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Zeit ist Geld

10. Dezember 2009

Mehr Zeit fürs Lernen und den Nebenjob – das soll die Reform des Bachelorstudiums in Deutschland bringen, auf die sich die Kultusministerkonferenz in Bonn einigte. Den Studenten reicht das nicht. Sie protestieren weiter.

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Studenten protestieren in Leipzig (Foto: AP)
Ausverkauf der Bildung?Bild: AP

Als der amerikanische Schriftsteller Mark Twain 1878 die deutsche Universitätsstadt Heidelberg besuchte, war er tief beeindruckt. "Der Student zahlt gerade mal eine Aufnahmegebühr von fünf oder zehn Dollar", schrieb er, "und das war es auch schon." Mehr als ein Jahrhundert lang änderte sich daran nichts. Seit drei Jahren aber zahlen die Studenten an den meisten Hochschulen nicht nur ein paar Euro, sondern direkt 500 Euro pro Semester.

Doch nicht genug, dass die Bildung kostet. Seit der Einführung der stark verschulten und mit zahlreichen Prüfungen versehenen Bachelor- und Master-Studiengänge bleibt keine Zeit mehr für den dringend notwendigen Nebenjob. "Immer mehr Studenten suchen unsere Beratung auf, weil sie finanzielle Probleme haben", sagt der Geschäftsführer des Deutschen Studentenwerks, Rolf Dobischat.

Weniger Prüfungen, flexiblere Studienzeiten

Streik an der Uni München (Foto: AP)
Der Streik zeigt WirkungBild: AP

Gemeinsam mit den Studenten, Bildungsexperten, Professoren und zahlreichen Politikern hat er an die Kultusminister der Bundesländer appelliert, das Studium "stressfreier" zu machen. Die Proteste der vergangenen Wochen haben offenbar Wirkung gezeigt. Die Studenten hätten mit ihren Forderungen nach einer Reform Recht, räumte der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle ein. Auch die anderen Kultusminister zeigten sich auf ihrer Konferenz in Bonn am Donnerstag verständnisvoll.

"Künftig wird es weniger Prüfungen geben", erklärte der bayerische Politiker. Auch die starre Regelung von sechs Semestern Dauer des Bachelor-Studiengangs werde überarbeitet. Das Studium soll laut einem Eckpunktepapier der Kultusminsterkonferenz in Zukunft auch vier Jahre dauern dürfen und so organisiert sein, dass ein Student mit Vorlesungen, Seminaren, Übungen und Praktika nicht mehr als 32 bis 39 Stunden pro Woche beschäftigt ist.

Studenten wollen mehr mitbestimmen

Studenten bei einer Demonstration in Bonn (Foto: dpa)
Unmut über die KultusministerBild: dpa

"An unserer Lage ändert ein solcher Beschluss erstmal nichts", sagt der Student Andreas Fried vom Aktionsbündnis Bildungsstreik in Marburg. Die meisten der über 11.000 Studiengänge liefen schließlich erst mal so weiter wie bisher. Allein das Verfahren, mit dem zehn private Agenturen die Durchsetzung der neuen Kriterien an den einzelnen Hochschulen überprüften, dauerte pro Studiengang mindestens ein halbes Jahr. Bisher seien rund 40 Prozent der Studiengänge nicht einmal zum ersten Mal überprüft worden. "Außerdem sitzen in diesen Agenturen keine Studenten, so dass wir uns mit unseren Forderungen auch nicht vertreten fühlen."

Wenig studentische Mitbestimmung an den Hochschulen, zu viel Lehrstoff in zu kurzer Zeit, zu wenig Dozenten, zu viele Prüfungen, zu hohe Studiengebühren – die Klageliste der Studierenden ist lang. Sie wollen nun schnell eine Veränderung und haben deshalb noch einmal in Bonn gegen die "Bildungsmisere" protestiert. Die Reform des Bachelorstudiums sei sicherlich ein Erfolg, räumt Fried ein. "Aber unsere Forderung nach mehr Mitbestimmung an den Hochschulen und einer bundesweiten Abschaffung der Studiengebühren bleibt."

Studiengebühren bleiben

Trotz der öffentlichen Demonstrationen und Besetzung von Hörsälen, die zum Teil gewaltsam von der Polizei geräumt werden mussten, wird sich an den Studiengebühren wohl erstmal nichts ändern. "Die Hochschulen haben das Geld fest eingeplant und würden ohne die Gebühren nicht zurechtkommen", sagt Dobischat. Zwar lehnt der Geschäftsführer des Deutschen Studentenwerks die Studiengebühren als "sozial ungerecht" ab. Doch angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage und hohen Staatsverschuldung sei es unwahrscheinlich, dass die Bundesländer darauf verzichten würden.

Universität Heidelberg (Foto: Uni Heidelberg)
Trotz Studiengebühren beliebt: die Universität HeidelbergBild: Universität Heidelberg

Zumal eine neue Statistik belegt, dass die Gebühren bei der Wahl des Studienortes offenbar keine Rolle spielen. So gaben vor allem die ostdeutschen Bundesländer, die ein kostenfreies Studium anbieten, zwischen 2005 und 2008 mehr Abiturienten an andere Länder ab als sie im Gegenzug anwerben konnten. Hamburg und Baden-Württemberg dagegen verzeichneten trotz der Einführung von Studiengebühren einen weiteren Gewinn an Studenten.

Kein Wunder also, dass der nordrhein-westfälische Kultusminister Andreas Pinkwart wie die meisten seiner Kollegen gegen eine Abschaffung der Studiengebühren ist. Allerdings mahnt er die Universitäten, das Geld künftig im Sinne der Studenten zu verwenden. "Die Hochschulen sollen die Hälfte der Studienbeiträge für zusätzliche Professuren und wissenschaftliches Personal ausgeben."

Autorin: Sabine Damaschke (mit dpa, AFP, epd)

Redaktion: Marlis Schaum