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Wunsch und Wirklichkeit

Reinhold Meyer21. Februar 2003

In Paris endete am Freitag (21.2.2003) das 22. französisch-afrikanische Gipfeltreffen. Dass Frankreich auch Simbabwes Präsident Robert Mugabe einlud, führte zu heftigen Protesten. Reinhold Meyer kommentiert.

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Das 22. französisch-afrikanische Gipfeltreffen in Paris hätte eine eindrucksvolle Demonstration sein können, welch hohen Stellenwert Frankreich für die afrikanischen Staaten auch mehr als 40 Jahre nach ihrer Unabhängigkeit immer noch besitzt. Paris lud ein - und fast alle waren präsent, darunter nicht weniger als 37 Staats- und Regierungschefs.

Doch hatte der erste Gipfel von Präsident Jacques Chirac nach seinem triumphalen Wahlsieg im vergangenen Jahr zwei große Makel: Da waren zum einen die taktischen Winkelzüge im Vorfeld, die es Präsident Robert Mugabe aus Simbabwe trotz geschlossener Sanktions-Front der übrigen Mitgliedsstaaten der EU ermöglichten, am Gipfel teilzunehmen. Und da war zum anderen die Abwesenheit des ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo, die das Fiasko französischer Vermittlungsbemühungen im Krisenherd Elfenbeinküste deutlich machte.

Chirac wollte in Paris ein Zeichen für eine "Neue Partnerschaft mit Afrika" setzen. Frankreich, der in der Vergangenheit viel gescholtene "Gendarm" Afrikas, wollte sich als Hüter des Friedens beweisen. Die bittere Erfahrung in der Elfenbeinküste hat gezeigt, dass die Rückkehr zu einer von politischen und wirtschaftlichen Interessen bestimmten Realpolitik in einem von blutigen Auseinandersetzungen überzogenen Afrika nicht einfach ist. Afrika ist für Chirac von großer Bedeutung, ist es doch der einzige Kontinent, wo Frankreich seine Muskeln spielen lassen und sich der Illusion hingeben kann, noch Großmachtstatus zu besitzen. Da ist Chirac dann auch bereit, grobe Menschenrechtsverletzungen wie im Fall Mugabe geflissentlich zu übersehen.

Präsident Chirac hatte schon immer gute Beziehungen zu Staatschefs wie Gnassingbe Eyadema in Togo, Omar Bongo in Gabun oder Paul Biya in Kamerun. Seinen einst berühmt-berüchtigten Ausspruch, dass die Demokratie ein Luxus für Afrika sei, den es sich nicht leisten könne, modifizierte er später dahingehend, dass die Veränderungen nicht in demselben Rhythmus und unter denselben Bedingungen stattfinden könnten.

Wenn Chirac jetzt in Paris nachdrücklich jede Form von illegaler Macht-Ergreifung verurteilt und das Ende der Zeit der Straflosigkeit für gewaltsame Potentaten ankündigt, so muss er erst noch den Beweis antreten, dass diesmal die französische Realpolitik in Afrika nicht wieder zur bloßen Formel erstarrt, die letztlich die Zusammenarbeit mit jedem politischen System in Afrika ermöglicht.

Chirac möchte Afrika wieder in den Mittelpunkt der französischen Prioritäten rücken, die Entwicklungs-Zusammenarbeit erhöhen und vor allem die Kapazitäten der afrikanischen Staaten zur Konflikt-Prävention und -Lösung ausbauen. Priorität soll die Ausbildung vor Ort oder in Frankreich von Sicherheitskräften und Militärs zur Friedens-Erhaltung haben. Paris will vor allem nach dem Ruanda-Trauma von 1994 auf die Wahrung von Sicherheit und Stabilität in den afrikanischen Staaten setzen.

Diese Ansätze sind in einer Zeit zu begrüßen, in der Afrikas zahlreiche Konflikte und Probleme von der alles überlagernden Irakkrise völlig an den Rand geschoben zu werden drohen. Paris möchte die Politik des neo-kolonialen Paternalismus vergessen machen und eine flexiblere Fall-zu-Fall-Strategie verfolgen. Chirac versteht sich als Anwalt für afrikanische Interessen in der EU und in internationalen Gremien.

Allerdings tat sich in den vergangenen Jahren auch hier eine Lücke zwischen Frankreichs deklatorischer und praktischer Politik auf. So ging das Volumen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit stetig zurück - und von den nun wieder für 2007 angekündigten 0,5 Prozent des Brutto-Inlands-Produkts ist man noch weit entfernt. Der nächste Gipfel der G-8-Staaten im Juni in Evian wird die erste Nagelprobe für die neue französisch-afrikanische Partnerschaft sein.

Ihre Glaubwürdigkeit wird auch davon abhängen, dass die Regierung in Paris sich nicht an autoritäre und repressive Regime bindet, die nur über eine geringe soziale Basis verfügen. Frankreich will die Rolle des drängenden und progressiven Mahners in Nord-Süd-Fragen auf der Weltbühne einnehmen. Die Afrikaner, die in Paris Frankreichs Kurs in der Irak-Krise unterstützten - Angola, Guinea und Kamerun sind derzeit im Weltsicherheitsrat vertreten - erwarten von Paris Solidarität auf der Basis gegenseitiger Vorteile.