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Yin und Yang im Land des Lächelns

Guido Baumhauer10. Juni 2002

Schon heute surfen fast 57 Millionen Chinesen im Internet. Experten sagen ein enormes Wachstum voraus. Doch für westliche Unternehmen ist es nicht leicht, den chinesischen Markt zu erobern.

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Ein Milliarden-Volk auf dem Weg ins InternetBild: AP

Sie sieht irgendwie zerknittert und zerknautscht aus... und mürrisch. So als wäre das einfach nicht ihr Tag. Mit schläfrigen Augen schaut sie sich das Bleichgesicht mit der rot-gestreiften Krawatte und der langen Nase an. Der guckt ein bißchen verwirrt.

Eine Schildkröte ist eben kein Computer und eine Zoohandlung kein Internet-Cafe. Auch wenn beides "Wang Ba" heißt und ähnlich klingt. Ähnlich reicht halt nicht, wenn man in China etwas erreichen möchte. In Mandarin kommt es auf die genaue Aussprache an.

Boom-Markt Nummer eins

Surfende Chinesin mit Thumbnail
Surfende ChinesinBild: AP

Für europäische und amerikanische Geschäftsleute ist es, auch nach dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation im vergangenen November, nicht einfach, sich in der schönen neuen Medienwelt zurecht zu finden. Es gilt Sprachbarrieren und die Eigenheiten des chinesischen Marktes zu überwinden.

Ein enormes Entwicklungspotenzial

Was die absolute Zahl der Internet-Nutzer im Land angeht, hat China Deutschland längst hinter sich gelassen. Nach einer aktuellen Studie von Nielsen Netratings verfügen fast 57 Millionen Chinesen über einen eigenen Internet-Zugang. Das sind fast doppelt so viele User wie in Deutschland. Und in drei bis vier Jahren sollen es weit über 250 Millionen sein. Schon heute besitzen rund 150 Millionen Chinesen ein Mobiltelefon. Aber in vielen Dörfern gibt es noch nicht einmal einen einzigen Telefonapparat, geschweige denn Internetanbindungen.

A wie ausgeglichen, Z wie Zensur

Daniel Mao
Daniel MaoBild: DW

"Vor uns Chinesen muss keiner Angst haben. Wie alle wissen, sind wir friedliebende Menschen", sagt Daniel Mao und grinst so breit, dass seine Brille leicht verrutscht. "Wir sind noch lange keine Online-Weltmacht. Unser Markt hat zwar viele Nutzer, aber wenige Dollars." Daniel Mao ist CEO von Sina.com, mit drei Milliarden Seitenaufrufen pro Monat einem der größten chinesischen Portale. Er ist der Prototyp eines chinesischen dot.com-Entrepreneurs. Ein kapitalistisch denkender Gewinnoptimierer, der die Zwangsjacke der sozialistischen Marktwirtschaft lässig wie einen Designeranzug trägt.

Sein Studium in Stanford hat ihn amerikanisiert, in Schanghai hat er die Regeln des chinesischen Marktes gelernt. "Alles muss ganz ausgeglichen sein in China, seine eigene Balance finden. Wie Yin und Yang. Wenn Du das verstanden hast, dann kannst Du Deine Businesspläne darauf ausrichten und erfolgreich sein." Mit europäischen oder amerikanischen Unternehmen zu kooperieren, folge auch diesen Regeln, doziert er weiter. Sorgen, beispielsweise auch politische Inhalte von westlichen Partnern auf seinem Portal zu präsentieren, hat er keine – vorausgesetzt Yin und Yang stehen im Einklang. Was nichts anderes heißt, als Zensur – allerdings mit einem ausgeglichenen Lächeln auf den Lippen.

Eine strahlende Braut

Die chinesische Regierung will mitlächeln und an den erwarteten Erfolgen teilhaben. Daher lässt sie den Boden für das rapide Wachstum so gut es geht bereiten. Der regierungsnahe Betrieb China Netcom soll möglichst schnell, möglichst viel Glasfaserkabel legen, damit die unzähligen, potentiellen Nutzer des 1,3-Milliarden-Einwohnerlandes überhaupt erreicht werden. Das ist gut für die eigenen IT-Produzenten und attraktiv für ausländische Investoren. Denn mit einem hochmodernen Telekommunikationsnetz sieht das Reich der Mitte aus wie eine strahlende Braut und nicht wie eine zerknitterte Schildkröte.