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Yukos: Ein Jahr Haft und kein Ende in Aussicht

Ingo Mannteufel25. Oktober 2004

In einer spektakulären Aktion verhaftete der russische Inlandsgeheimdienst vor einem Jahr den reichsten russischen Unternehmer und Yukos-Besitzer Chodorkowski. Warum das geschah, wird mittlerweile deutlicher.

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Öl-Magnat hinter Gittern: Michail ChodorkowskiBild: AP

Die Festnahme des Yukos-Haupteigentümers Michail Chodorkowski am 25. Oktober 2003 war ein Höhepunkt in der vom russischen Staat geführten Attacke gegen den Ölkonzern Yukos. Begonnen hatte der Fall bereits im Juli 2003. Seitdem sitzt Yukos-Miteigentümer Platon Lebedew in Haft. Beiden wirft die russische Generalstaatsanwaltschaft Steuerhinterziehung und Veruntreuung in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar vor. Seit Mai 2004 wird ihnen der Prozess gemacht, wobei das Verfahren nach Ansicht kritischer Beobachter nicht fair verläuft.

Parallel zu den Prozessen gegen Chodorkowski und Lebedew geht der russische Staat auch gerichtlich gegen das Unternehmen Yukos vor. Der Ölkonzern ist bereits zu einer Steuerrückzahlung von 3,4 Mrd. US-Dollar für das Jahr 2000 verurteilt worden. Weitere Steuerprozesse stehen noch aus. Abgesehen vom nahe liegenden Wunsch, Steuern einzutreiben, stellte sich von Anfang an die Frage nach dem Motiv des Kremls, das einstige Flagschiff der neuen russischen Marktwirtschaft so unter Beschuss zu nehmen.

Warum Chodorkowski, warum Yukos?

Der Kreml
Im Kreml in Moskau möchte man mehr Einfluss auf die russische Ölindustrie gewinnen.Bild: AP

Öl- und Gasgeschäfte sind das Rückgrat der seit fünf Jahren florierenden russischen Wirtschaft und der Grund für die Verbesserung der Staatsfinanzen. Der Gassektor ist dabei nahezu vollkommen in der Hand des Staatsunternehmens Gasprom. Die Erdölindustrie ist jedoch größtenteils privatisiert. Einige große Ölkonzerne wie Lukoil und Surgutneftegaz gelten zwar als kremltreu. Der russische Staat verfügt jedoch über kein direktes Instrument, um entscheidend den Ölpreis und die Exportquoten zu beeinflussen. Die staatliche Ölgesellschaft Rosneft ist dafür zu klein. Die Folge: Der Kreml konnte mit der OPEC keine Absprachen über den internationalen Ölpreis treffen. Das wurde besonders 2002 deutlich. Russische Ölkonzerne exportierten mehr Öl als Vertreter des russischen Staates zuvor angekündigt hatten.

Die von Chodorkowski geplante Fusion von Yukos mit Sibneft, einem anderen Schwergewicht der russischen Ölindustrie, hätte die Einflussmöglichkeiten des Kremls noch weiter verringert: YukosSibneft hätte täglich soviel Rohöl gefördert wie Kuwait, und Chodorkowski erweckte nicht den Eindruck, seine unabhängige Unternehmenspolitik aufzugeben und sich den Interessen des Kremls unterzuordnen.

Gasprom im Ölsektor

Eine Stärkung des staatlichen Einflusses in der russischen Ölindustrie scheint daher das eigentliche Ziel des Kremls in der Yukos-Affäre zu sein. Dieses Ziel soll durch die Zerschlagung des Yukos-Konzerns erreicht werden: Um die Steuerschuld von Yukos zu tilgen, will der russische Staat die wichtigste Yukos-Tochter, Yuganskneftegaz (YNG), zwangsweise verkaufen. YNG trägt mit ungefähr einer Million Barrel täglich zu rund 60 Prozent des Fördervolumens von Yukos bei. Zwar ist der Preis für YNG auch nach einer Schätzung durch die Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein umstritten. Als Käufer wird jedoch ein kremltreuer Konzern erwartet. Heißester Favorit dabei ist der Staatskonzern Rosneft.

Durch den kürzlich vom Kreml genehmigten Erwerb von Rosneft durch Gasprom erhält Rosneft – faktisch dann Gasprom – auch das nötige Kapital, um YNG zu kaufen. Am Ende würde der Kreml den russischen Erdölsektor dominieren wie er bereits jetzt schon Förderung und Export von Erdgas durch Gasprom kontrolliert.

Unabhängig vom konkreten Käufer von YNG und dem weiteren Verlauf der Yukos-Affäre dürfte eins als relativ sicher gelten: Solange der Kreml seine Ziele im Fall Yukos nicht erreicht hat, wird Michail Chodorkowski wohl noch in Haft bleiben.