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Wulff gegen Veröffentlichung seines Anrufs

5. Januar 2012

Auch nach dem Fernsehinterview von Bundespräsident Wulff zu seinem umstrittenen Privatkredit ist die Affäre für das Staatsoberhaupt nicht ausgestanden. Mit der "Bild"-Zeitung handelte sich Wulff neuen Ärger ein.

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Wulff (li) und 'Bild'-Chef Diekmann bei einem Fest der Zeitung 2006 (Foto: dpa)
Wulff (li) und "Bild"-Chef Diekmann bei einem Fest der Zeitung 2006Bild: picture-alliance/dpa

Hintergrund der neuen Kontroverse ist die Aussage Wulffs in seinem Interview bei ARD und ZDF am Mittwoch, der Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann am 12. Dezember 2011 sei ein schwerer Fehler gewesen, für den er sich entschuldige. Er habe aber nur darum gebeten, die Berichterstattung über seine Hausfinanzierung um einen Tag zu verschieben, "damit man darüber reden kann, damit sie sachgerecht ausfallen kann".

Andere Sichtweise bei "Bild"

Nikolaus Blome, Leiter Hauptstadtbüros von 'Bild' (Foto: Karlheinz Schindler)
Nikolaus Blome, Leiter des Hauptstadtbüros von "Bild"Bild: picture-alliance/dpa

"Das haben wir damals deutlich anders wahrgenommen. Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden", sagte Nikolaus Blome, Leiter des Hauptstadt-Büros von "Bild" am Mittwochabend im Deutschlandfunk. Ob der Anruf als Drohung verstanden werden könne oder nicht, sei vielleicht eine Geschmacksfrage, so Blome. "Aber klar war das Ziel dieses Anrufes, die Absicht und das Motiv, nämlich: diese Berichterstattung, diesen ersten 'Breaking'-Bericht über die Finanzierung seines privaten Hauses, zu unterbinden."

Wulff betont Vertraulichkeit des Anrufs

Die Bitte Diekmanns, wegen der "unterschiedlichen Sichtweisen" zum Inhalt des Anrufs diesen im Wortlaut veröffentlichen zu dürfen, lehnte Wulff am Donnerstag ab. In einem vom Bundespräsidialamt veröffentlichten Schreiben Wulffs an den "Bild"-Chef heißt es:

Schloss Bellevue im Berliner Tiergarten, der Amtssitz des Bundespräsidenten (Foto: dpa)
Schloss Bellevue, der Amtssitz des BundespräsidentenBild: dapd

"Die in einer außergewöhnlich emotionalen Situation gesprochenen Worte waren ausschließlich für Sie und für sonst niemanden bestimmt. Ich habe mich Ihnen gegenüber kurz darauf persönlich entschuldigt. Sie haben diese Entschuldigung dankenswerterweise angenommen. Damit war die Sache zwischen uns erledigt. Dabei sollte es aus meiner Sicht bleiben. Es erstaunt mich, dass Teile meiner Nachricht auf Ihrer Mailbox nach unserem klärenden Telefongespräch über andere Presseorgane den Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben."

Die "Bild"-Chefredaktion reagierte mit einer knappen Stellungnahme: Die Redaktion bedauere die Entscheidung des Präsidenten. "Damit können die im Zusammenhang mit dem Fernsehinterview des Bundespräsidenten entstandenen Unstimmigkeiten, was das Ziel seines Anrufes angeht, nicht im Sinne der von ihm versprochenen Transparenz aufgeklärt werden", hieß es.

Angeblich Drohungen ausgesprochen

In den von Wulff erwähnten Presseberichten von Anfang des Jahres hatte es geheißen, der Bundespräsident habe dem Springer-Verlag den "endgültigen Bruch" der Beziehungen angedroht, falls die "unglaubliche Geschichte" über seinen Hauskredit erscheine. Damit werde "der Rubikon" überschritten. Dem verantwortlichen Redakteur habe Wulff mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht.

Am 13. Dezember hatte die "Bild"-Zeitung erstmals und als erstes Blatt über den Privatkredit über 500.000 Euro berichtet, den Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident bei der Ehefrau eines befreundeten Unternehmers zum Kauf eines Hauses aufgenommen hatte. Seitdem muss sich der Präsident gegen Vorwürfe wehren, die genauen Umstände der Kreditaufnahme verschwiegen zu haben. Eine neue Dimension bekam der Fall, als der Anruf bei Diekmann bekannt wurde.

Staatsoberhaupt lehnt Rücktritt ab

In dem Fernsehinterview hatte Wulff einen Rücktritt nachdrücklich abgelehnt. Er habe nichts Unrechtes getan. "Ich möchte nach fünf Jahren eine Bilanz ziehen, dass ich ein guter und erfolgreicher Bundespräsident war." Er spüre den Rückhalt der Bevölkerung, beonte Wulff: "Die Bürger setzen darauf, dass ich Bundespräsident bleibe."

Bundespräsident Wulff (li) im Fernsehinterview mit Bettina Schausten und Ulrich Deppendorf (Foto: dpa)
Bundespräsident Wulff (li) im FernsehinterviewBild: picture-alliance/dpa

Wulffs Anwälte veröffentlichten eine zusammenfassende Stellungnahme zu Medienanfragen an den Bundespräsidenten, bei denen es unter anderem um den Privatkredit sowie Urlaubsaufenthalte des Ehepaars Wulff bei befreundeten Unternehmern ging. Rechtsverstöße habe man nicht festgestellt, "Die privaten Freundschaften von Herrn Wulff haben seine Amtsführung nicht beeinflusst", hieß es. Auch für steuerrechtliche Verstöße gebe es keine Anhaltspunkte. Die Stellungnahme ist im Internet unter http://www.redeker.de/downloads/pm/pm20120105.pdf abrufbar.

Kritik der Opposition

Die Oppositionsparteien äußerten sich kritisch zum TV-Auftritt des Präsidenten und zu seinem neuen Streit mit der "Bild"-Zeitung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, erklärte, er habe kein Verständnis dafür, "dass Wulff gestern Transparenz ankündigt und heute die erste Chance dafür verstreichen lässt". Das Staatsoberhaupt tue nichts, um die Vorwürfe gegen ihn zu entkräften. Dabei könne nur eine Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht beweisen, ob er gelogen habe oder nicht.

Die Chefin der Grünen-Bundestagfraktion, Renate Künast, kritisierte in der "Bild"-Zeitung, Wulff habe im Fernsehen "nur über seine Gefühle geredet, aber keine der Fragen beantwortet, die das Land beschäftigen". Linken-Fraktionsvize Ulrich Maurer warf Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, den Skandal um Wulff "einfach aussitzen" zu wollen.

Merkel hatte Wulff am Mittwoch über ihren Sprecher ihre Unterstützung versichert, am Donnerstag äußerte sie sich nicht. Im Kanzleramt empfing die Regierungschefin mehr als hundert Sternsinger. Am Freitag wollen die Jungen und Mädchen zum Dreikönigstag den Bundespräsidenten in Schloss Bellevue besuchen.

Autor: Michael Wehling (dpa/afp/rtr/dapd)
Redaktion: Marko Langer