1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gemeinsam wohnen nützt allen

Günther Birkenstock29. Juni 2012

Während Rios UN-Gipfel hinter den Erwartungen zurückblieb, funktioniert eine Idee, die beim ersten Gipfel vor 20 Jahren entstand, gut: die Agenda 21, die die globalen Ziele vor Ort umsetzt – zum Beispiel in Bonn.

https://p.dw.com/p/15JsH
Bonn im Wandel_Hausblick von oben.JPG Foto: DW
Bild: DW

Das Wohnprojekt "Amaryllis" am Bonner Stadtrand ist ein bisschen Großfamilie, ein bisschen Riesen-WG und dann doch ganz anders. 70 Menschen leben hier in drei Häusern, alte und junge Menschen, Singles und Familien. Jeder hat seine eigene Wohnung, die zwischen 30 und 130 Quadratmeter groß ist. Ein großer Gemeinschaftsraum mit Küche bietet Platz für Feste und die regelmäßigen Treffen der Gruppe.

Die, die hier wohnen, wollen etwas anders machen. Sie haben mit dem Gemeinschaftswohnprojekt große Ziele der Agenda 21 im Kleinen praktisch verwirklicht. Die "lokale Agenda 21" war auf der ersten Konferenz von Rio, genau vor 20 Jahren, unterzeichnet worden. Das Ziel: nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz in konkreten lokalen Initiativen. 10.000 Städte weltweit haben sich verpflichtet, diese Ziele umzusetzen, darunter auch die Stadt Bonn.

"Amaryllis-Gemeinschafthaus" Foto: DW
Alt und jung leben im Gemeinschaftshaus zusammen - ebenso wie Singles und FamilienBild: DW

Gemeinsam wohnen nützt allen

Die Genossenschaftler wohnen nicht nur zusammen, sondern teilen auch sonst vieles, unter anderem Waschmaschinen und 16 Autos, die die Bewohner bei Bedarf nutzen können. Die gemeinschaftliche Nutzung bedeutet weniger Energieverbrauch und damit mehr Nachhaltigkeit. Ökologie und Soziales sind eng verbunden. Wenn die Älteren nicht mehr alleine zurecht kommen, wird organisiert, wer für sie mitkochen und einkaufen kann.

Kinderspielplatz im Wohnprojekt Amaryllis Foto: DW
Vom Kinderspielplatz bis zur Waschmaschine nutzen die Genossenschaftler vieles gemeinsamBild: DW

Kathleen Battke und ihr Mann Thomas Bebiolka sind Mitgestalter von "Amaryllis". Sie wollten mit dem Genossenschaftsprojekt auch dem Immobilienmarkt ein Spekulationsobjekt entziehen: "Wir verhindern durch unsere Organisation und das gemeinschaftliche Besitzen dieser Wohnanlage, dass mit Wohnraum, Grund und Boden auf Profit hin spekuliert werden kann. Das ist ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit dieses Projektes. Wir als die Bewohner sind selber Eigentümer und sorgen dafür, dass die Entwicklung der Preise weitestgehend in unserer Hand bleibt."

Seit 2007 existiert das Bonner Wohnprojekt und wurde seitdem bereits mehrfach mit Umweltpreisen ausgezeichnet. Die Stadt Bonn war davon so beeindruckt, dass der Gemeinderat beschloss, eine eigene Stelle für "innovative Wohnformen" in der Verwaltung zu schaffen.

Kathleen Battke blickt über ein Hochbeet
Kathleen Battke, Mitglied im Aufsichtsrat der 'Amaryllis' eGBild: DW

Hochbeete und Zukunftsgärten

Thomas Bebiolka und Kathleen Battke engagieren sich außerdem in der "Transition-Town-Bewegung", die versucht, das Leben in Städten ressourcenschonender zu gestalten und lokale Möglichkeiten zu nutzen. Eines der Themen, um die sich die Gruppe kümmert, heißt "Zukunftsgärten Bonn". Einer davon liegt gleich um die Ecke vom Wohnprojekt "Amaryllis". Eine Wiese blieb unbebaut, weil es für die geplante Grundschule nicht genügend Anmeldungen gab. Thomas Bebiolka fragte bei der Stadtverwaltung nach und bekam das Recht, die Fläche als Gemeinschaftsgarten zu nutzen. Nun stehen auf der einstigen Brachfläche elf große Holzkisten, die mit Gemüse bepflanzt sind und jederzeit an einen anderen Ort gebracht werden können.

Blick auf ein praktisches Hochbeet
Gemüseanbau ist auch in der Stadt möglich - zum Beispiel im HochbeetBild: DW

Aus der Finanzkrise lernen

Nach Bebiolkas Meinung ist der Gemeinschaftsgarten "ein praktisches Beispiel für Nachhaltigkeit in der Stadt". Die Hochbeete dienten dazu, Gemüse zu pflanzen und gleichzeitig anderen zu zeigen, dass Lebensmittelanbau in der Stadt möglich ist. Durch die erhöhte Bearbeitungsfläche könnten auch ältere Menschen im "Garten" arbeiten und Kinder das Ganze aus allernächster Nähe betrachten. Mit den Erträgen aus anderen Zukunftsgärten werden bereits einige Kindergärten und Schulen versorgt.

Der praktische Nutzen sei wichtig, noch mehr aber der soziale Austausch, betont Thomas Bebiolka: "Effizienzkritierien haben Soziales nicht im Blick. Normale Betriebswirtschaft honoriert das nicht. Es ist extrem wichtig, das als Kardinalfehler der Finanzkrise zu erkennen." Als eines der nächsten Projekte plant die Inititative, das Dach eines früheren Bunkers zu bepflanzen. "Es geht darum, fantasievoll mit Flächen umzugehen", betont Kathleen Battke und ist sich mit ihrem Mann darin einig: "Da ist noch viel mehr möglich, als wir uns heute vorstellen können."

Kathleen Battke und Thomas Bebiolka wollen mehr Zukunftsgärten in Bonn und halten ein Transparent in die Luft Foto DW
Kathleen Battke und Thomas Bebiolka wollen mehr Zukunftsgärten in BonnBild: DW