schwerste

Bei der Doha-Runde sind laut Pascal Lamy 80 Prozent der Themen unter Dach und Fach. Die letzte Meile allerdings erweist sich als schwierig. Alle warten auf Amerika. Die neue US-Regierung hat das in seinen Grundzügen schon ausgehandelte Paket von Handelserleichterungen in Frage gestellt. Die Amerikaner haben Neuverhandlungen mit den Schwellenländern Indien, China und Brasilien aufgenommen. Die USA wollen in diesen Ländern mehr Marktzugang für ihre Produkte. Im Sommer 2008 war eine Einigung der WTO-Mitglieder auf der Zielgerade gescheitert. Pascal Lamy drängt auf einen Abschluss der Runde im Jahr 2010.

Demonstration gegen die WTO (Foto: AP)
Viele WTO-Treffen sind von Protesten begleitetBild: AP

An den 27 Mitgliedern der Europäischen Union soll die Einigung nicht scheitern, versichert der EU-Botschafter bei der WTO, Eckard Guth: "Das Paket, das im Jahr 2008 auf dem Tisch war, stellt natürlich wie alle Verhandlungspakete niemanden vollkommen zufrieden, kann aber auch niemanden total desillusionieren. Die Europäische Union hat viele Probleme mit dem Paket gehabt. Aber sie sagt, im Interesse des Abschlusses einer Runde, wo jeder etwas geben und nehmen muss, könnten wir mit dem Paket leben."

Messlatte niedrig gelegt

Angesichts der mangelnden Verhandlungsfortschritte hat der WTO-Generaldirektor die Messlatte für die 7. Ministerkonferenz bewusst niedrig gehängt. Die Streitthemen der letzten zehn Jahre stehen nicht auf der Tagesordnung. Stattdessen soll die Konferenz den Ministern gerade in der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise Gelegenheit bieten, sich über alle WTO-relevanten Themen auszutauschen.

WTO-Proteste in Indonesien (Foto: AP)
WTO-Proteste in IndonesienBild: picture-alliance/dpa

Dennoch haben Attac, Oxfam und viele andere globalisierungskritische Organisationen aus aller Welt zu Demonstrationen gegen die bis Mittwoch anberaumte Ministerkonferenz aufgerufen. Die Globalisierungskritiker befürchten, dass die Industriestaaten des Nordens die Konferenz auch unterhalb der Ebene offizieller Verhandlungen dazu nutzen wollen, die Länder des Südens zur weiteren Öffnung ihrer Agrarmärkte zu drängen sowie zur Privatisierung und Deregulierung des Dienstleistungssektors - etwa bei der Bildung, Wasser- und Gesundheitsversorgung sowie in der Finanzwirtschaft.

Tatsächlich sind diese Forderungen und Verhandlungspositionen von USA, EU, Japan und Kanada nach wie vor unverändert - trotz der nun seit über einem Jahr währenden globalen Wirtschaftskrise. Attac wirft den Regierungen insbesondere den EU-Staaten und der USA deshalb Doppelzüngigkeit vor: Diese Regierungen würden zwar öffentlich eine verstärkte Regulierung der Finanzmärkte fordern, zugleich aber drängten sie innerhalb der WTO auf eine weitere Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte.

Industriestaaten doppelzüngig?

Die globalierungskritischen Organisationen sowie die WTO-Mitgliedsstaaten aus Afrika, Asien und Lateinamerika monieren zudem, dass die Industriestaaten auch weiterhin nicht bereit sind, ihre eigenen Agrarmärkte stärker als bislang für Produkte aus Ländern des Südens zu öffnen und endlich auf die massiven Exportsubventionen für die eigenen Bauern zu verzichten. In einer Studie belegt Oxfam die katastrophalen Auswirkungen der EU-Exportsubventionen für Milchpulver auf die Milchbauern in Bangladesch. Subventioniertes Milchpulver aus der EU ist derzeit billiger als die in Bangladesch produzierte Frischmilch. Das von der EU verursachte Preisdumping bedroht laut Oxfam-Studie die Existenz von rund sieben Millionen Menschen in Bangladesch.

Autor: Andreas Zumach
Redaktion: Rolf Wenkel