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Zuckerbrot und Peitsche

22. Juni 2009

Neue Gewaltandrohungen der Revolutionsgarden haben die Proteste der iranischen Opposition nicht ersticken können. Unterdessen soll die Führung im Iran erste politische Zugeständnisse an die Opposition gemacht haben.

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Mussawi-Anhänger demonstrieren in Teheran (Foto: AP)
Die Proteste gehen weiter - neue Bilder ausländischer Agenturen gibt es nicht mehr (Archivbild vom 13. Juni)Bild: AP

Ungeachtet massiv verschärfter Drohungen und zahlreicher Toter bei Protesten am Wochenende haben Anhänger der Reformbewegung im Iran am Montag (22.06.2009) erneut in Teheran demonstriert. Berichte, wonach Sicherheitskräfte mit Tränengas gegen die Demonstranten vorgegangen seien, ließen sich wegen des anhaltenden Berichterstattungsverbotes nicht bestätigen. Die dem umstrittenen Sieger der Präsidentschaftswahl vom 12. Juni, Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad, nahestehenden Revolutionsgarden hatten gedroht, sie würden mit aller Härte vorgehen und jeden nicht genehmigten Protest gegen den Ausgang der Wahl auf "revolutionäre Weise" niederschlagen. Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi und seine Gefolgsleute hatten für Montag bewusst nicht zu Demonstrationen aufgerufen, grundsätzlich aber zur Fortsetzung der Proteste aufgefordert. "Der Protest gegen Lügen und Betrug ist euer Recht", erklärte Mussawi auf seiner Internetseite.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die iranischen Behörden am Montag (Ortszeit) in New York zu einem Ende der Gewalt gegen Demonstranten auf. Er verlangte einen sofortigen Stopp der Festnahmen, Drohungen und Gewaltanwendung. Gleichzeitig ermahnte Ban die iranischen Behörden, die grundlegenden zivilen und politischen Rechte zu respektieren, "vor allem das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Versammlungsfreiheit und die Informationsfreiheit". Regierung und Opposition im Iran rief er auf, ihre Meinungsverschiedenheiten durch Dialog und mit legalen Mitteln zu regeln.

Zugeständnisse an die Opposition?

Die Führung im Iran hat nach Auffassung von Beobachtern inzwischen erste politische Zugeständnisse an die Opposition gemacht. Die Steinigung von Verbrechern sowie das Abhacken der Hand von verurteilten Dieben solle aus dem Strafgesetzbuch der Islamischen Republik gestrichen werden, sagte der Vorsitzende des Justizausschusses im iranischen Parlament, Ali Schahroki, der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA. Die Gesetzesänderung muss jedoch erst vom Parlament beschlossen und vom Wächterrat abgesegnet werden.

Logo des Wächterrats
Logo des Wächterrats

Verwirrung hatten Meldungen staatlicher Fernsehsender ausgelöst, die ein angebliches Prüfergebnis des Wächterrates zu den Wahlen wiedergaben. Danach soll der Wächterrat zu der Auffassung gekommen sein, dass es in 50 Städten zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, von denen drei Millionen Stimmen betroffen sind.

Ein Sprecher des mächtigen Gremiums sagte am Montag aber, dies sei nicht das Prüfergebnis des Wächterrates, sondern lediglich der Vorwurf der drei unterlegenen Kandidaten. Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte nach dem offiziell verkündeten Wahlergebnis mit zehn Millionen Stimmen Vorsprung auf seinen Widersacher Mir Hussein Mussawi gesiegt.

Diplomatischer Streit mit dem Westen verschärft sich

Angesichts anhaltender Kritik aus dem Westen am Vorgehen Teherans nach der Wiederwahl Ahmadinedschads erwägt der Iran die Ausweisung europäischer Diplomaten. Parlamentspräsident Ali Laridschani hatte am Sonntag eine Überprüfung der Beziehungen vor allem zu Großbritannien, Deutschland und Frankreich gefordert, den drei Staaten, die im Streit um das iranische Atomprogramm die Verhandlungen für die EU führen.

Ali Reza Sheikh Attar (Foto: dpa)
Zum zweiten Mal in Berlin vorgeladen: der iranische Botschafter in Deutschland Ali Reza Sheikh AttarBild: picture-alliance/ dpa

Die Bundesregierung wies die Kritik zurück. Sie hat am Montag zum zweiten Mal in einer Woche Irans Botschafter Ali Reza Scheich Attar vorgeladen. Die Lage im Iran sei nicht durch westliche Staaten ausgelöst worden, vielmehr gehe es um die Achtung grundlegender Menschen- und Bürgerrechte, erklärte das Auswärtige Amt im Anschluss.

Großbritannien hat am Montag eine Reisewarnung für Briten herausgegeben und die Ausreise von Familien der Botschaftsmitarbeiter angeordnet. Regierungstreue iranische Studentenorganisationen haben daraufhin für Dienstag zu einer Kundgebung vor der britischen Botschaft aufgerufen. Sie wollen nach Medienberichten gegen die "Einmischungen" Londons in die inneren Angelegenheiten des Landes protestieren. Unter den vier verschiedenen Organisationen ist auch die Studentengruppe der Bassidsch-Milizen. Im Umfeld der Studentengruppen wurde gewarnt, der britischen Botschaft könne dasselbe Schicksal wie der 1979 besetzten US-Botschaft drohen. Bewaffnete Studenten hatten damals fast 100 Menschen 444 Tage in ihrer Gewalt gehalten.

Italien gab bekannt, dass es in Abstimmung mit den anderen EU-Staaten seine Vertretung in Teheran für verletzte Demonstranten öffnen werde, um ihnen eine medizinische Versorgung zu ermöglichen. Die russische Regierung stärkte dagegen demonstrativ Ahmadinedschad den Rücken. Der Präsident sei nach offiziellen Angaben wiedergewählt worden. Russland achte den Wählerwillen des iranischen Volkes, hieß es in einer Erklärung des russischen Außenministeriums. (je/wa/dpa/rtr/afp)

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