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Yahoo: Weißer Ritter verzweifelt gesucht

Rolf Wenkel3. Februar 2016

Die Internet-Legende Yahoo hat katastrophale Quartalszahlen vorgelegt. Strategische Fehlentscheidungen haben den einstigen Pionier zum Übernahmekandidaten gemacht - falls überhaupt noch jemand Interesse hat.

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Bild: picture-alliance/dpa/M. Nelson

Bei Yahoo, dem einstigen Internet-Pionier, läuft einfach alles schief. Ende Oktober 2014 stand die Aktie noch bei knapp 52 Dollar, heutzutage kostet sie keine 30 Dollar mehr. Trotzdem raten einige Analysten zum Kauf. Denn sollte sich jemand erbarmen und die Reste des einstmals legendären Internetkonzerns aufkaufen, könnte der Kurs der Aktie noch einmal kurz hochzucken.

Ansonsten aber sieht es mau aus für die Suchmaschine, die 1996 als eines der ersten reinen Internetunternehmen an die Börse ging. Sie ist ein Beispiel dafür, dass der Erste auf einem völlig neuen Markt nicht unbedingt der Erfolgreichste sein muss, ein Beispiel dafür, dass es nicht jedem gelingt, Millionen von Nutzerdaten in Werbeeinnahmen zu verwandeln. Andere wie Google, Facebook oder Youtube können das besser - und haben wohl auch mehr Fortune bei strategischen Entscheidungen.

Den größten Fehler hat Yahoo-Mitbegründer Jerry Yang wohl 2008 begangen, als Microsoft-Chef Steve Ballmer den ganzen Laden für 44 Milliarden US-Dollar kaufen wollte. Doch der 1968 in Taiwan geborene Yang lehnte ab. "Keiner der Kollegen konnte es fassen, dass Jerry nicht verkaufen wollte. Der hätte den Laden vergolden können", erinnert sich ein ehemaliger Mitarbeiter. "Aber es war halt sein Baby, und das lässt man nicht gerne gehen."

Manager und Ideen verschlissen

Dafür musste Yang bald gehen. Indes, auch Yang-Nachfolgerin Carol Bartz hatte keine vernünftige Antwort auf die Frage, wie sich die Reichweite von rund 700 Millionen Nutzern in ein profitables Geschäft ummünzen lässt. Im Gegenteil: Ihr größter strategischer Fehler war, mobile Anwendungen, beispielsweise Smartphones oder Tablets, für eine vorübergehende Erscheinung zu halten, die keine Zukunft habe.

Nach dem Weggang von Carol Bartz im September 2011 hat Yahoo in kurzer Zeit drei Nachfolger verschlissen, die allesamt an der Frage scheiterten, wie die Internet-Legende wieder auf profitablen Kurs zu bringen ist und die Nutzer bei der Stange gehalten werden können. Nun feiert Ex- Google-Managerin Marissa Mayer ihr dreijähriges Dienstjubiläum als Vorstandsvorsitzende bei Yahoo - und liefert Quartalszahlen ab, die nur eine Vermutung zulassen: Yahoo bettelt um einen Käufer, weil es nicht mehr viele Strohalme gibt, an die sich das Unternehmen noch klammern könnte.

In seiner Krise erwägt Yahoo radikale Schritte: den Verkauf von Unternehmensteilen für bis zu drei Milliarden Euro. Außerdem sollen "strategische Alternativen" geprüft werden, hieß es nach US-Börsenschluss am Dienstag. Mit dieser Formulierung stellte sich Yahoo faktisch zum Verkauf. Zuvor werden durch einen Umbau rund 15 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen.

Yahoo stagniert, andere wachsen

Yahoos Problem: Trotz aller Versuche bleibt der Konzern in seinem Kerngeschäft mit Online-Werbung weit hinter der Konkurrenz zurück. Im Weihnachtsquartal, als Google, Facebook und Amazon gigantische Wachstumsraten hinlegten, wuchs der Umsatz im Jahresvergleich um gerade einmal 1,6 Prozent auf gut 1,27 Milliarden Dollar. Stattdessen gab es einen Verlust von 4,43 Milliarden Dollar nach einem Plus von 166,3 Millionen Dollar ein Jahr zuvor. Auslöser war eine gewaltige Firmenwert-Abschreibung von 4,46 Milliarden Dollar auf das Geschäft in Nord- und Lateinamerika sowie in Europa und bei der Blogplattform Tumblr.

Die Abschreibung - eine Wertberichtigung der überhöhten Preise aus Übernahmen - traf vor allem das Nordamerika-Geschäft mit einer Höhe von 3,7 Milliarden Dollar. Auf Tumblr entfielen 230 Millionen Dollar, hieß es in einer Telefonkonferenz nach der Zahlenvorlage. Die Blogplattform verfehlte ihr Ziel von 100 Millionen Dollar Umsatz pro Jahr, hieß es. Yahoo hatte rund eine Milliarde Dollar für Tumblr bezahlt, um jüngere Nutzer anzulocken.

Der Stellenabbau geht mit der Schließung der Yahoo-Büros in Madrid, Mailand, Dubai, Buenos Aires und Mexiko-Stadt einher. Zum Ende dieses Jahres will der Konzern nur noch 9000 Mitarbeiter und 1000 externe Angestellte haben. Damit wäre die Belegschaft 42 Prozent kleiner als noch im Jahr 2012, hieß es bei Yahoo. Der Abbau solle Kosten von rund 400 Millionen Dollar pro Jahr einsparen.

Tafelsilber Alibaba-Anteile

Ab sofort will sich Yahoo auf drei Plattformen konzentrieren: Suche, Mail und die Blog-Plattform Tumblr. Bei den Medienangeboten setzt der Konzern auf vier Themen: Nachrichten, Sport, Finanzen und Lifestyle. Deutschland soll neben USA, Kanada, Großbritannien, Hongkong und Taiwan zu den "Wachstumsmärkten" für Yahoo werden.

Weiterhin überlegt werde, wie sich Yahoo am besten vom verbliebenen Anteil an der chinesischen Handelsplattform Alibaba trennen könne, hieß es bei der Vorlage der Quartalszahlen im kalifornischen Sunnyvale. Auch das ist eine für Yahoo schon fast typische Geschichte von strategischen Fehlentscheidungen. Der ursprüngliche Plan war, den Alibaba-Anteil von 15 Prozent abzustoßen und den Erlös - Anfang 2015 war dieser Anteil rund 40 Milliarden Dollar wert - an die Aktionäre auszuschütten.

Damals stand die Alibaba-Aktie bei rund 100 Dollar, und Yahoo hätte nach Abzug der Steuern rund 65 Dollar pro Aktie ausschütten können. Doch der Deal scheiterte - unter anderem an Versuchen, mit windigen Methoden die Steuern zu vermeiden. Heute steht die chinesische Aktie bei 65 Dollar - das ist der Wert vor Abzug der Steuern. "Eigentlich", so urteilt das "Handelsblatt" über die strategischen Fehler bei Yahoo, "eigentlich ist es fast schon ein Witz."