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Löfflers Lektüren

27. Februar 2011

Die ungarisch-deutsche Autorin Zsuzsa Bánk hat sich nach ihrem viel gelobten Debüt "Der Schwimmer" Zeit gelassen, ehe sie nun ihren zweiten Roman herausbringt. Deutlich schließt sie damit an die Stimmung des Debüts an.

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Die Schriftstellerin Zsuzsa Bank im Oktober 2002 auf der Frankfurter Buchmesse (Foto: dpa)
Zsuzsa BánkBild: picture-alliance/dpa

Auch "Die hellen Tage" ist eine melancholisch-entrückte Kindergeschichte, beschwört die magische Welt der Kindheit und entwirft mit großer Beredsamkeit ein verzaubertes Kindheitsparadies.

Auch hier gewittert im Hintergrund wieder der Ungarn-Aufstand von 1956, der Familien auseinanderreißt, Menschen ins Exil treibt, sie in alle Welt verstreut und ihnen den zentralen Bezugspunkt ihrer Existenz nimmt. Auch hier geht es wiederum um Verlust-Erfahrungen, um emotionale Leerstellen und verschwiegene Schmerzpunkte, die behutsam eingesponnen werden müssen in Freundschafts- und Trost-Rituale – in lauter magischen Abwehrzauber gegen die harte und schmerzhafte Wirklichkeit und deren schwer erträgliche Zumutungen.

Der Paradiesgarten von Kirchblüt

Buchcover Zsuzsa Bank: Die hellen Tage (S. Fischer Verlag)

Schauplatz des Romans ist ein verwunschener, märchenhafter Ort, ein verwilderter Garten am Rande eines Dorfes namens Kirchblüt, das in der Nähe des Neckar zu denken ist, nicht weit von Heidelberg. Der Garten ist ein Idyll für die drei spielenden Kinder Aja, Therese und Karl, deren Lebensfreundschaft in allen Wechselfällen erzählt wird, auch als sich die drei Unzertrennlichen zeitweise durch Enttäuschungen, Lügen und Verrat einander entfremden.

Der Garten gehört zu einer windschiefen Hütte ohne Adresse und ohne Hausnummer, einer Art Knusperhäuschen, das wirkt, als würde es schweben, und das von Ajas Eltern Évi und Zigi bewohnt wird, zwei aus Ungarn geflüchteten Zirkusleuten. Évi ist das Herz des Romans, sein Gefühls- und Kraftzentrum – eine gute Fee, die alle Menschen anzieht und bezaubert. Ihre milde anarchische Existenzweise steckt die bürgerlich verklemmten Kirchblüter mit innerer Freiheit und Lebenslust an.

Zeitlose Idylle oder weltfremder Kitsch?

Die Grundkonstellation des Romans ist das Dreieck – eine prekäre, instabile und störungsanfällige Beziehungsform. Zum Kinder-Dreieck kommt das Dreieck der Flüchtlingsfamilie hinzu. Und allmählich freunden sich auch die Mütter der drei Kinder miteinander an – das dritte Dreieck des Romans. Zsuzsa Bánk geht mit diesem Roman ein hohes Risiko ein. Die zeitlose Idylle, die sie in endlosen Wiederholungsschleifen der immergleichen Motive und Sprachbilder beschwört, jenseits aller zeithistorischen Realität, balanciert immer am Rande des Kitsches. Es wird von der Bereitschaft gutwilliger Leser abhängen, ob sie sich in Bánks magisches Kindheitsreich einspinnen lassen wollen oder ob sie sich diesem inständig weltfremden Erzählkosmos verweigern.

Autorin: Sigrid Löffler

Redaktion: Gabriela Schaaf

Zsuzsa Bánk: Die hellen Tage, Roman

S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2011, 540 Seiten, 21,95 Euro