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Zu wenig und zu spät

Klaus Feldkeller12. Juni 2002

In Rom ist der Welternährungsgipfel der Vereinten Nationen zu Ende gegangen, der die Beschlüsse der Weltgemeinschaft von 1996 überprüfen sollte. Die Bilanz fällt ernüchternd aus. Ein Kommentar von Klaus Feldkeller.

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Der Ernährungsgipfel von Rom wird mit Sicherheit nicht als Meilenstein in die Geschichte der wirksamen Bekämpfung des Hungers eingehen. Dazu wäre statt aller öffentlicher Versprechungen das tatkräftige Bekenntnis des reichen Nordens notwendig, um die Bedingungen für die armen Staaten wirksam zu verbessern. Der Rückgang der Entwicklungshilfe in den Industrienationen und der neue erwachte Protektionismus für die eigene Landwirtschaft - etwa der USA - sprechen hier eine andere Sprache.

Auch haben die Entwicklungsländer mit Befremden und Unverständnis zur Kenntnis genommen, dass - bis auf wenige Ausnahmen - nur die zweite politische Reihe der wichtigsten westlichen Länder nach Rom gereist war. Hier wurde dann das - nach zähem Ringen - verabschiedete Recht auf Nahrung als Durchbruch gefeiert. Zumindest als Teilerfolg wertet die Bundesregierung diese Deklaration. Verbraucherschutzministerin Renate Künast setzt nun darauf, dass die Regierungen in den Entwicklungsländern Pläne entwickeln, wie dieses Recht auf Nahrung konkret umgesetzt werden kann. Ob dies den geschätzten 800 Millionen Menschen allerdings wirklich hilft, darf bezweifelt werden.

Denn hinter dem Recht auf Nahrung stehen lediglich unverbindliche Richtlinien - von einem einklagbaren Recht auf angemessene Ernährung sind die Menschen in der Dritten Welt noch weit entfernt. Dennoch müssen sich auch die Regierungen im armen Süden fragen lassen, was sie selbst für ihre Bürger gegen die Unterernährung tun. Schuld an der Misere hat nicht allein der reiche Norden. So lange Staaten wie Simbabwe Nahrungshilfen als politische Waffe im Kampf gegen die Opposition im eigenen Land einsetzen und Länder wie Indien den Schwerpunkt auf Rüstung statt Entwicklung setzen, bleiben die Zweifel bestehen, ob die armen Länder die Bittsteller-Rolle gegenüber dem Westen wirklich aufgeben wollen.

Außerdem ist in vielen Entwicklungsländern die Agrarproduktion inzwischen so stark auf die Weltmärkte orientiert, dass die Versorgung der heimischen Märkte nicht gesichert ist. Hunger ist ein Problem von struktureller Armut und sozialer wie politischer Ungleichheit. Die meisten Unterernährten leben nicht in Regionen mit extremer Nahrungsmittel-Knappheit. Hier haben vor allem die Nicht-Regierungs-Organisationen bei ihrer Konferenz in Rom auf mögliche Alternativen hingewiesen. Die Trendwende kann nur dann erreicht werden, wenn sich die Menschen auf dem Lande aus eigener Kraft ernähren können. Ob genmanipulierte Nahrungsmittel, die von der internationalen Agrar-Industrie als Allheilmittel propagiert werden, hier die geeigneten Mittel sind, darf bezweifelt werden. Das Ziel des offiziellen Gipfels, durch politische wie wirtschaftliche Reformen die Zahl der Unterernährten bis zum Jahr 2015 auf 400 Millionen Menschen zu halbieren, bleibt auf jeden Fall utopisch. Gipfel-Konferenzen machen keinen Hungernden satt.