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Zemans Schlussverkauf

10. Juni 2002

- Milliarden-Deal um den Temelin-Betreiber CEZ mit unbekannten Gewinnern

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Prag, 5.6.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch

Mit einem skandalträchtigen Schlussverkauf versucht die Regierung Zeman vor ihrer möglichen Abwahl die Weichen in einem der größten Geschäfte des Landes, dem tschechischen Elektrizitätssektor, zu stellen. Alles deutet darauf hin, dass es ein unkeuscher Handel ist. Über die künftigen Nutznießer lässt sich einstweilen nur spekulieren.

Was bisher geschah: Temelin-Betreiber CEZ, der bisher rund zwei Drittel des tschechischen Strommarktes hält, gehört zu 67,61 Prozent dem tschechischen Staat, der seine Eigentumsrechte durch den Nationalen Vermögensfonds (dem Gegenstück zur deutschen Treuhand) wahrnimmt. Der Nationale Vermögensfonds wickelt also im Namen des tschechischen Staates das Staatseigentum in der Wirtschaft ab. Der CEZ einerseits gehört der Hochspannungsbetreiber CEPS, der Staat andererseits hält Anteile an den acht regionalen Stromversorgungsunternehmen, die in Tschechien den Markt unter sich aufteilen. Der Staat verkauft seine Anteile für rund 31 Milliarden an die CEZ, und kauft dafür die CEPS für 15 Milliarden Kronen. Im Prinzip verkauft also ein Mehrheitseigentümer von sich und an sich.

Bei diesem merkwürdigen Spiel gewinnt nach Meinung tschechischer Experten die CEZ - die Anteile an den lokalen Stromversorgern seien wesentlich höher zu bewerten, meint etwa Miroslav Pise, örtlicher Vertreter der deutschen E.on. Dieses deutsche Unternehmen wäre bereit gewesen, beim Kauf der Staatsanteile an den regionalen Stromversorgern wesentlich mehr zu zahlen. Die Experten sind sich aber auch einig, dass dadurch Stellung und Wert der CEZ gestärkt werden, sie ist nun Quasi-Monopolist, der als Stromproduzent und Herrscher aller Netze gleichzeitig die Konkurrenz ausschalten kann.

Wenn der tschechische Staat die eigenen Anteile in einem Teil (nämlich der CEZ) stärkt, und im anderen (nämlich dem der regionalen Stromversorger) seine eigenen Vermögensanteile willkürlich im Wert heruntersetzt, sieht es auf den ersten Blick aus, wie ein sinnloses Nullsummenspiel - von einem Staatstopf in den anderen.

Was den Kasus so verdächtig macht, sind die merkwürdige Hast, mit der dieser Deal vor den Wahlen hektisch abgewickelt wurde, und die folkloristischen Begleitumstände. Die Werte der beiden Firmenkomplexe (zusammengerechnet 1,5 Milliarden Euro) schätzte in drei Wochen nicht etwa ein internationales Expertenteam sondern ein gefälliger 70-jahriger tschechischer Rentner, der bislang - so die tschechische Wochenzeitung Respekt - allenfalls als Gutachter für Maschinen, nicht aber von Riesenunternehmen aufgefallen war.

Zwei Spekulationen drängen sich auf.

Die erste: Bei der CEZ steigt der Wert aller Aktien, also nicht nur der in Staatsbesitz befindlichen. Denn neben dem De-facto-Mehrheitseigentümer Staat (zum 31.12.2001 mit 67,61 Prozent dabei) ist beispielsweise auch noch die CSOB, welche die Papiere von 91 Aktionären (Anteil von 12,64 Prozent) vertritt, außerdem weist die Selbstauskunft der CEZ auch noch auf mindestens 11,42 Prozent ausländischer Eigentümer hin, nicht gerechnet die, welche sich möglicherweise treuhändlerisch vertreten lassen.

In Prag kursiert darüber hinaus noch ein zweiter Verdacht: die Regierung Zeman wolle möglicherweise an einen ausländischen Investor verkaufen, der sich dann (etwa bei der Vergabe von Posten) erkenntlich zeigen könnte. Premierminister Zeman, dessen Äußerungen man allerdings in jüngster Zeit kaum noch ernst nehmen kann, gab diesem Gerücht auf einer Pressekonferenz neue Nahrung: Er wisse inoffiziell von einem Angebot für die CEZ, das weit über den von der Regierung für die Privatisierung geforderten 200 Milliarden Kronen liege. Zeman optimistisch: "Und ich hoffe, dieser Preis wird steigen." (ykk)