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Online-Filme im Irak

Sarah Mersch29. Juni 2008

Den anderen Irak zeigen, das hat sich das Internetportal Iraqiscope zum Ziel gesetzt. Denn wer außerhalb des Landes den Fernseher anschaltet, der erfährt meistens nur etwas über den jüngsten Bombenanschlag.

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AP
Screenshot des Webportals Iraqiscope

Um Ahmed legt Hähnchenstücke in einen Topf und löscht sie mit Granatapfelsaft ab. Nachdem die Mischung ein wenig geköchelt hat, gießt sie ein Glas Sesampaste dazu. Während der 20 Jahre Embargo haben sie in Nadschaf oft Fasanjoon gegessen. Das Gericht ist typisch für die Region südlich von Bagdad. Jetzt zeigt Um Ahmed auf Iraqiscope, wie man das Gericht zubereitet.

Das irakische Online-Kochbuch

Screenshot Schriftzug iraqiscope.org

Kochen gehört dazu auf dem Internetportal, das den anderen Irak zeigt: Ein Filmemacher im syrischen Exil diskutiert mit seinen Freunden über die Zubereitung des Auflaufs Tabsi, ein junger Mann kocht via Videokonferenz mit seiner Mutter. Sie sitzt im Irak vor der Webcam und hilft weiter, wenn der Sohn nicht weiß, was er mit den Tomaten machen soll. "Die Iraker sind unglaublich stolz auf ihre eigene Küche. Das ist vor allem für Iraker die im Ausland leben, in Syrien oder Jordanien, wichtig", erklärt Klaas Glenewinkel von der Organisation Media in Cooperation and Transition, die einer der Initiatoren von Iraqiscope ist. "Es gibt kaum Kochbücher, und da haben wir gesagt: Dann stellen wir die Kategorie Kochen rein und schauen, was passiert", erklärt Glenewinkel.

Mit Unterstützung der Kulturorganisation der Vereinten Nationen UNESCO und des Auswärtigen Amtes hat die NGO das Videoportal aufgebaut. "Wir wollten mit Iraqiscope eine Wahrheit des Iraks zeigen, die bisher unbekannt ist. Man kennt den Irak natürlich aus den Massenmedien, aus CNN, aus Aljazeera. Was man aber nicht kennt ist der Irak aus der Perspektive von Irakern", erklärt der Deutsche. Und zu deren Perspektive gehört das Kochen dazu, genauso wie Politik, Stress an der Uni, oder die erste Liebe.

Hoffen, das der Strom nicht ausfällt

Strom im Irak
Kabelwald: Die Stromversorgung funktioniert nur provisorisch, das Internet nur sporadischBild: AP

Fünf Jahre nach der Invasion der USA und dem Sturz von Saddam Hussein hat sich das Internet im Irak zwar mehr oder weniger etabliert, doch einen Internet-Anschluss zu Hause hat kaum jemand. Auch auf der Straße ein Video zu drehen, kann gefährlich sein. Genau so wie der Weg ins Internetcafé. Und da kann man nur hoffen, dass die Verbindung über Satellit hält. Trotzdem finden sich auf Iraqiscope schon rund 200 Filme. Hochgeladen wurden sie von angehenden Regisseuren, die eine Plattform für ihre Werke suchen, aber auch einfachen Leuten, die mit ihrem Handy Freunde und Bekannte gefilmt haben.

"Man hat Glück, wenn der Strom nicht ausfällt. Dann hat man vielleicht ein Zeitfenster von einer Dreiviertelstunde, in der man einen Film hochladen kann. Das macht die Sache extrem schwierig", sagt Glenewinkel. In den Filmen geht es um Hochzeitsfeiern, den Gemüseverkäufer um die Ecke, und um frustrierte Jugendliche, die sich auf einem verlassenen Parkplatz treffen, um zu trinken. Einen anderen Ort haben sie nicht. Die Filme auf Iraqiscope zeigen eine Bevölkerung, die leidet unter den Schrecken der Zeit Sadam Husseins, der amerikanischen Besatzung und einer ungewissen Zukunft.

Ein Film für Rotterdam

Wasser im Irak
Ein junger Iraker holt Wasser - den Alltag der Iraker blenden viele Medien ausBild: AP

"Früher wurden wir zensiert, jetzt werden wir getötet", erzählt ein Schriftsteller in einem der Filme. Wenn sein Bild in der Zeitung erscheint, hat er Angst. Um die Protagonisten und Filmemacher nicht zu gefährden gibt es auf Iraqiscope eine besondere Kategorie: Maskierte Filme. Dort nimmt keiner ein Blatt vor den Mund. Höchstens vor das Gesicht. Denn mit Papiermasken vor dem Gesicht oder ganz im Schatten sitzend erzählen Iraker dort Geschichten, die sie normalerweise nur hinter vorgehaltener Hand äußern würden.

Über die Regierung, über sexuellen Missbrauch, und über eine Zeit, vor 50, 60 Jahren, als das Land noch nicht von konfessionellen Kämpfen zerrüttet war. Als das System Sadam gestürzt wurde, habe es mit den Religionskriegen angefangen, erzählt ein 73-Jähriger. Er hofft, dass das Land bald wieder zu einer Einheit zurückfindet.

Iraqiscope konnte indessen einen ersten kleinen Erfolg feiern. Ein Regisseur wurde zu dem arabischen Filmfestival in Rotterdam eingeladen. Mit einem Film, den die Organisatoren auf Iraqiscope entdeckt hatten.

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