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Nachruf: Stéphane Hessel

Nikolas Fischer27. Februar 2013

Der Schriftsteller, Diplomat und Résistance-Kämpfer ist in der Nacht auf den 27. Februar im Alter von 95 Jahren gestorben. Der gebürtige Berliner wurde hierzulande vor allem als Autor des Essays "Empört Euch!" bekannt.

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Stéphane Hessel (Foto vom 09.04.2011) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Der französische Diplomat Stephane HesselBild: picture-alliance/dpa

Weiße Haare, akkurat gekleidet mit Anzug, Weste und Krawatte: So kannte man Stéphane Hessel. In der Nacht zum 27.02.2013 ist der französische Diplomat, Widerstandskämpfer, KZ-Überlebende und Schriftsteller verstorben, teilte seine Ehefrau Christiane Hessel-Chabry mit.

Stéphane Hessel wurde als Stefan Hessel am 20. Oktober 1917 in Berlin geboren, seine Eltern waren der deutsche Schriftsteller und Proust-Übersetzer Franz Hessel, der dem polnisch-jüdischen Bürgertum entstammte, und die Modejournalistin und Übersetzerin Helen Grund, Tochter einer protestantischen preußischen Bankiersfamilie.

Mit sieben Jahren nach Paris

1924 zog Hessel mit seinen Eltern und seinem Bruder in die französische Hauptstadt. Dort verbrachte Hessel den Großteil seines Lebens. 1937 wurde er französischer Staatsbürger und schloss sich als Student in London dem Widerstandskomitee von General Charles de Gaulle an.

Hessel wurde Verbindungsmann zwischen den Résistance-Gruppen und der Londoner Zentrale im besetzten Frankreich. 1944 nahmen ihn die Nationalsozialisten fest und brachten ihn in das Konzentrationslager Buchenwald. Nach mehreren Versuchen gelang ihm schließlich die Flucht. Er schlug sich bis nach Paris durch.

Bereit zur Versöhnung

Klaus Staeck, der Präsident der Akademie der Künste in Berlin, lobt an Hessel später vor allem die Offenheit, mit der er trotzdem "auf alle Menschen zugegangen ist – ohne Hemmschwellen." Als Widerstandskämpfer und Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald habe der gebürtige Berliner allen Grund gehabt, seiner alten Heimat gegenüber skeptisch zu sein.

Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Copyright: staeck.de
Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste in Berlin.Bild: staeck.de

"Er war aber ein Versöhner – zornig zwar, aber die Hand zur Verständigung ausgestreckt." Hessel sei "kein alter Mahner" gewesen: "Sein erhobener Zeigefinger war immer gepaart mit einer Freundlichkeit, die ich so selten erlebt habe. Ein sehr sympathischer, großzügiger, ja liebenswürdiger alter Herr."

Lange diplomatische Karriere

Von 1945 bis 1993 war Hessel französischer Diplomat. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen arbeitete er mit aus. Im Jahr 1982 verlieh ihm François Mitterrand den Ehrentitel "Ambassadeur de France". Nach seiner Diplomatenkarriere setzte er sich für die europäische Einigung ein, außerdem für den Klimaschutz und die Rechte von afrikanischen Flüchtlingen in Frankreich.

Erst mit 80 Jahren wurde Hessel zum Schriftsteller. Aufsehen erregten 1997 seine Lebenserinnerungen: In  "Tanz mit dem Jahrhundert" reist er literarisch durch sein Leben, durch eine intellektuelle Epoche mit zahlreichen Momenten des Misserfolgs und des Scheiterns.

Erfolg als Schriftsteller im hohen Alter

2010, im hohen Alter von 92 Jahren, wurde Hessel mit dem Essay "Empört Euch!" ("Indignez-vous!") weltweit bekannt. Nur etwa 30 Seiten umfasste seine Streitschrift, in der für die Wiederbelebung der Werte der Résistance warb. Hessel kritisierte den Kapitalismus und die Behandlung von Minderheiten, plädierte für Gewaltlosigkeit und sah eine Lösung des Konflikts im Nahen Osten als elementar an für die Befriedung weiterer Konflikte. Das schmale Protestbuch erreichte eine Millionenauflage und wurde weltweit zu einer Art Bibel von Globalisierungsgegnern und Anhängern der Occupy-Bewegung.

Buchcover Empört Euch ### Achtung: Nur zur Rezension dieses Buchs zu verwenden! ###
Das Buchcover von "Empört Euch!"

Hessel hinterlässt uns einen großen Auftrag, sagt Klaus Staeck. "Seine Marschroute war ganz klar: Wir sollen uns als Bürger einmischen! Andere verantwortlich machen, das war nicht sein Stil." Staeck beschreibt Hessel als den "idealen Europäer", als "Empörten aus der Mitte des Bürgertums“.

Weltbürger und Völkerverständiger

Der spät berufene Schriftsteller war nicht der Erste, der den immer größer werdenden Graben zwischen Arm und Reich kritisierte. Doch habe Hessel es geschafft, "mit dem Thema in die Tiefe der Gesellschaft vorzudringen", sagt Staeck. "Er war ein Phänomen, ein Völkerverständiger, ein Weltbürger, der junge wie alte Menschen gleichermaßen ansprechen konnte.“

Nach dem Erfolg von "Empört Euch!“ erntete Hessel neben Zustimmung aber auch Kritik: Fehler aufzeigen alleine genüge nicht, hieß es – Lösungsvorschläge müssten her. "Man muss nicht immer auch gleich Lösungen anbieten", so Staeck. Entscheidend sei gewesen, dass Hessel immer die Bereitschaft signalisiert habe, nach Lösungen zu suchen.