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Wulff bleibt auch nach Interview unter Druck

5. Januar 2012

Die Opposition hält die öffentliche Entschuldigung des Bundespräsidenten nicht für ausreichend. Die "Bild"-Zeitung widerspricht Wulffs Darstellung, er habe eine Berichterstattung zu der Affäre nicht verhindern wollen.

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Bundespräsident Christian Wulff (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Die "Bild"-Zeitung hat der Aussage von Bundespräsident Christian Wulff widersprochen, er habe mit seinem Anruf beim Chefredakteur Kai Diekmann eine Berichterstattung zu der Kredit-Affäre nicht verhindern wollen. "Das haben wir damals deutlich anders wahrgenommen. Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden", sagte Nikolaus Blome, Leiter des Hauptstadt-Büros der "Bild"-Zeitung, im Deutschlandfunk.

Blome: Anruf sollte Berichterstattung unterbinden

Nikolaus Blome, Leiter des Hauptstadtbüros der "Bild"-Zeitung (Foto: Karlheinz Schindler)
Nikolaus Blome, Leiter des "Bild"-HauptstadtbürosBild: picture-alliance/dpa

Ob der Anruf als Drohung verstanden werden könne oder nicht, sei vielleicht eine Geschmacksfrage, sagte Blome. "Aber klar war das Ziel dieses Anrufes, die Absicht und das Motiv, nämlich: diese Berichterstattung, diesen ersten 'Breaking'-Bericht über die Finanzierung seines privaten Hauses, zu unterbinden." Wulff war in dem TV-Interview von ARD und ZDF gefragt worden, ob es nicht für einen Bundespräsidenten tabu sein müsse, unliebsame Berichterstattung verhindern zu wollen. "Ich habe nicht versucht, sie zu verhindern. Ich habe darum gebeten, einen Tag abzuwarten", sagte er dazu. Gleichwohl räumte Wulff ein, dass der Anruf bei Diekmann "ein schwerer Fehler" gewesen sei, für den er sich entschuldige.

"Angesichts dieser unterschiedlichen Sichtweisen will die "Bild"-Zeitung den Wortlaut der telefonischen Äußerungen Wulffs vom 12. Dezember veröffentlichen. "Um Missverständnisse auszuräumen, was tatsächlich Motiv und Inhalt ihres Anrufs angeht, halten wir es deshalb für notwendig, den Wortlaut Ihrer Nachricht zu veröffentlichen", schrieb Diekmann in einem in Berlin verbreiteten Schreiben an Wulff. Er bittet den Präsidenten darin "im Sinne der von Ihnen angesprochenen Transparenz um Ihr Einverständnis zur Veröffentlichung".

Medien berichteten von Drohungen Wulffs

Das Bundespräsidialamt hat bislang öffentlich auf das Schreiben Diekmanns nicht reagiert. Nach Medienberichten hatte Wulff versucht, den Chefredakteur am 12. Dezember telefonisch zu erreichen. Nachdem dies nicht gelungen war, habe Wulff auf die Handy-Mailbox Diekmanns gesprochen und mit dem "endgültigen Bruch" mit dem Springer-Verlag gedroht, falls die "unglaubliche Geschichte" über seinen Hauskredit erscheine. Damit werde "der Rubikon" überschritten. Dem verantworlichen Redakteur habe Wulff mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht.

Einen Tag später, am 13. Dezember hatte die "Bild"-Zeitung erstmals und als erstes Blatt über die Umstände des Hauskredits im Wert von einer halben Million Euro berichtet. Der Präsident muss sich gegen Vorwürfe wehren, beim Kauf eines Eigenheimes als Ministerpräsident die genauen Umstände der Kreditaufnahme verschwiegen zu haben. Im Interview wies er den Vorwurf zurück, er informiere die Öffentlichkeit per Salami-Taktik. Wulff kündigte an, dass die Antworten seiner Anwälte auf etwa 400 Anfragen von Journalisten an diesem Donnerstag (05.01.2012) im Detail im Internet veröffentlicht würden. Der Bundespräsident lehnte aber ungeachtet des verheerenden Medienechos einen Rücktritt ab.

