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Wunder Punkt der kroatischen Geschichte: Das Konzentrationslager Jasenovac

12. Mai 2005

Das Hitler-treue Ustascha-Regime ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte Kroatiens. Im Zweiten Weltkrieg wurden zehntausende Serben, Juden, Roma und Regime-Gegner allein in dem Konzentrationslager Jasenovac ermordet.

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Jasenovac war nach deutschem Vorbild organisiert (im Bild: Auschwitz)Bild: AP

"Jasenovac war von August 1941 bis April 1945 das größte Konzentrationslager auf dem Gebiet des damaligen Unabhängigen Staates Kroatien (NDH)", sagt Slavko Goldstein, Präsident der Gedächtnisstätte Jasenovac. "Es war ein Lager mit gemischtem Charakter, eine Arbeitslager, ein Sammellager, ein Durchgangslager, aber auch ein Todeslager. Eigentlich überwiegend ein Todeslager, denn die Mehrheit derer, die ins Lager hineinkamen, kam nicht mehr heraus."

Diskussionen um die Opferzahl

Jasenovac ist ein wunder Punkt in der kroatischen Geschichte. Im Jahr 1964 erstellte das jugoslawische Amt für Statistik eine umfassende Untersuchung über die Opfer des Zweiten Weltkrieges und kam zu einer Zahl von 60.000 Toten in Jasenovac, der man noch eine Dunkelziffer von 40 bis 60 Prozent hinzufügte, um zu einer Gesamtzahl zu kommen. Auch einige unabhängige Untersuchungen zu diesem Thema sind zu ähnlichen Zahlen gelangt, so dass man sagen kann, dass in Jasenovac zwischen 80.000 und 100.000 Menschen ums Leben gekommen sind.

Während des Kommunismus in Jugoslawien kursierten immer wieder sehr unterschiedliche Opfer-Zahlen. Bogdan Bodanovic, der Architekt des Denkmals für die Opfer von Jasenovac: "Ich musste die offiziellen Zahlen der Rates der Kämpfer anerkennen, die auch für mich erstaunlich waren."

Verantwortung des Ustascha-Regimes

Bodanovic beschreibt, wie schwer es ihm fiel, mit dem Ausmaß des Verbrechens umzugehen: "In meiner Zeit habe ich mich geweigert, andere ähnliche Dinge anzuschauen, andere Dokumente über solche Greueltaten anzuschauen. Ich habe das nicht gekonnt. Ich wusste, was ein Verbrechen ist, was Drama und die Trauer einer gespaltenen Nation ist, die in zwei Teile geteilt ist. Ich habe eine Form, eine Botschaft gesucht, die das beschreibt, den Opfern Achtung erweist und alles Übrige den Historikern überlässt."

Die meisten Opfer waren Serben, etwa 50.000, zudem sind etwa 18.000 Juden, 10.000 Roma und etwa genauso viele kroatische Antifaschisten ums Leben gekommen. Es wurden auch sieben bis 15 Mal höhere Zahlen gehandelt, die auch heute noch in Umlauf sind. Wichtig ist aber vor allem zu wissen, was sich abgespielt hat und auf welche Weise die Menschen ihr Leben verloren haben. Der Historiker Goldstein: "Jasenovac wurde errichtet und erhalten im unmittelbarsten Einflussbereich des Ustascha-Regimes und nicht der Deutschen. Es war zwar nach dem Muster deutscher Konzentrationslager organisiert, seine Unterhaltung lag jedoch ausschließlich in den Händen der Ustascha."

Traumatischer Ort der Geschichte

Im Ustascha-Lager Jasenovac wurde ein Verbrechen größten Ausmaßes begangen und die Serben waren die Hauptopfer-Gruppe. Die Debatte um die Opferzahlen hat indes den Blick auf die eigentlichen Vorgänge verstellt. Auch heute ist in Kroatien noch immer das Bedürfnis zu erkennen, das eigentliche Wesen von Jasenovac zu relativieren, seinen bestialischen Charakter, die Beschaffenheit des Ustascha-Regimes und seiner Todeslager zu verharmlosen. Nur langsam brechen in Teilen der Gesellschaft Verkrustungen auf, wird gegen Relativierung und Minimalisierung angegangen. Viele fragen zu Recht, ob die kroatische Gesellschaft reif dafür ist, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich einem wahrheitsgemäßen Bild der sensiblen und traumatischen Orte der Geschichte zu stellen.

Ljubica Letinic / Zagreb
DW-RADIO/Kroatisch, 29.4.2005, Fokus Ost-Südost