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Zu den (Wort-)Waffen!

Bernd Gräßler26. Juli 2002

Regieren ist ein mühsames Geschäft während der Sommerpause und noch dazu wenige Wochen vor der Bundestagswahl. Dennoch wetzen Deutschlands Politiker schon mal ihre Zungen, hat Bernd Gräßler beobachtet.

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Unentschuldigtes Fehlen im Parlament kostet 100 Euro Buße, enschuldigtes Fernbleiben die Hälfte. Das ist preiswert, und so kamen nur zwei Drittel der 666 Bundestagsabgordneten zur Sondersitzung des Parlaments in der Sommerpause nach Berlin. Nur 18 der 43 Liberalen waren im Reichstag erschienen. Offenbar interessierte der Abgang des Rudolf Scharping nicht im mindesten.

FDP-Chef Guido Westerwelle boykottierte die vom Kanzler beantragte Veranstaltung, weil er sich nicht durch die Republik scheuchen lasse, "um der SPD dabei zuzuschauen, ihre Personalprobleme zu verarbeiten". Westerwelle hat schwere Tage hinter sich: erst scheiterte er bei seinem Versuch, sich ins TV-Duell der Kanzlerkandidaten einzuklagen, dann blieb er mit dem "Guidomobil", seinem zehn Jahre alten Wahlkampf-Bus, auf der Autobahn liegen.

Doch auch andere Oppositionspolitiker wollten partout keinen Sinn darin erkennen, zwei Monate vor der Bundestagswahl in Berlin noch einen neuen Bundesverteidigungsminister zu vereidigen. "Steuerverschwendung" sei die schätzungsweise 150.000 Euro teure Sondersitzung, hieß es. Die aus dem Parlament scheidende frühere Gesundheitsministerin Andrea Fischer von den Grünen wiederum nannte die Oppositions-Kritik "populistischen Dreck".

Der Ton wird schärfer, je näher der Wahltag rückt. Dazu wird sicher auch der neue SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler seinen Teil beitragen. Stiegler, Markenzeichen roter Pollunder, wird dem linken Flügel der SPD zugerechnet und kann mit kräftigen Sprüchen auch ein Bierzelt in Stimmung bringen.

Fröhlich und offensiv wolle er die Endphase des Wahlkampfes angehen, verkündete er nach seiner Wahl in der Fraktion. Für CDU und FDP ist der frühere Klosterschüler aus der Oberpfalz ein rotes Tuch, seit er Anfang des Jahres im Zusammenhang mit dem derzeit anhängigen NPD-Verbotsverfahren den beiden bürgerlichen Parteien vorwarf, ihre Weimarer Vorgängerparteien hätten "historische Schuld" am Aufstieg Adolf Hitlers gehabt.

Stiegler sei kein Mann des Floretts, sondern des Säbels, und außerdem ziele er oft unter die Gürtellinie, beschwerte sich Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach. Allzuviel Fröhlichkeit in der letzten Wahlkampfphase verspricht das nicht. Sein ganzer Ehrgeiz sei es, alles für den Wahlsieg der SPD am 22. September zu tun, sagte Stiegler. In den Umfragen liegen nach wie vor CDU und FDP gemeinsam klar vor Rot-Grün.