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Wundermittel PPP

Nikolaus Steiner17. August 2012

Viele Kommunen haben kein Geld, trotzdem wird überall gebaut. Sogenannte Public-Private-Partnership-Projekte machen es möglich. Doch die Begeisterung ist inzwischen geschwunden, viele Projekte sind teurer als erwartet.

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Marode Schwimmhalle Berlin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/ dpa

Im Klassenzimmer bröckelt der Putz von der Decke, Schimmel macht sich an den Wänden breit, die Heizung ist schon lange kaputt. Klingt nach Zuständen wie in Guatemala oder dem ärmlichen Hinterland Rumäniens. Doch das Gebäude steht in Deutschland, im Osten von Berlin. Und wie dort, sieht es in vielen deutschen Schulen aus.

Land auf, Land ab sind Kommunen stark verschuldet, einige haben nicht genug Geld, ihre Beamten zu bezahlen, ihre Schulen richtig auszustatten oder marode Duschen in Sporthallen in Stand zu setzen. Die Schuldenkrise macht auch deutschen Gemeinden schwer zu schaffen.

Leere Kassen? Kein Problem!

Beispiel: die Stadt Leverkusen in Nordrhein-Westfalen. 44 Millionen Euro fehlen dieses Jahr im Haushalt. Trotzdem werden bis nächstes Jahr zwei neue Kindertagesstätten gebaut. Das ist möglich, weil die Stadt zunächst nichts dafür bezahlen muss. Die Kindertagesstätten entstehen als Public-Private-Partnership (PPP), eine Kooperation von einem privaten Unternehmen und der sogenannten öffentlichen Hand, in diesem Fall also der Stadt Leverkusen. Die beauftragte Firma baut die Einrichtungen auf eigene Kosten, und die Stadtverwaltung zahlt dann 25 Jahre lang einen vertraglich festgeschriebenen Beitrag für die Bewirtschaftung der Kindertagesstätten.

Durch solche öffentlich-privaten Kooperationen werden Dinge, um die sich eigentlich der Staat kümmern sollte, von privaten Unternehmen übernommen, zum Beispiel der Bau oder die Renovierung von Schwimmbädern, Autobahnen oder Schulen.

Heizungsschaden in einer Turnhalle (Foto: dpa)
Marode Sportstätte: Knappe Kassen zwingen Kommunen, bei der Instandhaltung zu sparenBild: picture-alliance/ dpa

Die Frage ist, ob Unternehmen und Kommunen überhaupt sinnvoll miteinander kooperieren können, weil sie unterschiedliche Ziele verfolgen. Der Staat hat das Gemeinwohl im Blick, ein privates Unternehmen den Profit. Ein unüberwindbarer Widerspruch, so die Kritiker.

Befürworter sehen hingegen die Vorteile, beispielsweise bei der Auftragsvergabe. "Die öffentliche Hand hat als Ansprechpartner nur einen privaten Partner, der die Verantwortung für alle Bereiche übernimmt", sagt Patrick Opdenhövel von der "Taskforce-PPP" im Landesfinanzministerium von Nordrhein-Westfalen. Das heißt, die Stadt oder Kommune muss sich nicht mit Architekten oder Handwerkern auseinandersetzen, sondern das erledigt alles die beauftragte private Firma. Die Stadt muss sich um fast nichts kümmern. Das gehe wesentlich schneller, weniger bürokratisch und garantiere gleichzeitig eine hohe Qualität, so der PPP-Experte vom nordrhein-westfälischen Finanzministerium. Denn der private Partner rechne auch Wartung und Reinigung der Anlagen in seine Kalkulation ein. "Das führt zu weniger Störungen und längeren Betriebszeiten", meint Opdenhövel.

Geheime Verträge

"Mit PPP soll die besagte Prozesskette - vom Planen, Finanzieren, Bauen und Bewirtschaften an private Unternehmen übergehen", sagt Renate Sternatz von der Gewerkschaft Verdi. Das Problem dieser Art Kooperation sieht sie in den jeweils vereinbarten Verträgen. Die würden oftmals über eine Laufzeit von 30 Jahren abgeschlossen und blieben dabei geheim.

Renate Sternatz von Verdi (Foto: privat)
Renate Sternatz: "Verträge bleiben geheim"Bild: privat

Beispiel Berlin: Dort wurde die Wasserversorgung komplett von privaten Unternehmen übernommen. Im Gegenzug bekamen die Unternehmen vertraglich eine Rendite garantiert. Das Resultat: Der Wasserpreis stieg um ein Drittel. Berliner Bürger klagten auf Offenlegung der Geheimverträge - mit Erfolg. Im Dezember 2011 forderte das Bundeskartellamt dann die privaten Unternehmen auf, den Wasserpreis zu senken.

Zu verdanken ist dies dem Engagement von Dirk Kramm, der mit seinem Verein "Gemeingut in BürgerInnenhand" wegen der Geheimniskrämerei vor Gericht gezogen war. "Wir sind der festen Überzeugung, dass die meisten Projekte überhaupt nicht mehr realisierbar wären, wenn die Projektkalkulationen offengelegt würden. Weil dann klar wäre, wo die Einsparungen erzielt werden und dass das mit sehr unlauteren Mitteln auf Kosten der Bürger gemacht wird", so Kramm.

Dirk Kramm vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (Foto: privat)
Dirk Kramm: "Geschäfte werden auf Kosten der Bürger gemacht"Bild: privat

Auch der Bundesrechnungshof spricht von einem "wirtschaftlichen Schaden für den Bund" durch einzelne öffentlich-private Projekte. Doch nach wie vor heißt es bei knapp 200 Projekten in Deutschland: streng geheim. Und daran will auch die Bundesregierung nichts ändern.

Zu Lasten des Staates

Rund zehn Jahre nach der Einführung von PPP in Deutschland ist inzwischen die Begeisterung in vielen Städten und Kommunen geschwunden. Viele Projekte entpuppten sich als teurer als erwartet. Das größte Problem sei, dass sich die öffentliche Hand auf Verträge einlasse, die ihr die privaten Unternehmen diktierten, meint der Publizist Werner Rügemer, der seit Jahren PPP-Projekte analysiert. "Die Methode PPP" könnte für den Staat vorteilhaft sein, so Rügemer, wenn staatliche Stellen keine Verträge aushandeln würden, die zu ihren Lasten gehen.

Schlaglöcher in der Fahrbahn einer Berliner Straße (Foto: dpa)
Straßenschäden: Schlaglöcher durch FinanzlochBild: picture-alliance/dpa

Ob die Stadt Leverkusen bei ihren Kooperationen mit privaten Unternehmen draufzahlt, bleibt abzuwarten. Doch ein Blick nach England, ins Mutterland von PPP, wo es rund 900 solcher Projekte gibt, lässt nichts Gutes erahnen: Ein Untersuchungsausschuss des Parlaments kam dort zu dem Ergebnis, dass durch das "Betrugsgeschäft" mit den privaten Unternehmen die Steuerzahler "abgezockt" würden.