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www.schweine.net

Karl Harenbrock21. Mai 2002

Deutsche Landwirte versteigern ihre Schweine über eine Internet-Plattform. Die Preisbildung ist transparenter als bei den klassischen Auktionen.

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Ferkel in einem Schweinezuchtbetrieb in NiedersachsenBild: AP

Landwirt Friedrich Harke ist zufrieden: 180 Mastschweine sind verkauft, 23.000 Euro haben sie gebracht. Der Schweinehalter schaut beim Abtransport der Tiere zu. Mit einem kleinen Lift werden sie in den zweiten Stock des Viehtransporters gefahren. Was die Borstentiere nicht wissen: Sie überzeugen Harke, dass E-Business auch in der Landwirtschaft nicht mehr aufzuhalten ist. Die Ladung Schweine war die erste Online-Auktion für den Landwirt über die Handelsplattform Schweine.net.

Vormarsch neuer Technologien

Davor veräußerte er Schweine zu einem niedrigen Festpreis an eine Genossenschaft. "Wenn ich das über den bisherigen Vermarkter gemacht hätte, hätte ich circa 200 Euro weniger Erlös. Und jetzt habe ich nach einer Woche das Geld auf dem Konto. Bei dem bisherigen Vermarkter hätte das 3 Wochen gedauert."

Bisher nutzte Harke neue Technologien vor allem, um Kosten zu sparen, geht es beim Schweinehandel doch um jeden Cent. Vier Monate hat er die Tiere in seinem hochmodernen Stall durchgefüttert, das Futter wird computergesteuert an die Tiere gegeben, die Gülle läuft automatisch ab. 600.000 Euro kostet die Anlage für 1500 Mastschweine. Ein Cent mehr oder weniger pro Kilo Schwein kann für Harke schon über Gewinn und Verlust entscheiden.

Landwirt mit Internet-Anschluss

Der Mittdreißiger ist ein moderner Landwirt. Der PC mit Internet-Anschluss gehört ganz selbstverständlich zu seinen Arbeitsgeräten - und nun auch www.schweine.net. Immer Mittwochs um 14 Uhr kann hier gesteigert werden. Bislang haben die Verkäufer Stückzahl und Art der Tiere sowie den möglichen Liefertermin gemeldet. Die Käufer müssen ihrerseits vorher ein Konto bei der Clearingbank in Hannover einrichten, über welche die Zahlungsabwicklung erfolgt. Die Vertreter der Schweinebörse überprüfen per Stichprobe Qualität und Lieferung der Schweine.

Das virtuelle Feilschen dauert dann nur wenige Minuten, noch ist das Volumen klein: Pro Auktion werden im Schnitt 1000 bis 1500 Schweine gehandelt. Auf traditionellem Weg über Großhändler sind es in Norddeutschland 140.000 Schweine pro Woche. Doch aus ihrem Nischendasein will der Web-Markt schnell heraus - vor allem mit Hilfe der Mäster. Denn die wollen sich mit Hilfe der Plattform verlorene Marktmacht zurück erobern.

Mitsprache für die Mäster

"Bei der Preisfindung können die Mäster doch bisher gar nicht mitreden", sagt Detlef Breuer, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Nordwestdeutschland. Derzeit stehen sich zwei Gruppen gegenüber: Die "Roten", das sind die Schlachtbetriebe, und die "Grünen", die Landwirte. Bisher hatten die Roten die besseren Karten– die Schweinebörse soll das ändern, erklärt Breuer, während er über den Marktplatz von Damme im Landkreis Vechta eilt.

Bei einem Schnitzel erläutert der hochgewachsene Niedersachse die weiteren Pläne: "Die Preisfindung ist das Problem. Die Grünen wollen hohe Preise, die Roten niedrige. Viele Schweinehalter haben sich zudem vertraglich an Genossenschaften gebunden. Von Marktwirtschaft ist da nur wenig zu spüren."

Virtuelles Feilschen

Die soll das Internet zurückbringen und deshalb reist Breuer von Kongress zu Landwirtetreffen, um für die Web-Börse zu werben. Verkaufen kann er gut. Stolz zeigt er auf das saftige Schnitzel vor ihm: "So was bekommen Sie in Berlin nicht. Das Schwein hat heute Morgen noch gequiekt." Doch nicht jeder Landwirt kann sich mit der virtuellen Welt anfreunden. Johann Mergelmeyer ist seit vielen Jahrzehnten Viehhändler. Skeptisch schaut er seinem Sohn über die Schulter, wenn der das schnelle Geschäft mit der Maus sucht.

Mausklick ersetzt Handschlag

"Früher haben wir immer noch mit Handschlag gearbeitet, wenn das Geschäft getan war, dann wurde in die Tasche gepackt, bezahlt und dann konnte man aufladen. Seitdem wir die Computer haben, gibt es nur noch Kundennummern. Das ganz Persönliche ist vorbei." Doch während der Senior noch schimpft, ist der Junior bereits beim virtuellen Feilschen. 1,47 Euro will er heute für ein Kilo Schweinefleisch ausgeben.

Die Internet-Euphorie ist dennoch nicht ausgebrochen. Die Bauern schätzen den persönlichen Kontakt bei den klassischen Auktionen - und machen sich so von den Schlachtereien abhängig, meint Deflef Breuer, der junge Mann von der Schweinebörse: "Manche Bauern kapieren es einfach nicht. Die sind doch den Schlachtereien regelrecht ausgeliefert."

Auktionen international

Ein Blick über die Grenze bestätigt seine These. In den Niederlanden beherrschen zwei Großschlachtereien 80% des Marktes. Die Bauern liefern und erfahren erst später welchen Preis sie für die Schweine bekommen. Ein Grund, weshalb sich jetzt auch niederländische Bauern für die deutsche Schweinebörse interessieren.

Bert Hopmann ist so einer. 3000 Mastschweine hat er im Stall. Zwei dicke Borstenviecher aus Holz prangen an seiner Eingangstür, darüber steht "Welcome friends". Freundlich werden auch die Mitarbeiter von Schweine.net begrüßt. Geduldig erklären sie dem Holländer am Computer das System. Der klickt hin und her, Börsenfieber bricht aus: Er träumt von Kilopreisen über 1,50 Euro.