1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Seelenregister mit Kriegsverbrechern

Hao Gui
29. Dezember 2016

Japan gedenkt toter Soldaten im Yasukuni-Schrein, mitten in der Hauptstadt Tokio. Doch jeder Besuch von ranghohen Politikern löst Empörungen aus, denn auch die Kriegsverbrecher werden dort geehrt.

https://p.dw.com/p/1GDOD
Japan Verteidigungsministerin Tomomi Inada besucht umstrittenen Kriegsschrein
Bild: Getty Images/AFP/K. Nogi

Sie waren für den Kaiser gefallen und werden im Shinto-Schrein Yasukuni verehrt. Knapp 2,5 Millionen japanische Soldaten haben in kriegerischen Auseinandersetzungen seit der Meiji-Restauration 1868 ihr Leben verloren, die allermeisten davon, über zwei Millionen, im Zweiten Weltkrieg.

Auf dem Schreingelände sind keine Toten beerdigt, vielmehr werden die Namen der Gefallenen in der Haupthalle in einem Seelenregister geführt - als "Kami", übernatürliche Wesen im Schintoismus, einer weitverbreiteten Religion in Japan. Jedes Wesen, auch Tiere und Pflanzen, wird diesem Glauben gemäß nach dem Tode ein Kami, ein verehrtes geistiges Wesen.

Besucher warten am Haupteingang des Yasukuni-Schreins auf den Einlass. (Foto: Getty Images)
Besucher warten am Haupteingang des Yasukuni-Schreins auf den EinlassBild: YOSHIKAZU TSUNO/AFP/Getty Images

Kriegsverbrecher als Gott?

Zu diesen verehrten Kamis gehören auch verurteilte japanische Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs. 1948 wurden sie vom Internationalen Militärgerichtshof in Tokio wegen "Verbrechen gegen den Weltfrieden" schuldig gesprochen. 1978 nahm die private Stiftung, die nach Kriegsende Träger des Schreins wurde, heimlich die Namen von 14 angeklagten Kriegsverbrechern in das "Seelenregister" auf, als "Märtyrer der Showa-Zeit", mit der die Regierungszeit Kaiser Hirohitos bezeichnet wird (1926-1989). Seitdem der Schritt der Stiftung 1979 publik wurde, verzichtete Hirohito auf seinen bis dahin üblichen alljährlichen Besuch des Schreins.

Auf keinen Fall wollen Japans Nachbarländer wie China und Südkorea akzeptieren, dass verurteilte Kriegsverbrecher als verehrungswürdige Geister behandelt werden. Gegen jeden Yasukuni-Besuch durch japanische Politiker legen sie Protest ein. In China werden die 14 Toten als "Dämonen" bezeichnet, der Besuch als "Kotau vor Dämonen".

Shinzo Abe war 2013 als Premierminister im Yasukuni-Schrein. (Foto: Reuters)
Shinzo Abe war 2013 als Premierminister im Yasukuni-SchreinBild: Reuters

Alliiertes Tribunal

Nach der japanischen Kapitulation errichteten die Siegermächte in Tokio den Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten. 28 hohe japanische Militärs und Politiker wurden wegen Verbrechen gegen den Frieden (unter diesen Anklagepunkt fielen die sogenannten „Class A war criminals“), wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Sieben wurden zum Tode verurteilt und am 23. Dezember 1948 hingerichtet - dem Geburtstag des Thronfolgers Akihito. Bei weiteren Kriegsverbrechertribunalen in den von Japan angegriffenen Ländern Asiens wurden rund 1000 Todesurteile vollstreckt.

Friedensvertrag von San Francisco

1951 unterzeichnete Japan den Friedensvertrag von San Francisco, wodurch die amerikanische Besatzung offiziell beendet wurde. Im Paragraf 11 des Vertrags wird die weiter geltende Rechtskraft der Tokioter Urteile geregelt: "Japan akzeptiert die Urteile des Internationalen Militärgerichtshofs für den Fernen Osten." Dennoch werden die Legitimität des alliierten Tribunals und die Urteile von manchen japanischen Juristen in Frage gestellt.

Japan Verteidigungsministerin Tomomi Inada besucht umstrittenen Kriegsschrein
Japans Verteidigungsministerin Tomomi Inada im Yasukuni-Schrein am 29.12.2016Bild: Getty Images/AFP/JIDI PRESS

Japanische Spitzenpolitiker haben immer wieder den Kriegsschein besucht. Den Anfang machte Premier Nakasone Yasuhiro 1985, der den Schrein in offizieller Funktion besuchte, im Sinne einer neuen selbstbewusst-patriotischen Außenpolitik. Premierminister Shinzo Abe hat zuletzt im Dezember 2013 dort gebetet, als erster Premier seit 2006, als Junichiro Koizumi dort war. Massive Proteste Chinas und Südkoreas waren jeweils die Folge. In der letzten Dezemberwoche 2016 besuchten zweite Kabinettsmitglieder um Premierminister Shinzo Abe die traditionsreiche Anlage: Verteidigungsministerin Tomomi Inada und Minister für Wiederaufbau der Krisenregionen Masahiro Imamura.