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Zugverbindung um die halbe Welt

17. Mai 2011

Eine neue Eisenbahnstrecke verbindet seit kurzem den Hafen des belgischen Antwerpen mit der zentralchinesischen Stadt Chongqing – und durchquert fünf Staaten. Unnötige Zollformalitäten sollen vermieden werden.

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Ein Güterzug mit zwei Containern (Foto: DW-TV)
Der Güterzug zwischen Europa und China soll eine schnelle Alternative zur Seefracht werdenBild: DW-TV

Fünfmal in der Woche verlässt der Güterzug den Bahnhof im Hafen von Antwerpen und macht sich auf die Reise. Über Deutschland, Polen, die Ukraine, Russland und die Mongolei fährt der Zug um die halbe Welt bis nach Chongqing in Zentralchina - über 11.000 Kilometer entfernt.

Die Vorteile dieser Verbindung liegen auf der Hand, erklärt Zeng Su, Repräsentant der Antwerpener Entwicklungsbehörde in Chongqing: "Neben der teuren, schnellen Luftfracht und der günstigen aber langsamen Seefracht gibt es nun auch eine relativ schnelle und preiswerte Alternative. Wenn ein Kunde hohe Anforderungen an die Transportgeschwindigkeit stellt, kann er den Güterzugtransport wählen."

Von Europa nach China in 18 Tagen

Rote Stopkelle mit der Beschriftung: Halt, Zoll (Foto: DW)
Abkommen zwischen Transitländern sollen Zollvorschriften reduzierenBild: AP

Das Projekt wurde im vergangenen Jahr von den Städten Antwerpen und Chongqing gemeinsam mit dem Schweizer Bahnunternehmen Hupac sowie einem russischen und einem chinesischen Bahnunternehmen ins Leben gerufen. Seit wenigen Tagen ist die Verbindung in Betrieb. Der Zug fährt über bereits existierende Gleisstrecken. Das Besondere an dem Projekt: Obwohl der Güterzug insgesamt sechs Landesgrenzen überqueren muss, sollen Verzögerungen durch Zollvorschriften so weit wie möglich vermieden werden.

Hier leiste der belgische Zoll Pionierarbeit, sagt Mark van Peel, Präsident der Antwerpener Hafenbehörde. "Wir wollen eine so genannte 'Green Lane' - eine Grüne Strecke schaffen, wo es ein Abkommen zwischen den Zollbehörden der einzelnen Länder gibt." Man hoffe, dieses Ziel bis Oktober zu erreichen. "Dann nimmt die Zollbürokratie extrem ab." Noch dauere die Fahrt wegen der Zollformalitäten zwischen Antwerpen und Chongqing etwa 23 Tage, so van Peel. Ab Oktober solle sie nur noch 18 Tage dauern.

Bahnstrecke dient der Entwicklung Westchinas

Skyline der westchinesischen Metropole Chongqing (Foto: DW/Rebecca Sumy Roth)
Chongqing – Handelszentrum für ganz WestchinaBild: DW/ Rebecca Sumy Roth

Obwohl im Westen relativ unbekannt, ist Chongqing eine der größten Städte der Welt. Das gesamte Verwaltungsgebiet liegt mitten in China und ist größer als Belgien und die Niederlande zusammen. Rund 30 Millionen Menschen leben in der Stadt am Jangtse. Die chinesische Regierung baut Chongqing seit Jahren zum Industrie- und Handelszentrum im chinesischen Hinterland aus.

Davon soll das bislang vergleichsweise unterentwickelte Gebiet im Westen Chinas profitieren. Seit dem Bau des Dreischluchtenstaudamms hat Chongqing einen direkten Zugang zum ostchinesischen Meer. Durch den Damm ist ein 600 Kilometer langer Stausee entstanden, auf dem Hochseeschiffe mit großem Tiefgang bis nach Chongqing fahren können. Das nimmt allerdings einige Zeit in Anspruch, denn Chongqing liegt rund 1500 Kilometer vom Meer entfernt. Die neue Eisenbahnlinie sei eine wichtige Ergänzung für den Schifffahrtsweg, sagt Zeng Su von der Antwerpener Entwicklungsbehörde in Chongqing. "Die Eisenbahnstrecke eröffnet ganz neue Möglichkeiten, was die Logistik in Chongqing angeht. Der neue Eisenbahnservice hilft dabei, die Gebiete im Hinterland Chinas zu entwickeln."

Verbindung zwischen zwei Logistik-Drehkreuzen

Ein Güterzug verlässt einen Bahnhof voller weiterer Züge (Foto:AP)
Drehkreuz Güterbahnhof: wichtiger Knotenpunkt für den TransportBild: AP

Der Hafen von Antwerpen ist der zweitgrößte Hafen Europas und ein wichtiger Knotenpunkt für den innereuropäischen Handel sowie den Handel mit dem amerikanischen und dem afrikanischen Kontinent. Mit der Bahnlinie wollen die Betreiber das europäische Drehkreuz Antwerpen mit dem innerchinesischen Drehkreuz verbinden.

Auch wenn der Bahnverkehr schneller als der Schiffstransport und billiger als Luftfracht ist, werde der Schienentransport auch in Zukunft keine Konkurrenz zur Seefracht darstellen, prognostiziert Mark van Peel vom Antwerpener Hafen. "Wenn wir fünfzehn oder zwanzig Jahre in die Zukunft schauen, glauben wir, dass der Transport auf der Schiene weniger als ein Prozent der Seefracht ausmachen wird." Die neue Linie sei allerdings besonders attraktiv für den Transport von Gütern, die schnell am Ziel ankommen müssen, aber für Luftfracht zu schwer sind, so van Peel. Hierzu zählen beispielsweise Produkte der chemischen Industrie, aber auch Zulieferteile für die Automobilindustrie.

Autor: Christoph Ricking

Redaktion: Ana Lehmann