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Deutscher Zukunftspreis 2011: Organische Elektronik

14. Dezember 2011

Leuchtende Tapeten und aufrollbare Displays: mit Organischen Leuchtdioden sollen solche Visionen Wirklichkeit werden. Dafür haben Dresdner Forscher und Unternehmer den Deutschen Zukunftspreis 2011 bekommen.

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Bundespräsident Wulff mit den Preisträgern des Deutschen Zukunftspreises 2011 (Foto: dapd)
Bundespräsident Wulff zeichnete die Wissenschaftler ausBild: dapd

Bei Professor Karl Leo ist die Zukunft des Lichts bereits zum Greifen nah. Auf dem Labortisch des Dresdner Forschers liegt eine vier mal vier Zentimeter große Glasscheibe. Das ultradünne Viereck beginnt zu leuchten, wenn der Professor eine Spannung anlegt und Strom fließt.

Organische Leuchtdioden im Labor des IPMS in Dresden (Foto: DW/Rene Limbecker)
Licht aus hauchdünnen SchichtenBild: DW

Entwickelt wurde diese organische Leuchtdiode (OLED) am Fraunhofer-Institut für photonische Mikrosysteme (IPMS) in Dresden. Dessen Leiter Professor Karl Leo prophezeit den Flächen-Lampen eine leuchtende Zukunft. "Die extremste Vision wäre sozusagen, dass die OLED wie die Tapete an die Decke geklebt wird und dann Licht erzeugt", erklärt der 51-jährige Physiker. Das biete Architekten und Lichtdesignern völlig neue Möglichkeiten. "Man kann zum Beispiel Fenster mit einer Folie nachrüsten, so dass sie gleichzeitig Beleuchtung oder Solarzelle sind."

Ultradünne Energiesparwunder

Seit über zehn Jahren tüfteln die Forscher am IPMS intensiv daran, dass diese Vision Wirklichkeit wird. Schon in sechs bis sieben Jahren soll es soweit sein: Dann könnten OLEDs im Alltag ankommen, sagt der Visionär Leo. Er nimmt das leuchtende Viereck in die Hand, hält es gegen den Himmel, dreht es zu sich und von sich weg. Noch sind allerdings selbst so kleine OLEDs sehr teuer, bis zu 100 Euro das Einzelstück. Das ist natürlich viel zu viel Geld, das weiß auch Leo. "Wir müssen im Bereich Effizienz, Lebensdauer und Preis noch ganz große Fortschritte erzielen, um OLEDs so geläufig zu machen wie die Glühbirne."

Infografik über die Funktionsweise der Organische Leuchtdiode OLED (DW-Grafik: Olof Pock)

Doch die Technologie ist vielversprechend: Die flächigen Lichtquellen strahlen besonders gleichmäßig und um sie herzustellen bedarf es besonders wenig Rohmaterialien. Im Gegensatz zu konventionellen Glüh- oder Energiesparbirnen werden OLEDs nicht heiß. Das macht sie besonders energiesparend, denn dadurch geht keine Energie als Abwärme verloren. "Der Mensch ist seit 100.000 Jahren gewöhnt, dass Licht über Wärme erzeugt wird, also über Feuer, Kerzen oder Glühbirnen", sagt der Erfinder. OLEDs seien deshalb eine Lichtrevolution, weil jetzt zum ersten Mal kalt erzeugtes Licht verwendet werde.

Wie man Kohlenwasserstoffen das Leuchten beibringt

Eine Formel an der Tafel (Foto: DZP/Ansgar Pudenz)
Vom Hörsaal in die FabrikBild: Ansgar Pudenz

In einem Regal neben Karl Leo leuchten OLEDs in weiß, grün und orange. Sie strahlen Licht ab, weil Elektronen sich auf einer beschichteten Glasplatte hin- und herbewegen. Dabei wandern die Elektronen durch mehrere Halbleiterschichten mit organischen Materialien, erklärt der Professor für Optoelektronik von der Technischen Universität Dresden: "Das sind Kohlenwasserstoffe und die bringen wir hier auf Glasscheiben flächig auf", sagt er und zeigt auf einige daumengroße Plastikfläschchen, in denen bunte Farbstoffpulver aufbewahrt werden. "Diese Farbstoffpulver werden in sehr dünnen Schichten aufgedampft". Und sehr dünn, das ist für den Physiker in etwa ein Tausendstel eines menschlichen Haares.

Ähnliche Stoffe, wie die Dresdner Forscher sie nutzen, werden auch beim Färben von Kleidung, in Autolacken oder Fotokopierern eingesetzt. Das knifflige Problem dabei ist, dass solche Kohlenwasserstoffe von Natur aus eigentlich nur sehr schlecht Energie leiten. Damit sie trotzdem Elektronen transportieren, griffen die Dresdener Forscher tief in die Trickkiste: sie mischten den Stoffen gezielt kleine Mengen von Fremdmolekülen bei. Und diese sind im Gegensatz zu ihrer Umgebung Spezialisten beim Transport elektrischer Ladungen. Der Clou: Nur ein Prozent Beimischung kann die elektrische Leitfähigkeit um den Faktor einer Million steigern.

