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Zündung durch SMS

Patrick Tippelt, Bangkok25. April 2005

In Thailand gelten Handys als Statussymbol und modische Accessoires. Weil aber Separatisten durch Handys Bomben auslösen, führt die Regierung jetzt die Zwangsregistrierung der Telefone ein. Eine umstrittene Idee.

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Bangkok biept, piept und glitzert Tag und Nacht. Wie sonst nur in Hongkong regiert das Handy die Stadt, und das Mobilfieber durchdringt alle Gesellschaftsschichten. Selbst Slumbewohner schmücken sich mit älteren Billig-Modellen. Trendsetter wechseln ihre Mobiltelefone alle drei Monate. Sekretärinnen tragen sie um den Hals. Teenager, die was auf sich halten, beäugeln indiskret ihre Freunde und bewerten sie nach deren Modellen. Ganz in sind seit Jahren schon kleine pinke Plüschanhänger von Hello Kitty. In den Malls der Mittelklasse existieren immense Schwarzmärkte für die begehrten Telefone. Im MBK – bekannt unter Touristen für gut gefälschte Ralph-Lauren-Polo-Shirts – ist eine ganze Etage reserviert für den Handy-Handel; Hunderte von kleinen Ständen bieten jede Preisklasse an. Ganze Familien verbringen ihre Sonntage dort, auf der Suche nach Schnäppchen. Ob von Lastern gefallen, aus zweiter Hand oder schlicht gestohlen, alles ist begehrt.

Ein Schwellenland im Handyfieber: In Thailand gibt es mehr Handys als Festanschlüsse. Und dank ostasiatischer Astrologien spielen nicht nur die Geräte, sondern auch die Handynummern eine große Rolle. "Glückliche" Zahlenreihenfolgen sind begehrt - die besten kosten bis zu 100 Euro. Da SIM-Karten überall angeboten werden, kann man auch mal schnell eine neue Nummer ergattern, wenn die alte kein Glück mehr bringt.

Angst vor Handy-Bomben

Zumindest war das bisher so. Jetzt aber ist der thailändische Premier Thaksin Shinawatra auf eine simple Idee gekommen, mit der er gegen die Terroranschläge, die den muslimischen Süden Thailands seit fast zwei Jahren erschüttern, vorgehen will. Die Unruhen weiten sich schnell aus. Am 3. April wurde der Flughafen von Had Yai, Thailands Tor nach Malaysien, Tatort einer durch ein Handy ausgelösten Bombe, bei der zwei Menschen getötet und 60 verletzt wurden. Bangkok selbst droht immer mehr zu einem Attentatsort zu werden.

Der Premier hat nun befohlen, dass ab dem 10. Mai eine neue SIM-Karte nur kaufen kann, wer sich ausweist. Thais müssen ihren Ausweis bereithalten, Ausländer ihre Pässe. Zusätzlich müssen sich in den nächsten sechs Monaten alle 22 Millionen Handybenutzer ohne Vertrag registrieren lassen. So soll den "terroristischen Separatisten" das Bombenlegen erschwert werden. Sie werden keine Handyauslöser mehr nutzen können, denn ihre registrierten Daten würden ihre Identitäten preisgeben.

Mobile Kurzschlussidee

Was für einen Augenblick als genial erscheint, erweist sich als eine möglicherweise fatale Kurzschlussidee mit immensen Löchern. Da ist einmal der gigantische, unkontrollierbare Handy-Schwarzmarkt. In den drei von den Unruhen befallenen Provinzen funktionieren auch malaysische Handys, die nicht registriert werden können. Gefälschte Papiere, mit denen man sich ausweisen kann, sind leicht zu erwerben – oder zu stehlen. Hier lebende Ausländer – zum gröβten Teil zwar mitfühlend, aber doch durch leichte Paranoia gegenüber allem Bürokratischen in Thailand ausgezeichnet – wollen ihre Passdaten nicht in dunkle Regierungskanäle entschwinden sehen: Noch weiβ man nicht, welche Behörde die Handy-Daten speichern wird. Auch fragen sich viele, wie die Regierung die Registrierung aller 22 Millionen Handynutzern in sechs Monaten bewältigen will. Unregistrierten droht nach dem Ultimatum eine Kündigung der Telefondienste.

Der gute Wille zählt

Aber es bleiben noch viel grundsätzlichere Fragen: Wie effektiv sind Anti-Terror-Maßnahmen wirklich? Wo hört schierer Populismus auf? Wie lange brauchen Terroristen, um sich umzustellen? Wie einfach ist es, Bomben durch andere Technologien auszulösen, durch elektronische Wecker, durch Fernbedienungen, selbst durch Spielzuge? Diesen Fragen müssen sich alle Länder stellen, die unter Anschlägen von lokalem Terror leiden. Die meisten Opfer im Süden Thailands sterben durch Kugeln, abgefeuert von Beifahrern auf Motorrädern. Aber Feuerwaffen zu registrieren oder selbst das Beifahren zu verbieten, das würde der Regierung zu weit gehen. Doch die neue Maβnahme eine bloβe Augenischerei zu nennen, wäre beinahe menschenfeindlich. Es bleibt nur das Hoffen auf weitsichtigere Ideen – oder ein Einlenken der Regierung.