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Wulffs Rücktritt wird mit Erleichterung aufgenommen

17. Februar 2012

Während die Opposition sich erleichtert über den Rücktritt von Bundespräsident Wulff zeigte, nahm Kanzlerin Merkel die Erklärung mit "tiefem Bedauern" auf. Sie will nun mit SPD und Grünen nach einem Nachfolger suchen.

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Bundespräsident Christian Wulff (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die Kanzlerin erklärte, sie habe den Rücktritt mit "größtem Respekt" und "tiefem Bedauern" aufgenommen. Sie würdigte zugleich Wulffs Begründung, es sei ihm nicht mehr möglich gewesen, sein Amt auszuüben. Mit Blick auf den Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover, Wulffs Immunität aufzuheben, sagte sie, es sei eine Stärke des Rechtsstaats, "dass er jeden gleich behandelt, welche Stellung auch immer er einnimmt". Mit seinem Rücktritt stelle Wulff das Amt über seine persönliche Überzeugung, rechtlich korrekt gehandelt zu haben.

Bei der Auswahl eines Nachfolgers will Merkel nun auf SPD und Grüne zugehen. "Wir wollen Gespräche führen mit dem Ziel, in dieser Situation einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des nächsten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland vorschlagen zu können", sagte sie im Kanzleramt.

Seehofer ist kommissarisches Staatsoberhaupt

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat Wulff "ungeteilten Respekt" gezollt. "Mit diesem Schritt rückt Christian Wulff die Würde und die Bedeutung des höchsten Staatsamtes an die erste Stelle", erklärte er und fügte hinzu, niemand habe sich diesen "bedauerlichen Gang der Dinge" gewünscht.  Seehofer ist als derzeitiger Bundesratspräsident nun auch kommissarisches Staatsoberhaupt. "Diese Aufgaben werde ich jetzt bis zur Wahl eines neuen Bundespräsidenten mit Respekt und Achtung wahrnehmen", ließ Seehofer über einen Sprecher der Staatskanzlei mitteilen.

SPD: Rücktritt war überfällig

SPD und Grüne begrüßten das Angebot von Kanzlerin Merkel, die beiden Parteien bei der Suche nach einem Nachfolger einzubeziehen. Zugleich äußerten sich beide Parteien erleichtert über den Rücktritt.  Nach Ansicht des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, war er "überfällig". Wulff habe "viel zu lange gezögert, um Schaden vom Amt des Bundespräsidenten abzuwenden", sagte Oppermann.

Die Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin sagten: "Wir sind erleichtert, dass Christian Wulff mit seinem Rücktritt das Land von quälenden Debatten erlöst hat" und forderten Kanzlerin Merkel in einem Schreiben auf, die Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien zu einem Gespräch einzuladen, "um die Möglichkeit der Wahl einer oder eines möglichst breit getragenen neuen Bundespräsidenten auszuloten".

Zuvor hatte Wulff seinen sofortigen Rücktritt bekannt gegeben. Zur Begründung sagte er im Berliner Schloss Bellevue, er habe nicht mehr das nötige Vertrauen einer breiten Mehrheit der Bevölkerung. Wegen der verschiedenen Vorwürfe gegen ihn könne er seine Aufgaben "nach innen und außen" nicht mehr richtig wahrnehmen. Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte am Vorabend in einem beispiellosen Schritt beim Bundestag die Aufhebung der Immunität Wulffs beantragt, um ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher Vorteilsannahme einleiten zu können.

Rücktritt hat keine Auswirkungen auf Ermittlungen

Der Rücktritt des Bundespräsidenten hat nach Darstellung der Staatsanwaltschaft keine Auswirkungen auf die geplanten strafrechtlichen Ermittlungen. Das sagte Behördensprecher Hans-Jürgen Lendeckel am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Die geplanten Ermittlungen wegen Vorteilsannahme beziehen sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf das gesamte dienstlich-private Verhältnis zwischen Wulff und dem Filmfondsmanager David Groenewold – "soweit es strafrechtlich relevant ist", sagte Lendeckel.

Monatelang in der Kritik

Über zwei Monate lang stand Wulff im Kreuzfeuer der Kritik. Praktisch jeden Tag kamen neue Einzelheiten an den Tag, angefangen von der Inanspruchnahme eines günstigen Privatkredits für sein Haus bis hin zu kostenlosen Urlauben bei Unternehmern, mit denen er auch geschäftlich in seiner Zeit als Ministerpräsident von Niedersachsen zu tun hatte.

Bei der Bundespräsidentenwahl 2010 hatte Bundeskanzlerin Merkel den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff als Kandidaten durchgesetzt. SPD und Grüne hatten dagegen damals für den früheren Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, als überparteilichen Kandidaten geworben.

GD/mm (afp, dapd, dapd, rtr)