Vom Labor in die Unternehmensproduktion

Farbstoffe bei Novaled (Foto: DW/ Richard Fuchs)
Aus Farbstoffen wird LichtBild: DW

Es waren Karl Leos Doktoranten Martin Pfeiffer und Jan Blochwitz-Nimoth, die die Grundlagen für dieses - Dotierung genannte - Verfahren im Bereich der organischen Elektronik legten. Dabei griffen sie bereits bestehende Theorien aus der Halbleiterphysik auf, um diese entgegen aller Lehrsätze auf neue Forschungsgebiete anzuwenden.

Bis zur Jahrtausendwende wurden die Dresdner Forscher dafür von der Fachwelt belächelt, erst dann kam für die Dotierungs-Methode der Durchbruch, sagt Professor Leo: "Wir haben das in einer stabilen Form eingeführt und gezeigt, dass es in organischen Leuchtdioden sehr gut funktioniert".

Mit den notwendigen Patenten im Gepäck machten sich die Wissenschaftler daran, Unternehmen aus der Dresdner Universität auszugründen. Jan Blochwitz-Nimoth verschrieb sich den OLEDs, Martin Pfeiffer dagegen den organischen Solarzellen. "Leuchtdiode heißt ja, Strom rein und Licht raus", erklärt Martin Pfeiffer. "Solarzellen funktionieren genau umgekehrt".

Von Links: Professor Karl Leo, Martin Pfeiffer und Jan-Blochwitz-Nimoth (Foto: DZP/ Ansgar Pudenz)
Forscher und UnternehmensgründerBild: Ansgar Pudenz

So entstanden zwei Schwesterunternehmen, die beide Märkte bedienen. Seit 2003 verkauft die daraus entstandene Novaled AG ihr Know-how und die Produktionstechnik für OLEDs an Lampenhersteller und Elektronikkonzerne. Seit 2006 tüfteln Ingenieure parallel dazu bei der Heliatek GmbH daran, organische Solarzellen zur Marktreife zu führen.

"Ich bin gerade dabei, die erste Produktionsanlage aufzubauen", sagt Martin Pfeiffer, der inzwischen technischer Geschäftsführer bei Heliatek ist. Beide Unternehmen zusammen beschäftigen bereits rund 200 Mitarbeiter.

Mehr Stabilität, mehr Flexibilität und mehr Fläche

Bildschirm im Showroom des Fraunhofer-IPMS Dresden (Foto: DW/ Rene Limbecker)
Viele Bildschirme bestehen bereits aus OLEDsBild: DW

Zwar ist das Know-how der Dresdner Forscher und Unternehmer weltweit Spitze. Doch die Konkurrenz wächst, vor allem koreanische und japanische Hersteller haben inzwischen bei OLED-Anwendungen wie Displays und Bildschirmen die Nase vorn. Physiker Falk Löser von der Novaled AG sieht dennoch gute Chancen für deutsche Hightech-Unternehmen: "Es geht jetzt darum, OLEDs in den Beleuchtungsmarkt zu bekommen, denn da hat sich noch kein so klares Verhältnis wie beim Display-Markt herausgestellt", sagt Löser.

Damit OLEDs sich am Markt durchsetzen, muss aber auch die Wissenschaft noch ihren Beitrag leisten. In einer Außenstelle des IPMS steht dazu eine neue Pilotanlage, die OLEDs biegsamer und vor allem größer machen soll. Rolle-zu-Rolle heißt das Verfahren, bei dem OLED-Beschichtungen auf Metall- und Plastikfolien gedampft werden. So entstehen bis zu zwei Meter breite Rollen, die schon jetzt endlos lang sein können.

OLEDS im Härtetest bei Novaled Dresden (Foto: DW/ Richard Fuchs)
Schmutz, Wasser oder Staub zerstören die Flächen-LampeBild: DW

Mit einer solch flexiblen OLED könnten viele Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens mehrere Funktionen bekommen. "Abends kann man dann ein Rollo herunterziehen, das auf der ganzen Fläche leuchtet und einen Tageslicht-Eindruck vermittelt, oder man könnte Kleidungsstücke so ausrüsten, dass Menschen in Sicherheitsbereichen ganzflächig leuchten", ist Karl Leo überzeugt.

Sein Ziel ist es, dass langfristig ein Quadratmeter OLED-Folie für unter 50 Euro zu haben sein soll. Das Problem: je größer die Fläche, desto anfälliger werden die leuchtenden OLEDs, denn Schmutzpartikel können dann umso leichter eindringen und die sensiblen Beschichtungen zerstören. Professor Karl Leo ist überzeugt, auch diese Hürde noch zu nehmen. Denn am Ende seiner Forscherlaufbahn will IPMS-Institutsleiter Karl Leo nicht nur den technischen, sondern auch den wirtschaftlichen Erfolg von OLEDs in den Händen halten.

Für ihre Organischen Leuchtdioden haben die Dresdner Forscher und Unternehmer am Mittwoch (14.12.2011) in Berlin den "Deutschen Zukunftspreis" des Bundespräsidenten bekommen. Er ist mit 250.000 Euro dotiert.

Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Fabian Schmidt