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Zahltag für Atomkonzerne

Rolf Wenkel mit Agenturen
3. Juli 2017

So viel Geld haben selbst Deutschlands Energieriesen Eon, RWE und Co noch nie auf einen Schlag bezahlt: Heute überweisen sie knapp 24 Milliarden Euro an einen Staatsfonds zur Endlagerung des Atommülls.

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Deutschland Kernkraftwerk Unterweser
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Mit dieser Zahlung sind die Versorger die Risiken los, die mit der künftigen Endlagerung des Spaltmaterials verbunden sind. Ein staatlicher Entsorgungsfonds soll mit diesen Milliarden arbeiten und für die Zwischen- und Endlagerung des Nuklearmülls sorgen. Allerdings bleiben die Konzerne für Stilllegung und Abriss der Kernkraftwerke sowie die Verpackung des Mülls verantwortlich.

Die EU-Kommission hatte am 16. Juni 2017 grünes Licht für diese Lösung gegeben. Mit dieser Genehmigung ist das "Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung" in Kraft getreten. Die Bundesregierung war damit den Empfehlungen der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK) vom April 2016 gefolgt. Die Kommission hatte die Empfehlungen partei- und gesellschaftsübergreifend erarbeitet und einstimmig beschlossen.

Ein Start mit Minuszinsen?

Das Kuratorium des Staatsfonds, sozusagen der Aufsichtsrat, besteht aus Vertretern der Finanz-, Wirtschafts- und Umweltministerien. Es bestellt drei geeignete Vorstände, die über "große Erfahrung in der Anlage und dem Management bedeutender Vermögen" verfügen müssen. Im Normalfall würde sich das Stiftungsvermögen über die Jahre durch Zinsen und Zinseszinsen automatisch mehren. Im jetzigen Umfeld der ultralockeren EZB-Geldpolitik ist das jedoch gar nicht so einfach. Im schlimmsten Fall müssen sogar Minuszinsen in Kauf genommen werden.

Die richtige Anlagestrategie des Fonds wird deshalb in den kommenden Jahren ein spannendes Thema sein. Sollte der Vorstand sich zum Beispiel für eine längerfristige Anlage entscheiden und danach die Inflation anziehen, droht eine Kostenexplosion. Deshalb ist die Bundesbank als beratendes Gremium für die Stiftung im Gesetz vorgesehen.

Der Fonds ist allerdings nicht für die Mittelverwendung zuständig. Er muss lediglich dafür sorgen, dass jederzeit genug Liquidität zur Verfügung steht, um dem zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die jeweils anfallenden Kosten zu erstatten. Hierzu gehören der Betrieb von Zwischenlagern und die geplante Entsorgung der radioaktiven Abfälle.

Konzerne zahlen lieber gleich

Die vier Energieriesen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall wollen die gewaltige Summe auf einen Schlag aufbringen - für eine theoretisch bis Ende 2026 mögliche Ratenzahlung hätte der Staat satte Zinsen von 4,58 Prozent pro Jahr kassiert.

Wie hoch die tatsächlichen Kosten vor allem für das geplante Atom-Endlager sein werden und ob die Milliarden der Konzerne ausreichen, kann heute noch niemand realistisch abschätzen. Der Zeithorizont umfasst mehrere Jahrzehnte, in denen der Grundstock des Fonds vermehrt werden soll. Spätestens Ende 2022 werden alle Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet.

Vor allem der größte Einzelzahler Eon, der rund zehn Milliarden Euro überweist, musste erhebliche Anstrengungen unternehmen, um das Geld aufzubringen: So gab es bei Eon bereits im März eine Kapitalerhöhung. Zusätzlich legte der Konzern zur Finanzierung Mitte Mai erstmals seit Jahren wieder Anleihen mit einem Volumen von zwei Milliarden Euro auf.

RWE steuert 6,8 Milliarden Euro bei und stützt sich dabei unter anderem auf Rücklagen, die nach dem 5,3 Milliarden Euro schweren Verkauf der Öl- und Gastochter Dea 2014/15 gebildet wurden. Außerdem hatte der Börsengang der RWE-Ökostromtochter Innogy frisches Geld in die Kasse gebracht. Drittgrößter Zahler ist EnBW mit rund 4,8 Milliarden Euro gefolgt von Vattenfall (1,8 Milliarden Euro).

Unverhoffte Einnahmen

Noch vor wenigen Tagen hatten Eon, RWE und EnBW allerdings unverhoffte Zusatzeinnahmen kassiert: Der Staat musste nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gut sechs Milliarden Euro an zu Unrecht erhobener Brennelementesteuer für die Kernkraftwerke plus Zinsen zurückerstatten.

Die Überweisung von insgesamt 24 Milliarden Euro stellt Banken und Energiekonzerne vor Herausforderungen. So erlaubt das Sepa-Überweisungssystem nur elfstellige Summen einschließlich der Centangaben - also maximal 999 Millionen Euro. Die Überweisung müsse schon deshalb auf mehrere Vorgänge aufgeteilt werden, sagte ein RWE-Sprecher.

Außerdem überweisen formell nicht die Konzerne, sondern die einzelnen Kraftwerksgesellschaften - also jedes Kraftwerk für sich. Und einige Atomkraftwerke gehören verschiedenen Konzernen zusammen - dann zahlt jeder für seinen Anteil.

Alles per Eilüberweisung

Damit die Riesensumme ja beim richtigen Adressaten lande, sei der Zahlungsweg vorab zusammen mit den Banken getestet worden, berichtete EnBW. Eingetippt werde die Summe ganz konventionell am Rechner, sagte der RWE-Mann - aber natürlich unter wachsamer Kontrolle im Vier-Augen-Prinzip.

Gezahlt wird per Eil-Überweisung, das heißt, das Geld wird noch am selben Tag beim Empfänger - dem Staat - gutgeschrieben. Tagelange Laufzeiten hätten bei einer so gewaltigen Summe sonst zu Zinsverlusten geführt. 

Damit das Geld schnell ans Ziel kommt, macht der Staat auch eine Ausnahme: Die Summe muss nicht am eigentlichen Fälligkeitstag - Samstag, dem 1. Juli -, sondern erst am 3. Juli transferiert werden. Sonst hätte der Riesenbetrag übers Wochenende bei den Banken gelegen.