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Zukunft des Irak weiter ungeklärt

Daniel Scheschkewitz / arn 25. Mai 2004

US-Präsident George W. Bush will Erfolge sehen beim Wiederaufbau im Irak. In seiner ersten von sechs geplanten Reden zur Lage im Irak erläuterte er seinen Fünf-Punkte-Plan. Doch viele Fragen sind weiter offen.

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Präsident Bush macht sich und den Irakern MutBild: ap


Der Schandfleck soll ausgemerzt werden: Nach der für den 30. Juni geplanten Regierungsübergabe in Irak soll das Gefängnis von Abu Ghraib, in dem einst die Schergen Saddam Husseins ihre sadistischen Triebe auslebten und danach auch US-Soldaten ihre Häftlinge brutal quälten, geschliffen werden. "Die USA werden die Errichtung eines modernen Hochsicherheits-Gefängnis finanzieren. Wenn es fertig ist, werden die Gefangenen von Abu Ghraib dahin verlegt", kündigte US-Präsident George W. Bush an. Doch bloße Symbolik wird nicht ausreichen, um die Glaubwürdigkeit der USA zu retten und den Irak zu stabilisieren.

Der Fünf-Punkte-Plan

In seiner mit großer Spannung erwarteten Rede hatte Bush keine wirklich neuen Antworten auf die Frage zu bieten, wie er die Lage in Irak in en Griff bekommen will. Bushs Rede war im wesentlichen eine Bestätigung der schon bekannten Pläne für den Machtransfer, der am 30 Juni beginnen soll. Bush nannte fünf Punkte, mit denen im Irak Freiheit und Demokratie den Sieg davon tragen sollen. „Wir werden die Macht an eine souveräne irakische Regierung abgeben. Wir werden dabei helfen, Sicherheit zu schaffen. Wir werden den Irak weiter beim Aufbau seiner Infrastruktur unterstützen und wir werden eine breitere internationale Unterstützung suchen. Der Irak wird dann nationale Wahlen abhalten, in denen eine neue Regierung durch das irakische Volk bestimmt wird", erklärte der Präsident.

In einem ersten Schritt werde der UN-Beauftragte Lakhdar Brahimi eine neue Übergangsregierung auswählen. Sie soll laut Bush aus einem Präsidenten, zwei Stellvertretern, einem Ministerpräsidenten und 26 Fachministern bestehen. Über welche legislativen und exekutiven Kompetenzen diese Übergangsregierung verfügen wird, ließ Bush offen. Bis zum Januar 2005 soll sie mit Hilfe der UN Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung organisieren. Schon zum 30. Juni wird eine US-Botschaft im Irak eröffnet mit Zweigstellen im ganzen Lande. Sie solle die Übergangsregierung in allen Fragen beraten können. „Die fünf Schritte hin zu einer autonomen irakischen Regierung werden nicht einfach", erklärte Bush vorsorglich.

Das eigene Image aufpolieren

Mit seinem Auftritt an einer Militärhochschule im US-Bundesstaat Pennsylvania suchte Bush das Bild eines Präsidenten zu übermitteln, der unter der immensen Last, die ihm die Geschichte auf die Schultern gelegt hat, aufrecht und gerade weiter seinen Weg geht. Zwar gab er zu, dass in den fünf Wochen bis zum 30. Juni die Gewalt in Irak wohl weiter eskalieren werde – "die Terroristen werden wahrscheinlich aktiver und brutaler werden". Doch zugleich betonte der Präsident im gewohnten Pathos, dass ein Scheitern der USA ausgeschlossen sei: "Wir werden durchhalten und diesen Feind besiegen, und diesen für das Reich der Freiheit hart errungenen Boden verteidigen. Die Terroristen bestimmen nicht die Zukunft des Irak."

Die halbstündige Rede markierte den Start einer neuen PR-Offensive, mit der Bush das heimische Publikum angesichts seiner zuletzt kontinuierlich abgesackten Umfragewerte davon überzeugen will, dass er ein klares Konzept für Irak hat und die derzeitigen Schwierigkeiten nur die Geburtswehen einer stabilen Demokratie an Euphrat und Tigris sind. Bis zum 30. Juni will der US-Präsident jede Woche eine große Rede über Irak halten. Der politische Plan und seine militärische Absicherung sollen durch ein neues UN-Mandat völkerrechtlich legitimiert werden. Wenige Stunden vor seinem Auftritt am US Army War College reichten die USA zusammen mit Großbritannien ihren ersten Resolutionsentwurf beim Weltsicherheitsrat ein.

Viele ungeklärte Fragen

Bei allen rhetorischen Bemühungen um Geradlinigkeit offenbarten Rede wie Resolutionsentwurf die Lücken und Widersprüche im Irak-Plan der USA. Zwar wiederholte Bush wie ein Mantra im Laufe seiner Rede, dass bereits die irakische Übergangsregierung "volle Souveränität" ausüben werde - die Koalition werde am 30. Juni demonstrieren, "dass wir kein Interesse an einer Besatzung haben". Doch tatsächliche Souveränität für die Iraker kann es de facto nicht geben, solange das militärische Oberkommando in US-Händen bleibt - und ein wirkliches Mitspracherecht über den Einsatz ihrer Truppen wollen die USA der Interimsregierung keinesfalls zugestehen.

Ungeklärt bleibt vorerst zudem, wer in der Übergangsphase die Kontrolle über die irakischen Ölschätze ausüben und wie lange die internationalen Truppen letztlich im Land bleiben sollen. Eine internationale Einsatztruppe, deren amerikanische Soldaten unter amerikanischem Oberbefehl verbleiben sollen, soll künftig für Sicherheit sorgen. Der Resolutionsentwurf sieht eine Verlängerung der Stationierung um zunächst ein weiteres Jahr ab Juli vor. Ein Datum für den Abzug der US-Soldaten im Irak nannte Bush nicht. Mit der Nato will Bush auf dem Gipfeltreffen in Istanbul im Juni über einen Einsatz der Nato im Irak diskutieren. Bush kündigte an, dass die derzeitige Truppenstärke von 138.000 US-Soldaten "so lange wie nötig" aufrechterhalten bleiben solle und - falls von den Generälen angefragt - auch noch aufgestockt werden könne.

Wie können aus Feinden Freunde werden?

In seiner Rede beschrieb Bush die Vereinigten Staaten als "Freund" des irakischen Volkes - das Hauptproblem der USA besteht aber gerade darin, dass sie von großen Teilen der irakischen Bevölkerung nicht erst seit dem Folterskandal als feindliche Besatzer gesehen werden. Und auch die Interimsregierung wird als Institution von amerikanischen Gnaden von Anfang an mit massiven Legitimitätsproblemen zu kämpfen haben. Symbolische Aktionen wie die angekündigte Ablösung des US-Oberfehlshabers in Irak, Ricardo Sanchez, und der Abriss der Haftanstalt in Abu Ghraib werden daran kaum etwas ändern. "Die Iraker sind ein stolzes Volk, das ausländische Kontrolle über seine Angelegenheiten ablehnt", brachte Bush sein Dilemma unbeabsichtigt selbst auf den Punkt.