Zidane macht den Unterschied
14. Juni 2004Schon in den ersten Minuten wurde deutlich, dass sich an diesem Abend zwei Weltklassemanschaften gegenüberstanden. Die "Three Lions" ließen den mit sechs England-Legionären angetretenen Franzosen jedoch erstaunlich viel Platz im Mittelfeld. Die harten Tacklings, mit denen die Ballzauberer aus dem Konzept gebracht werden sollten, blieben vor 65.000 Zuschauern im ausverkauften Estadio da Luz in Lissabon weitgehend aus.
So genoss auch Weltfußballer Zinedine Zidane viele Freiheiten. Den ersten Warnschuss gab der Mittelfeldstar persönlich ab, doch er verfehlte sein Ziel (13.). Sein Klubkollege David Beckham zog im mit Spannung erwarteten Duell der beiden "Königlichen" zunächst den Kürzeren. An ihm lief das Spiel zunächst vorbei.
Englische Führung
Deutlich mehr Akzente im englischen Mittelfeld setzte Paul Scholes, über den die meisten Angriffe liefen. Dennoch dominierte trotz der Heimspielkulisse für die Engländer, die von 40.000 Fans lautstark unterstützt wurden, zunächst der Titelverteidiger. Vor allem Robert Pires von Arsenal London sorgte über die rechte Seite für Gefahr. Die beste Chance vergab David Trezeguet. Der Schütze des Golden Goals im EM-Finale vor vier Jahren verfehlte mit einem Kopfball nach Flanke seines Londoner Klubkollegen Patrick Vieira nur knapp das englische Tor (15.).
Seinen großen Auftritt hatte Beckham dann in der 38. Minute, als er einen Freistoß genau auf den Kopf von Frank Lampard zirkelte, der genau in den rechten Winkel zum 1:0 traf. Für die Engländer war es die erste Torchance der Partie - für Frankreich der erste Gegentreffer nach elf "Zu-Null-"Spielen in Serie.
Beckham vergibt Strafstoß
Nach der Pause drückte Frankreich gleich auf das Tempo und hatte in den ersten Minuten mehr Gelegenheiten als in der gesamten ersten Halbzeit. Mit zunehmender Dauer blieb Fankreich zwar dominant, aber zum Knacken der englischen Defensive zu ideenarm - auch weil Zidane weitgehend abtauchte. Bei einem der seltenen Konter Englands wurde jedoch der heran jagende Jung-Stürmer Rooney von Sylvestre im Strafraum gelegt und Schiedsrichter Markus Merk aus Kaiserslautern entschied völlig korrekt auf Elfmeter. Beckham scheitere aber am französischen Keeper Barthez (73.).
Zidane und die Nachspielzeit
Statt der Vorentscheidung hieß es für England weiter zittern. Doch trotz einiger tumultöser Szenen um den englischen Strafraum blieb es bis Nachspielzeit - bis Frankreich und vor allem Zidane die Qualitäten eines wahren Champions zeigte. In der ersten Minute der Nachspielzeit verwandelte Zidane einen Freistoß aus etwa 25 Metern in die Torwartecke zum Ausgleich (90.+1) - doch dabei blieb es nicht. Noch eine Minute später spielte Gerard einen dämlichen Rückpass, den Thierry Henry erlief - und vom englischen Torhüter gelegt wurde. Den fälligen Elfmeter verwandelte Zidane mit dem Schlusspfiff zum nicht mehr möglich gehaltenen 2:1 für den Titelverteidiger.
Unentschieden mit zwei Verlierern
Das erste Spiel in der Gruppe B war schon im Voraus spöttisch als "Spiel um den Platz drei" bezeichnet worden - den beiden Teams trauen nur sehr wenige zu, die beiden Gruppenfavoriten England und Frankreich in Bedrängnis zu bringen. Wer von der Schweiz und Kroatien eine Chance auf das weiterkommen haben wollte, musste daher also wenigstens dieses erste Spiel gewinnen.
Bescheidenes Niveau
Trainer Otto Baric scheint seiner Mannschaft diese Ausgangslage besonders eindrücklich erläutert zu haben: Kroatien startete vehement in die Partie und war vor allem über die beiden Außen Morna und Olic aktiv, ohne dabei allerdings zu klaren Torchancen zu erspielen. Der Schweiz gelang es sich aber der 10. Minute zunehmend zu befreien. Es entwickelte sich eine nickeliges Kampfspiel auf insegesamt bescheidemen Niveau. Die Vorteile der Kroaten drückten sich auch in der klarsten Torgelegenheit der ersten Halbzeit, als die Schweizer auf Abseits spielten - gleich zwei völlig freistehende Kroaten nacheinander nicht schafften den Ball am schweizerischen Torhüter Stiel zubringen.
Schweizer lange in Unterzahl
In der 55. Minute wurde der Schweizer Vogel wegen Ball wegschlagens mit Gelb-Roter-Karte vom Platz gestellt - die Eidgenossen mussten in der Hitze von Leira mehr als 40 Minuten in Unterzahl überstehen. Die kroatischen Fähigkeiten reichten aber auch mit vier Spitzen nicht aus, um die schweizerische Abwehr zum laufen zu bekommen und somit Räume für Chancen zu schaffen. Die größte Gefahr für die Schweiter stellte noch eine abenteuerliche Aktion von Tothüter Stiel dar, der einen langen Ball gerade noch vor der Linie erwischte, nachdem er ihn zuvor vollkommen unterschätzt hatte.
So konnten die Schweizer in einer Abwehrschlacht das Unentschieden retten - das beiden Mannschaften nichts nützt. (sams)