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Zentrum für Safe Sport: Schutz vor Gewalt im Sport

25. Oktober 2023

Im Sport kommt es immer wieder zu Gewalt - sowohl bei Amateuren als auch im Spitzenbereich. Nun soll es ein Zentrum für Safe Sport geben, das Prävention und Aufklärung betreibt und auch Sanktionen aussprechen kann.

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Symbolbild sexualisierte Gewalt im Sport
Bei der bislang größten Studie zu Gewalterfahrungen im organisierten Sport in Deutschland (Sicher im Sport) gaben 63 Prozent der Befragten an, mindestens einmal im Sport psychische Gewalt erlebt zu haben.Bild: Thomas Trutschel/photothek/picture alliance

Studien zur Gewalt im Sport zeigen, dass es auch in Deutschland hohe Fallzahlen gibt und dass das Thema lange Zeit vernachlässigt und oft nicht unabhängig und umfassend aufgearbeitet wurde. Das Projekt zur Gründung eines Zentrums für Safe Sport gilt Experten daher als eines der wichtigsten im deutschen Sport seit der Wiedervereinigung.

Was steckt hinter der Idee des Zentrums für Safe Sport?

Die geplante Einrichtung für sicheren und gewaltfreien Sport ist ein Vorhaben innerhalb des Koalitionsvertrags der Regierung. Die Initiative ging von der Athletenvertretung Athleten Deutschland aus. Das Zentrum für Safe Sport soll eine zentrale und vom organisierten Sport unabhängige Einrichtung - außerhalb des jeweils eigenen Sportverbandes - werden, die sich vor allem der Prävention, der Intervention und der Aufarbeitung von Vorfällen im Zusammenhang mit Gewalt widmen soll. Seit dem 11. Juli 2023 gibt es die  Anlaufstelle "Safe Sport", die eine Beratung anbietet. In einem zweiten Schritt soll ab 2025 der Standort bestimmt werden und der Bau für das Zentrum beginnen. 

In dem Zentrum soll es dann ein Schiedsgericht geben, für alle Fälle, die nicht vor einem zivilen Gericht verhandelt werden. Dieses soll neutral ermitteln und auf Grundlage des  Safe Sport Codes sportspezifische Konsequenzen ziehen. 

Die dann von diesem Schiedsgericht verhängten Sanktionen könnten von Schulungen bis hin zum Lizenzentzug reichen. So würde das Zentrum auch die Verbände unterstützen. Die hatten bisher selbst keine Handhabe, um Fehlverhalten zu sanktionieren.

In welcher Form kann das Zentrum konkret unterstützen?

Meldungen von Betroffenen sollen kompetent und zuverlässig untersucht werden und möglichst zu Konsequenzen für die Verursacher führen. Damit soll sichergestellt werden, dass es nicht mehr auf den Wohnort oder die Sportart ankommt, wie mit einer Meldung umgegangen wird - und der Zufallsfaktor wegfallen. So wird gewährleistet, dass das Leid der Betroffenen anerkannt und die Grundlage für Wiedergutmachung bis hin zu Entschädigungszahlungen geschaffen wird.

Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Aufarbeitung?

Sportler und Sportlerinnen, die von solchen Vorfällen betroffen sind, mussten oft erleben, dass ihre Aussagen von den Verantwortlichen nicht ernst genommen wurden, berichtet unter anderem Bettina Rulofs, die an der Deutschen Sporthochschule Köln eine Studie zum Thema Gewalt im Sport durchgeführt hat. Stattdessen wurden die Hinweise häufig bagatellisiert oder hatten im schlimmsten Fall sogar negative Konsequenzen für die Betroffenen. 

Die Athletenvereinigung Athleten Deutschland kritisiert: "Es gibt bisher keinen zentralen Überbau, der unabhängig, kompetent, glaub- und vertrauenswürdig als zentrale Anlaufstelle für den Bereich Gewalt und Missbrauch im Sport fungiert." 

Wie definiert man Gewalt im Sport?

Die bereits existierende Ansprechstelle "Safe Sport" identifiziert verschiedene Formen von Gewalt:  

Sexualisierte Gewalt bezeichnet den Einsatz sexueller Handlungen zur Ausübung von Macht, unabhängig von der sexuellen Befriedigung. Das kann verbale, schriftliche oder gestische sexuelle Belästigung sein. Es können aber auch Handlungen mit direktem Körperkontakt bis hin zur Vergewaltigung darunterfallen.

Psychische Gewalt umfasst Verhaltensweisen, die die psychische Gesundheit beeinträchtigen - wie Demütigung, Bedrohung oder Druckaufbau durch bestimmte Leistungserwartungen.

Physische Gewalt beinhaltet Handlungen, die körperlichen Schaden zufügen können, wie etwa Schlagen oder Treten. 

Vernachlässigung betrifft vor allem Kinder und Jugendliche, wenn grundlegende physische oder emotionale Bedürfnisse nicht ausreichend erfüllt werden. 

Wann soll das Zentrum seine Arbeit aufnehmen?

Für Johannes Herber von Athleten Deutschland geht das Projekt in "Lichtgeschwindigkeit" voran. Die Athleten Deutschland verfassten im Februar 2021 das Impulspapier. Die Gründung des Zentrums wurde im Koalitionspapier im November 2021 verankert und im Anschluss in der Roadmap von der Bundesregierungvorgestellt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Rednerpult
Die für den Sport zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat den Fahrplan für das Zentrum für Safe Sport vorgestelltBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Der Regelbetrieb ist für das Jahr 2026 geplant, es gibt aber noch Klärungsbedarf bei juristischen und organisatorischen Fragen. Die Finanzierung ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt. Für 2024 sieht der Bundeshaushalt Mittel in Höhe von 1,25 Millionen Euro für den Aufbau des Zentrums vor, der Regelbetrieb wird aber deutlich mehr kosten - geschätzt werden sechs Millionen Euro im Jahr. Inwieweit sich auch der Sport finanziell beteiligt, ist noch unklar.

Gibt es bereits Länder, die ein ähnliches Konzept haben?

Ja, die USA haben nach dem Turnskandal das U.S. Center for Safesport gegründet. In Kanada gibt es eine ähnliche Safe-Sport-Institution, ebenso in europäischen Ländern wie Österreich und der Schweiz. Australien verfügt mit Sport Integrity Australiasogar über eine staatliche Integritätsagentur, die gleich mehrere Felder unter einem Dach zusammenbringt, etwa auch den Anti-Doping-Kampf.

Obwohl übergeordnete Ziele durchaus vergleichbar sind, unterscheiden sich die Institutionen aber in ihren Ausgestaltungen, die an die jeweiligen Sportsysteme und deren Bedürfnisse angepasst sind.