1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Welttag der Pressefreiheit 3. Mai 2011

3. Mai 2011

In den vergangenen 20 Jahren sind mehr als 2000 Medienmitarbeiter ums Leben gekommen. Der Welttag der Pressefreiheit erinnert seit 1994 daran, wie wichtig der Schutz von Journalisten für Frieden und Demokratie ist.

https://p.dw.com/p/116Sx
Symbolbild Pressefreiheit - Presse im Visier (Grafik: DW)

"Das wichtigste Ideal, warum Menschen Journalisten werden und ihr Leben riskieren? Weil sie daran glauben, Geschichten zu erzählen, damit Regierungen nicht allmächtig sind und das Volk mitentscheiden kann." Das ist ein knapper Auszug aus einem wenige Jahre alten Interview mit der bekannten Auslandskorrespondentin Lara Logan. Das preisgekrönte Aushängeschild des amerikanischen Nachrichtensenders CBS ist am 11. Februar 2011 auf dem 'Platz der Freiheit' in Kairo von einer Horde Männer in eine Ecke gedrängt, brutal zusammengeschlagen und sexuell missbraucht worden.

Es war der Tag, an dem Ägyptens Machthaber Husni Mubarak aufgab und Millionen Ägypter seinen erzwungenen Rückzug ausgelassen feierten. Die 39-jährige Fernsehjournalistin Lara Logan hat einen hohen persönlichen Preis dafür bezahlt, die Geschichte dieses historischen Moments zu erzählen.

Chris Hondros (Foto: dapd)
Getötet am 20. April 2011 in Misrata: Chris HondrosBild: dapd

Ihre Kollegen Chris Hondros und Tim Hetherington zahlten knapp zwei Monate später in Libyen den ultimativen Preis. Die beiden renommierten Fotojournalisten kamen am 20. April in der belagerten Hafenstadt Misrata beim Einschlag einer Mörsergranate ums Leben.

Drei tote Journalisten pro Monat

"Es gibt zwei Hauptindikatoren, mit denen sich Pressefreiheit messen lässt", sagt Joel Simon, der Direktor des weltweiten Komitees zum Schutz von Journalisten CPJ. "Die Zahl der inhaftierten und die Zahl der getöteten Journalisten". Derzeit sitzen mindestens 145 Reporter und Redakteure im Gefängnis. Die meisten von ihnen müssen Verfahren über sich ergehen lassen, die keinen rechtsstaatlichen Standards standhalten - wenn es überhaupt zu Verfahren kommt.

Mit den neuen Konflikten seit dem Ende des Kalten Krieges hat aber vor allem die Zahl der getöteten und ermordeten Journalisten stark zugenommen. Seit dem 3. Mai 1994, dem ersten Welttag der Pressefreiheit, sind fast 800 Journalisten ums Leben gekommen. Zählt man die Menschen hinzu, mit denen sie im Einsatz zusammenarbeiten wie Produktionsassistenten, Übersetzer und Fahrer, erhöht sich die Zahl der Opfer auf über 2000. In den ersten vier Monaten dieses Jahres sind schon mindestens 24 Journalisten und Medienmitarbeiter getötet worden. Die meisten starben in Nordafrika und im Nahen Osten.

Nach Angaben des CPJ kommen mindestens drei Journalisten pro Monat ums Leben. Maria Salazar Ferro aus Kolumbien untersucht für das Komitee jeden einzelnen Fall. Die Welt horcht in der Regel nur auf, wenn ausländische Journalisten bekannter Medienhäuser die Opfer sind, wie im Fall der beiden getöteten Fotografen Tim Hetherington und Chris Hondros in Libyen.

Tim Hetherington (Foto: dapd)
Getötet am 20. April 2011 in Misrata: Tim HetheringtonBild: dapd

Doch fast 90 Prozent aller Opfer sind Lokaljournalisten, die in ihren Heimatländern ermordet werden, betont Salazar Ferro. "Die große Mehrheit, mindestens 70 Prozent, wird zur Zielscheibe, weil man ihre kritische Stimme ausschalten oder sich für ihre Berichterstattung rächen will." Das CPJ hat 861 Todesfälle größtenteils vor Ort untersucht und ausgewertet. Danach haben 39 Prozent aller getöteten Journalisten politische Themen recherchiert. 34 Prozent haben über Kriege und Konflikte berichtet, 21 Prozent über Korruption und jeweils 14 Prozent über Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen.

