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Zu neuen Möglichkeiten in der Krebsbehandlung - Prof. Dr. Jörg Beyer im Gespräch

7. Mai 2012

Prof. Dr. Jörg Beyer ist Krebsforscher und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie im Vivantes Klinikum, Berlin

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DW: Herr Beyer, Viren gegen Krebs, das hat Zukunft sagen viele Forscher. Hat das auch für Sie Zukunft?

Jörg Beyer: Es ist sicherlich ein attraktives neues Verfahren, das derzeit noch nicht in der Routine angewandt wird. Es ist aber sicherlich eine spannende, neue experimentelle Therapie.

Was sind denn die Vorteile einer Viren-Behandlung im Vergleich zu klassischen herkömmlichen Therapien?

Sie sind verträglicher. Dass sie zielgerichteter sind und dass Viren sich vermehren, letzten Endes sich selber potenzieren und effektiver Krebs bekämpfen können.

Und das ist bei den anderen Therapien nicht möglich?

Die Medikamente hängen natürlich von der Dosis ab. Viele Krebsmedikamente, die wir heute noch einsetzen, leiden darunter, dass sie Krebszellen nicht so gezielt attackieren, wie wir das gerne hätten.

Was könnten denn die denkbaren Nachteile einer Viren-Behandlung sein?

Die Nachteile einer Viren-Behandlung könnten sein, dass die Viren nicht ausreichend stark sind, sie vorzeitig absterben, noch bevor der Tumor zerstört ist. Dass sie sich vielleicht im ganzen Körper ausbreiten und den Menschen krank machen. Oder – sozusagen – von Mensch auf Mensch springen und Menschen befallen, die gar keinen Krebs tragen.

Das wäre natürlich eine Katastrophe. Aber könnten künftig denn auch andere Viren gegen weitere Krebsarten eingesetzt werden?

Wenn die Therapie mit onkolytischen Viren – so der medizinischen Fachausdruck – erfolgreich bei einer Tumorentität getestet wird, ist es natürlich auch spannend, das auch bei anderen Krebsarten zu untersuchen und nicht nur bei Hirntumoren, sondern auch bei anderen Krebserkrankungen, die noch viel häufiger auftreten.

Welche zum Beispiel?

Die häufigsten Krebserkrankungen sind bei Männern immer noch Lungenkrebs, Prostatakrebs und Darmkrebs. Bei Frauen ist es Brustkrebs, Lungenkrebs und Darmkrebs.

Und Sie denken, da könnte es möglich sein, auch da gezielt Viren einzusetzen?

Wenn die Virentherapie bei den Hirntumoren erfolgreich ist, wird das sicherlich auch untersucht werden.

Wie lange wird das denn noch dauern? Beim Hirntumor sprechen Ärzte von etwa vier Jahren Was schätzen sie?

Zwischen den ersten klinischen Experimenten am Menschen, die derzeit gerade in Heidelberg durchgeführt werden, bis zur klinischen Routineanwendung dauert es oft 5 bis 10 Jahre, wenn alle Experimente positiv verlaufen.

Sie sind ein Mann der Praxis. Sie testen etwa die richtige Dosierung von Krebsmedikamenten. Sie untersuchen also das, was die Grundlagenforscher im Labor entwickeln. Wie aufwändig ist die Entwicklung von solchen Krebsmedikamenten?

Die Entwicklung ist enorm aufwendig. Zunächst müssen sie in chemischen Laboratorien oder in biologischen Laboratorien entwickelt werden. Sie müssen dann in präklinischen Tiermodellen in der Regel getestet werden und kommen dann erstmals beim Menschen zur Anwendung. Und selbst dann dauert es eben noch 5 bis 10 Jahre bis in verschiedenen Phasen der klinischen Prüfung ein Antrag auf die Zulassung gestellt werden kann und die Medikamente generell verfügbar werden.

Das bedeutet langwierige Verfahren. Haben Sie denn einen Hoffnungsträger gegen Krebs?

Es wird keinen einzelnen Hoffnungsträger geben, sondern eine Vielfalt von Angriffspunkten die wir ausnützen müssen. Das sind die klassischen Zytostatika, das sind Antikörper, das sind neue Biochemische Substanzen, die in der Zelle selbst arbeiten. Aber es bleibt immer noch die einzelne Lebensweise des Menschen, die Krebsvorsorge, die jeder Mensch machen kann, das ist die Früherkennung und das ist möglicherweise irgendwann auch einmal eine medikamentöse Krebs-Prophylaxe.

(Interview. Maria Grunwald)