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Zehn Bau-Missionen in drei Tagen

Helga Spannhake13. Juli 2012

Die Gestaltung von öffentlichem Raum ist oft ein langer Prozess. Beim Wettbewerb des Stuttgarter Kunstvereins Wagenhallen müssen jedoch zehn Bürgerwünsche nach Verbesserung ihrer Wohngegend in 72 Stunden umgesetzt sein.

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Projektarbeit für ein schöneres Wohnumfeld in Stuttgart: Ross und Farid bei Holzarbeiten
Urban ActionBild: DW

8 Uhr morgens Mitte Juli in Stuttgart: Sajoscha, Jasper, Selma, Daphne und Begoña treten aus dem Schlafcontainer in die Morgensonne. Verdammt kurz war die Nacht, denn sie haben noch stundenlang diskutiert und geplant. Die fünf gehören zu einem der internationalen Teams des "72 Hour Urban Action"-Wettbewerbs, der bis zum 14. Juli 2012 in den Stuttgarter Wagenhallen stattfindet.

Sie kommen aus Deutschland, Spanien und den Niederlanden und wurden bei ihrer Ankunft zu einem Team zusammengefasst. Bei dem Echtzeit-Architektur- und Urban-Art Festival treten nämlich keine Länderteams gegeneinander an, sondern die jungen Leute aus aller Herren Länder werden bunt gemischt. Sie haben sich alle beworben für einen Platz in diesem unkonventionellen Städtebau-Projekt und haben die Kosten ihrer Anreise auch selber übernommen.

Teambesprechung: Daphne, Selma, Begona (v.l.)
Teambesprechung: Daphne, Selma, Begona (v.l.)Bild: DW

So wie auch der Indonesier Farid. Er war auf der Heimreise in die USA und hat seinen Freund Ross aus Kalifornien gleich mitgebracht. Gemeinsam schneiden sie Holzscheite zu und freuen sich auf eine lehrreiche Zeit und viele spannende Eindrücke; wollen sich außerdem noch etwas Deutschland anschauen. Die jungen Künstler, Architekten, Handwerker, Designer und Studenten reizt dieses einzigartige Konzept des Bauens.

Entstanden ist die Idee in Israel und dort fand auch 2010 der weltweit erste "72 Hour Urban Action"-Wettstreit statt. Der erste Vorsitzende des Kunstverein Wagenhallen, Lukasz Lendzinski, war damals dabei und holte das Festival nun in diesem Jahr nach Stuttgart: "Das hier ist kein großes Stuttgart 21-Versprechen, sondern wir schauen, was können wir heute schon machen, um die Stadt zu verschönern," so erklärt er den Ansatz und das Ziel von "72 Hour Urban Action". Die Stadtplanung soll künstlerisch und spielerisch aufgepeppt werden.

Zehn Projekte, knappes Budget und knappe Zeit

Das "72 Hour Urban Action"-Festival hat die Stuttgarter Bürger aufgerufen, Probleme im Stadtbild zu benennen. Zehn Orte wurden ausgewählt und sollen nun in ihrer Struktur verbessert werden. Da gibt es eine alte, einsame und völlig trostlose Bushaltestelle an einer Brücke, eine Baumallee, die an einen Marktplatz erinnert, aber kein wirkliches Konzept besitzt. Ein einfältig grau asphaltierter Schulhof hofft ebenso auf neue Bauideen wie eine Grünfläche mehr sein will, als nur eine Trampelpfad-Abkürzung zur nächsten Straße. Und ein Stück weiter ist der Hof zwischen drei Häusern so gut wie ungenutzt: "Toy Parking" wurde dieses Bauprojekt betitelt. Aufgabe: Einen passenden, behaglichen Hinterhof für alle zu schaffen. Hieran arbeiten Selma und ihre Teamkollegen seit dem Startschuss am Mittwoch (11.07.) um 18 Uhr Uhr. Erst da wurde per Lotterieverfahren jedem Team sein Projekt zugeteilt.

Möbel als Verbindung zwischen Privat und Öffentlich

Eines der Häuser beherbergt ein Atelier, im anderen wohnen ganz normale Leute und die Tangoschule des dritten Hauses wiederum betreten viele unbekannte Menschen. Sie alle sollen nun durch das "72 Hour Urban Action"-Team einen neuen Platz des Austausches erhalten. Wie kann man die private Atmosphäre des Wohnhauses mit den künstlerisch öffentlich ausgerichteten anderen beiden Häusern kombinieren? Diese Fragestellung beantworten Selma und ihre Teamkollegen mit Möbelstücken.

Ein Holzpodest zum Sitzen soll zeitgleich an einen Teppich erinnern. Zwischen die Häuser schmiegt er sich, so als sei er gerade mal kurz für das Putzen hinausgeschafft worden, so ist es geplant. Einen alten Fahrradständer haben die jungen Stadtplaner bereits zerlegt und daraus entstehen eine Laterne sowie Liegestühle. Dafür wird gesägt, geschweißt und auch mal wieder verworfen. Das Budget von 2500 Euro, das jedem Team zur Verfügung steht, führt doch immer mal wieder zu Abstrichen und Änderungen der Pläne: "Da muss man improvisieren, und es bieten sich oft überraschende Lösungen durch die Einschränkungen", erzählt Sajoscha, der gerade ein Holzstück zusägt. Und so geht es ihnen allen, sie suchen kreative neue Lösungen, um am Ende die Jury zu überzeugen und den "72 Hour Urban Action"-Wettbewerb zu gewinnen.

Jasper schweißt für den Bau der Laterne Foto: DW/Helga Spannhake
Jasper schweißt für den Bau der LaterneBild: DW