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"Zuerst Massenmord vorwerfen und dann uns aus den Häusern vertreiben"

10. Mai 2004

- Plakate in deutscher Sprache werfen den Polen und den Tschechen Massenmorde an Deutschen vor

https://p.dw.com/p/51ZB

Warschau, 10.5.2004, WIRTUALNA POLSKA, poln.

Unbekannte Täter haben in der Nacht vom Freitag auf Samstag (7/8.5.) Plakate in deutscher Sprache aufgehängt, auf denen den Polen und den Tschechen Massenmorde an Deutschen vorgeworfen werden. Den Polen wird gedroht, sie dafür zur Verantwortung zu ziehen. (...)

Auf den Plakaten, die in Jelenia Gora (Hischberg), Karpacz (Krummhügel) und Podgorzyn (Giersdorf) auf Litfasssäulen angebracht wurden, sieht man u. a. ein Schwarz-Weiß-Foto: Zwei Zivilisten töten mit Genickschüssen zwei nackte Personen im Wald. Ein anderes Foto zeigt eine Krankenschwester und drei Kinder, die durch Hunger sterben. (...) Der Text in deutscher Sprache wurde mit Buchstaben aus verschiedenen Quellen zusammengesetzt. Der Untertitel lautet: "Polen und Tschechien willkommen in der EU". Weiter ist eine Drohung zu lesen: "Unsere Justiz arbeitet akribisch. Mord verjährt nicht".

Eine der Listen der angeblichen "Verbrechen" informiert, dass zwei Millionen Deutsche in sowjetischen, 120 000 in französischen und 100 000 in jugoslawischen Konzentrationslagern umgebracht wurden. Es sind Vorwürfe zu lesen, dass in den polnischen Konzentrationslagern 22 000 Deutsche umgebracht wurden und dass insgesamt 3,5 Millionen Deutsche ermordet wurden. In Karpacz wurden diese Plakate in kleinerer Form als Flugblätter an Touristen verteilt. (...)

Der Bezirksstaatsanwalt Andrzej Reczka sagte, dass er erst nach einer genauen Analyse des Inhalts entscheiden kann, ob es sich bei dieser Aktion um ein Verbrechen handele. "In Polen ist die Verbreitung des Nazismus verboten. Wenn es sich bei diesen Plakaten um solche Inhalte handelt, wäre die Sachlage völlig klar", sagte Staatsanwalt Andrzej Reczka. (...)

"Ich denke, dass der oder die Täter versuchen, gerade jetzt Polen und Deutschland gegeneinander aufzuhetzen, sagte Jozef Kusiak, der Präsident von Jelenia Gora. (...)

Die Vorsitzende des soziokulturellen Verbandes der Deutschen, Joanna Kulisiewicz hat diese Plakate noch nicht gesehen und kann - wie sie selbst sagte - keine Stellung dazu nehmen. "Es handelt sich dabei bestimmt nicht um eine Aktion der Regierung. Dabei kann es sich um eine kleine Gruppe handeln. Man muss jedoch bemerken, dass nicht alle polnisch-deutschen Angelegenheiten geklärt wurden". (...)

"Das ist ein Ausdruck völliger Dummheit, eine Aktion einer Gruppe von Idioten. Ich hoffe, dass keine große Organisation dahinter steht", sagte Andrzej Pawluszek, Ratsmitglied des Woiwodschaftsparlaments, der diese Plakate in Karpacz gesehen hat.

"Manche Polen können jedoch diese Plakate als ein Signal interpretieren, dass es nach dem Beitritt Polens zur EU wieder anfängt, dass die Deutschen uns zuerst Verbrechen vorwerfen und dann werden sie versuchen, uns aus den eigenen Häusern zu vertreiben. Nach dem geltenden Recht ist das zwar unmöglich aber diese Befürchtung hört man in der Region Dolny Slask (Niederschlesien) immer öfter" fügt Andrzej Pawluszek hinzu. (sta)