"In 90 Prozent aller Fälle bleibt die Ermordung eines Journalisten unaufgeklärt", sagt Maria Salazar Ferro. Besonders gefährdet sind Medienschaffende in Asien, im Nahen Osten und in Lateinamerika. Die fünf tödlichsten Länder für Journalisten waren in den vergangenen zehn Jahren der Irak, die Philippinen, Algerien, Russland und Kolumbien. Danach folgten Pakistan, Somalia, Indien, Mexiko und Afghanistan. "Die meisten Journalistenmörder kommen ungestraft davon, weil die Regierungen überhaupt kein Interesse an Aufklärung haben, entweder weil sie selber involviert sind oder weil ihnen die Ermordung eines Journalisten egal ist."

Die brutalste Form der Zensur

"Wenn ein Journalist ermordet wird und seine Mörder ungestraft davonkommen und es noch nicht einmal eine Untersuchung gibt, dann ist das ein schreckliches Signal für alle Kollegen", so Salazar Ferro weiter. Die Expertin vom CPJ ist sich sicher, dass die Straflosigkeit für Angst und Selbstzensur sorgt. "Wenn Journalisten sich selbst zensieren, dann ist das eine schwere Verletzung der Pressefreiheit. Und ohne freie Medien gibt es keine Demokratie."

Symbolbild Pressefreiheit: Unter Zeitungen gefesselte und geknebelte Frau mit Augenbinde (Grafik: DW)
Feindbild JournalistBild: DW/fotozon - Fotolia.com

Journalisten werden heute viel stärker als früher nur noch als Feinde wahrgenommen. "Das Internet verstärkt diesen Trend", betont Rodney Pinder, Direktor des Internationalen Instituts für Nachrichtensicherheit INSI. Rodney Pinder hat jahrzehntelang für die Agentur Reuters als Auslandskorrespondent, Krisenreporter und Nachrichtenchef gearbeitet. Sein nüchternes Fazit: "Wir werden heute weniger gebraucht als früher."

Früher seien Journalisten in den unterschiedlichsten Konfliktsituationen durchaus willkommen gewesen, weil die Protagonisten sie gebraucht hätten, um sich darzustellen. "Aber heute kann jeder seine eigenen Sachen ins Internet stellen und mit Videos und Interviews Propaganda machen. Da stört es, wenn Journalisten mit Argumenten widersprechen und Beweise liefern. Und genau das ist die Aufgabe eines Journalisten." Der Journalist habe in den Konflikten von heute stets mehr als einen Feind, ist sich der erfahrene Nachrichtenveteran Rodney Pinder sicher.

UN-Resolution ohne Zähne

Am 23. Dezember 2006 hat der Weltsicherheitsrat in seiner Resolution 1738 ausdrücklich dazu aufgerufen, Journalisten in Konflikten zu schützen und wie Zivilisten zu behandeln. Doch verändert hat sich durch die Absichtserklärung nichts. Das höchste UN-Gremium hat noch nie Sanktionen zum Schutz von Journalisten verhängt.

Rodney Pinder (Foto: Rodney Pinder)
Rodney Pinder, Direktor des Internationalen Instituts für Nachrichtensicherheit (INSI)Bild: Rodney Pinder

Organisationen wie das INSI setzen sich deshalb konsequent dafür ein, dass Journalisten professionell ausgebildet werden, regelmäßige Sicherheitstrainings erhalten und sich nur mit der entsprechenden Ausrüstung in gefährliche Situationen begeben. Weder die Kosten noch das Konkurrenzdenken sollte dabei eine Rolle spielen, betont Rodney Pinder und nimmt auch die Arbeitgeber in die Verantwortung.

Das nüchterne Fazit

"Journalisten müssen in der Lage sein, das Risiko professionell abzuschätzen. Keine Geschichte ist es wert, sein Leben zu riskieren. Aber es gibt viele Geschichten, die dringend erzählt werden müssen und für die sich Journalisten in Gefahr begeben müssen. Die meisten Journalisten-Mörder sind Profikiller. Wir Journalisten müssen also in unserer Risikoanalyse und in unseren Sicherheitsmaßnahmen genauso professionell sein."

Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Thomas Grimmer