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Zoff in Zuffenhausen

20. Juli 2009

Ferdinand Piëchs Spezialität ist es, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, meint Karl Zawadzky.

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Karl Zawadzky, Leiter der WirtschaftsredaktionBild: DW / Christel Becker-Rau

Der geniale Autoingenieur und Konzernstratege, Porsche-Miteigentümer und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch hat in seiner langen Karriere manchen Kampf bestanden. Sein Vorteil: Er ist seinen Widersachern immer einige Winkelzüge voraus. Jetzt erlebt der lange vom Erfolg verwöhnte Porsche-Chef Wendelin Wiedking, wohin es führt, wenn man sich auf einen Machtkampf mit Piëch einlässt: ins Abseits.

Öffentlicher Machtkampf

Am Stammsitz von Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen tobt zwischen den Mitgliedern des Familienclans Porsche/Piëch unter Beteiligung von Spitzenmanagern der Unternehmen Porsche und Volkswagen ein öffentlich ausgetragener Machtkampf, wie er selten zu erleben war. Nach einer Schlammschlacht sondergleichen wird der VW-Konzern Porsche übernehmen. Es ist schwer vorstellbar, dass in einer solchen Konstellation für Wiedeking noch Platz am Steuer von Porsche ist.

Goliath VW wird sich den lästigen David Porsche einverleiben. Dabei war die ursprüngliche Idee der Porsche-Leute von bestechender Logik. Denn zwar ist die Sportwagenschmiede seit Jahren das profitabelste Autounternehmen der Welt, aber auf die Dauer wird die Luft für Nischenanbieter immer dünner. Porsche produziert mittlerweile vier Baureihen und stößt bei den Entwicklungskosten an Grenzen. Da macht es Sinn, sich mit einem der großen Autokonzerne zu vereinen. In dieser Perspektive drängt sich ein Zusammengehen mit VW geradezu auf, schließlich gibt es in der Entwicklung und der Produktion bereits eine weitgehende Kooperation, dazu eine gemeinsame Geschichte und durch Ferdinand Piëch - Miteigentümer von Porsche und Aufsichtsratschef von VW - eine personelle Verbandelung.

Verzockt beim VW-Gesetz

Doch bei dem Versuch, mit Hilfe trickreicher Aktienoptionsgeschäfte den x-mal größeren VW-Konzern zu übernehmen, haben sich Wiedeking und sein Finanzvorstand Holger Härter verzockt. Das Management von Porsche machte beim Kauf von 51 Prozent der VW-Aktien gigantische Schulden und setzte auf den Fall des VW-Gesetzes, das dem 20-Prozent-Teilhaber Niedersachsen weitgehende Rechte einräumt. Porsche wollte nach dem Erwerb von 75 Prozent der VW-Aktien dem VW-Konzern einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aufzwingen und zum Zwecke der Schuldentilgung die prall gefüllte VW-Kasse plündern. Diese Kalkulation ist nicht aufgegangen. Das VW-Gesetz ist zwar als mit dem europäischen Wettbewerbsrecht von der EU-Kommission beanstandet, aber dann vom Bundestag nicht abgeschafft, sondern nur modifiziert worden; nach wie vor läuft bei VW nichts gegen das Land Niedersachsen. Der kleine David, der in der Manier eines Hedge-Fonds spekulierte, hat nun zehn Milliarden Euro Schulden am Hals und steht am Rande des finanziellen Abgrunds.

Nichts ist auf den höchsten Managementetagen erfolgreicher als der Erfolg. Bleibt der aus, ist auch ein zuvor gefeierter Spitzenmanager machtlos. Porsche-Chef Wiedeking hat sich ins Abseits manövriert. In seiner Not verhandelte er über den Einstieg des Emirats Katar bei Porsche, doch auch VW will Katar als neuen Großaktionär gewinnen. Das Ergebnis: Nicht Porsche wird VW übernehmen, sondern VW kauft Porsche. Damit ist Piëch seinem Lebenstraum, den größten Autokonzern der Welt zu führen, einen wichtigen Schritt näher gekommen. Während nämlich Toyota in der Krise schwächelt und die amerikanischen Giganten keine ernsthafte Konkurrenz mehr sind, gibt der VW-Konzern Gas und fährt von Erfolg zu Erfolg. Dennoch ist die Übernahme von Porsche für VW riskant. Denn das wird einen Großteil der Rücklagen zu einem Zeitpunkt aufzehren, zu dem nach dem Auslaufen der Abwrackprämie die Sonderkonjunktur für Kleinwagen und Autos der Mittelklasse zu Ende geht und sich eine schwierige Wegstrecke ankündigt.

Petrodollars weiter gefragt

Deswegen werden auch von Piëch die Petrodollars von Katar benötigt. Freilich ist dem Emirat, das nach Wiedekings Rettungsplan bestimmenden Einfluss bei Porsche bekommen sollte, bei VW lediglich ein Anteil von knapp unter 20 Prozent zugedacht. Das heißt: Katar wird nach dem Porsche/Piëch-Clan und dem Land Niedersachsen der drittgrößte Eigentümer von VW. Dabei handelt es sich um ein Finanzinvestment, nicht um eine Beteiligung mit bestimmendem Einfluss auf die Unternehmensführung. Auch in dieser Konstellation zeigt sich die Genialität des Ferdinand Piëch. Nur er hält in einem der weltweit größten Konzerne alle Fäden in der Hand und duldet niemand neben sich.

Die große Zeit von Porsche-Chef Wendelin Wiedeking ist vorbei. Porsche wird die zehnte Marke im Weltreich von VW. Sein Ziel immer fest im Blick räumt Ferdinand Piëch Schritt für Schritt seine Widersacher aus dem Weg. Dabei ist das Ergebnis das gleiche wie beim Plan seines Widersachers Wiedeking: Das Geld in der VW-Kasse wird in Vermögen des Porsche/Piech-Clans verwandelt. Doch nicht nur dies ist problematisch für den Volkswagen-Konzern. Noch problematischer ist die dominierende Rolle des notorisch zerstrittenen Familienclans Porsche/Piëch, der nicht in der Lage ist, familieninterne Machtkämpfe auszugleichen.

Autor: Karl Zawadzky

Redaktion: Klaus Ulrich