1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schwere Bürde

Sabine Hartert-Mojdehi9. Mai 2012

Nach fast 30 Jahren Bürgerkrieg will Sri Lanka nach vorne schauen und die Wirtschaft in Schwung bringen. Doch ohne Aufarbeitung der Vergangenheit könnte die Zukunft schwierig werden.

https://p.dw.com/p/14olw
Sri Lanker feiern Ende des Bürgerkriegs (Foto: AP)
Bild: AP

Sri Lanka tut sich schwer mit der Aufarbeitung seiner langen Bürgerkriegsgeschichte. Der Konflikt, der am 19. Mai 2009 endete, ist zwar offiziell beigelegt, ein Versöhnungsprozess nach dem Vorbild Südafrikas oder Ruandas ist jedoch nicht eingeleitet worden. "Nach fast 30 Jahren Bürgerkrieg, der mit unglaublicher Brutalität geführt wurde und praktisch jeden Sri Lanker betroffen hat", schaue man jetzt nach vorne, sagt Bettina Meier, die die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Sri Lanka vertritt. Nun wolle man wirtschaftlich vorankommen, die Infrastruktur ausbauen und Investoren anziehen. Dass da derzeit wenig Raum für groß angelegte Versöhnungsprozesse bleibt, sieht auch Radu Carciumaru vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg. Hinzu komme eine andere Art, mit der Bürgerkriegsgeschichte umzugehen, die sich durch alle Schichten der Bevölkerung ziehe.

Während man in Deutschland die Nachkriegsgeschichte nach dem Prinzip "Vergeben, aber nicht vergessen" angegangen sei, wollten die Sri Lanker lieber mit "Vergeben und vergessen" in die Zukunft schauen. So interpretierte die Regierung in Colombo zunächst wohl auch den Bericht der Nationalen Wahrheits- und Versöhnungskommission LLRC, der Ende 2011 veröffentlicht wurde. Innerhalb der Regierung war man sich nicht einig, ob und wie, und wenn ja, wie viel von den Empfehlungen des Berichts umgesetzt werden sollte, um die Kluft zwischen Singhalesen und Tamilen zu verringern.

Konflikt mit Tradition

Der Konflikt zwischen der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit der Singhalesen und den hinduistischen Tamilen reicht bis in die Kolonialzeit zurück. Damals wurden hauptsächlich Tamilen, die traditionell eine sehr gute Bildung hatten, in der Verwaltung beschäftigt und daher von den Singhalesen mit der englischen Kolonialmacht identifiziert. Nach der Unabhängigkeit 1948 sollte nach dem Willen nationalistischer Singhalesen sowohl Englisch als auch Tamil aus der öffentlichen Verwaltung verbannt werden. Schon damals gab es erste bewaffnete Proteste seitens der Tamilen und Forderungen nach einer Gebietstrennung. Diese etablierte sich im Laufe des Konflikts und führte dazu, dass der Norden und Osten der Insel mehrheitlich bzw. ausschließlich von Tamilen oder tamilisch sprechenden Muslimen bewohnt wurden.

Flüchtlinge und Sicherheitskräfte (Foto: dpa)
Auf der Flucht vor den tamilischen Rebellen im Januar 2009Bild: picture-alliance/ dpa

Das schlimme Ende des Bürgerkriegs

Im Norden Sri Lankas fanden in den letzten Kriegswochen des Jahres 2009 schwerste Kämpfe zwischen Regierungstruppen und den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) statt und sorgen nun im Versöhnungsprozess für neuen Zündstoff. Geschürt wurde er durch den im britischen Fernsehkanal Channel 4 ausgestrahlten Film "Sri Lanka's Killing Fields", der aus Regierungssicht keine Originalbilder enthält. "Die Dokumentation argumentiert, dass die Luftangriffe der Armee auf Flugverbotszonen absichtlich und gegen jegliche humanitären Gesetze geschehen seien", sagt Alan Keenan, Sri Lanka-Experte bei der Menschenrechtsorganisation "International Crisis Group" im Interview mit der Deutschen Welle. Die von der Regierung in Colombo initiierte Versöhnungskommission dagegen bevorzuge die Lesart, dass Zivilisten keinesfalls absichtlich beschossen worden und bis auf wenige Einsätze alle gesetzeskonform gewesen seien. Für Bettina Meier von der FES ist dieses Eingestehen schon ein großer Schritt, denn bis zur Veröffentlichung des Berichts der Versöhnungskommission im Dezember 2011 hätte die Regierung behauptet, dass es in der Endphase des Krieges kaum oder keine zivile Opfer gegeben habe. Daher biete der Bericht eine einzigartige Chance, jetzt über die Geschehnisse zu sprechen.

Erbeuteter Panzer (Foto: Monika Nutz)
Der Elefantenpass am Übergang zur Halbinsel Jaffna war immer hart umkämpft: Erbeutete Panzer der LTTEBild: Monika Nutz

Laut verschiedenen Menschenrechtsorganisationen sollen in den letzten Kriegsmonaten um die 40.000 Menschen getötet worden sein. Während die Armee Luftangriffe auf Flugverbotszonen geflogen haben soll, sieht sich die LTTE den Vorwürfen ausgesetzt, Menschen als lebende Schutzschilde missbraucht zu haben. Der Streit um die Menschenrechtsverletzungen und der Vorwurf von Kriegsverbrechen durch beide kriegführenden Parteien führten letztlich zu der Resolution des UN-Menschenrechtsrates am 22. März 2012. Darin wird Sri Lanka aufgefordert, binnen eines Jahres die Verbrechen der Bürgerkriegszeit aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Hilfestellung von außen unerwünscht

Nicht nur die Regierung in Colombo, sondern auch viele Sri Lanker haben gegen diese Resolution protestiert und sie als Einmischung in innersrilankische Angelegenheiten bezeichnet. Radu Carciumaru von der Universität Heidelberg führt das darauf zurück, dass man in Sri Lanka die jüngsten Interventionen eher als eine Art Unterstützung der LTTE-Position betrachtet und sie daher nicht zu einer Lösung der Probleme beitrügen. Meier sieht es im DW-Gespräch ähnlich: "Es wird darauf gepocht, dass es eine srilankische Lösung gibt und nicht eine von internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen oder anderen Ländern aufgezwungene Aufarbeitung."

Demonstration von Regierungsanhängern in Sri Lanka (Foto: dapd)
Anhänger der Regierung demonstrieren in Colombo gegen die UN-ResolutionBild: dapd

Auch wenn die Regierung empfindlich auf die Resolution reagiert hat, so ist sie sich doch bewusst, dass sie handeln muss. Die Koalitionsparteien im Parlament sollen nun eine Stellungnahme zum Bericht der nationalen Versöhnungskommission vorlegen, damit dessen Empfehlungen umgesetzt werden können. Dem Westen käme dann möglicherweise die Rolle eines Korrektivs zu, der den Aussöhnungsprozess mit viel Fingerspitzengefühl begleitet. Für Keenan ist nun das Wichtigste, dass die Regierung das Problem angeht und dafür sorgt, dass Menschenrechtsverletzungen, Gewalt- und Gräueltaten restlos aufgeklärt werden. Man könne derartige Erfahrungen nicht einfach wegstecken und ohne weitere Konsequenzen vergessen.