Künast: Wulff redete nur über seine Gefühle

Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag (Foto; AP)
Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen im BundestagBild: AP

Nach Darstellung der Opposition hat Wulff die Vorwürfe nicht ausräumen können. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast sagte "Bild": "Wulff hat nur über seine Gefühle geredet, aber keine der Fragen beantwortet, die das Land beschäftigen." Linken-Chefin Gesine Lötzsch erklärte, Wulff habe "ein gestörtes Verhältnis zur Presse, zur Wahrheit und zum Geld". Das Interview sei kein Befreiungsschlag gewesen. Wulff verharre bei seiner Taktik des Aussitzens, sein Handeln in den vergangenen Wochen habe das Amt des Bundespräsidenten "und unser Land beschädigt".

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles verlangte eine Stellungnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Rücktrittsforderungen zu inflationieren bringt doch gar nichts. Die entscheidende Frage ist, was Frau Merkel in dieser Sache sagt", erklärte Nahles im ARD-"Morgenmagazin". Die Kredit- und Medien-Affäre des Staatsoberhauptes sei längst nicht aufgeklärt. "Es bleiben offene Fragen, die auch in niedersächsischen Landtag geklärt werden müssen. Das ist etwas, das uns auch in den nächsten Monaten beschäftigten wird."

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zeigte sich dagegen überzeugt, dass Wulff durch die weitere Aufklärung erfolgreich Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen werde. Auch der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte, Wulffs Erklärungen seien "ein wichtiger Schritt". Die öffentliche Debatte müsse "nach den eindeutigen Worten jetzt beendet werden". CDU-Chefin Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hatten sich schon am Mittwoch erneut hinter Wulff gestellt.

Deutsche verlieren das Vertrauen

Bundespräsident Wulff im Gespräch mit Bürgern in Osnabrück (Foto: dpa)
Der Bundespräsident - auf das Vertrauen der Bürger angewiesenBild: picture-alliance/dpa

Einer vor dem Interview geführten Umfrage zufolge verliert der Präsident in der Bevölkerung kontinuierlich an Zustimmung. Am Mittwoch sprachen sich laut ARD-Deutschlandtrend 47 Prozent der Deutschen für einen Verbleib des Politikers im Amt aus. Am Montag waren es noch 63 Prozent. Auch die Glaubwürdigkeit ging in der Einschätzung der Befragten von 36 Prozent am Montag auf 27 Prozent am Mittwoch zurück. Dass Wulff ehrlich ist, glaubten demnach 22 Prozent der Deutschen. Eine Mehrheit war sogar der Ansicht, dass Wulff kein würdiger Bundespräsident mehr sei.

Unterdessen veröffentlichte der Anwalt des Bundespräsidenten, Gernot Lehr, eine sechsseitige Stellungnahme zu den gegen Wulff erhobenen Vorwürfen. Sie ist auch im Internet unter http://www.redeker.de/downloads/pm/pm20120105.pdf abrufbar. Seine Kanzlei habe inzwischen etwa 450 Fragen einzelner Medienvertreter beantwortet, teilte Lehr in Berlin mit. Jetzt würden Antworten auf immer wieder gestellte Fragen und Themenkomplexe zusammengefasst. "Unser Mandant strebt bei der Beantwortung dieser Fragen größtmögliche Transparenz an, soweit diese Sachverhalte betreffen, die in Beziehung zu seinen öffentlichen Ämtern stehen", versicherte die Kanzlei. Sie räumte jedoch ein, dass "aufgrund des verständlichen Zeitdrucks" die Antworten teilweise noch ergänzungs- oder korrekturbedürftig sein könnten. "Sollte dies erforderlich sein, werden wir unseren Bericht aktualisieren."

Autoren: Stephan Stickelmann/Michael Wehling (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Herbert Peckmann/Marko Langer