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USA vor Produktionsboom?

Christina Bergmann, Washington 3. April 2013

Für die US-Wirtschaft galt lange: Dienstleistung ist alles, Industrie nichts. Über Jahre wurden Fabriken geschlossen oder ins Ausland verlagert. Nach der Finanzkrise könnte die klassische Industrie ein Revival feiern.

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General Motors-Werk in Ohio (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Es ist ein rosiges Bild, das die Studie des Aspen-Instituts zeichnet: Wirtschaftswachstum, mehr Arbeitsplätze, ein höherer Lebensstandard, eine ausgeglichene Handelsbilanz. Und das alles verursacht durch einen Boom in der klassischen Industrieproduktion.

"Wir legten unseren Berechnungen die Annahme zugrunde, dass der Anteil der verarbeitenden Industrie am Bruttoinlandsprodukt 15 Prozent beträgt", erklärte Tom Duesterberg, Direktor des Programms "Fertigungswirtschaft und Gesellschaft im 21. Jahrhundert" des Aspen Instituts in Washington, "so wie vor den drei großen Rezessionen, der Dotcom-, der Nine-Eleven- und der Großen Rezession". Derzeit trägt das produzierende Gewerbe rund zwölf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei.

Die Studie blickt nun in das Jahr 2025. Sie sagt für die USA 3,7 Millionen Arbeitsplätze mehr in der verarbeitenden Industrie voraus - verglichen mit einer Situation, in der alles so weiterläuft wie bisher. Außerdem prophezeit sie einen Produktionsausstoß, der um 1500 Milliarden Dollar höher ist, ein entsprechendes Wachstum des Bruttoinlandsprodukts sowie eine positive Handelsbilanz, die schon 2024 erreicht sein wird. Der Anteil des Dienstleistungsgewerbes und der öffentlichen Dienste am BIP geht entsprechend zurück, ihr Wachstum verlangsamt sich.

Fertigungstraße in einem VW-Werk in den USA (Foto: AP)
Lange totgesagt - Autoproduktion in den USABild: AP

Internationale Handelsabkommen abschließen

Mehrere Faktoren können zum Boom des produzierenden Gewerbes beitragen, erläuterte Tom Duesterberg. Dazu gehören günstigere Strompreise, vor allem durch den verstärkten Abbau von Erdgas. Günstigere Strompreise wiederum würden sich positiv auf den Export auswirken, denn die Zunahme im Export werde getrieben durch energieintensive Bereiche wie die chemische Industrie, das Metall produzierende Gewerbe und die Stahlindustrie. Außerdem würden der Abbau von Vorschriften und Gesetzen, geringere Steuern für kapitalintensive Herstellung, und die internationale Angleichung von Standards die klassische Industrieproduktion ankurbeln.

Hier sind also die Gesetzgeber gefragt: Die Studie empfiehlt in vielen Bereichen, den bereits eingeschlagenen Weg weiterzugehen: Die begonnenen Gespräche über Freihandelszonen mit Asien (TPP) und Europa zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, den verstärkten heimischem Abbau von Öl und Gas beizubehalten. Das nationale Stromnetz zu renovieren und auszubauen, damit verstärkt auch Wind- und Solarenergie eingespeist werden können, Regeln zu vereinfachen, Ausbildung zu verstärken, Unternehmenssteuern an den OECD-Durchschnitt anzugleichen, staatliche Forschung zu stärken.

Politische Überzeugungsarbeit leisten

Das sind keine neuen Vorschläge, doch die Umsetzung ist schwierig, wie Ronald D. Bullock, Vorsitzender von Bison Gear & Engineering, der DW erläuterte. "Es wird eine Menge politische Überzeugungsarbeit brauchen, bis sich die Gesetzgeber bereit erklären, diese vernünftigen Maßnahmen umzusetzen, um die Wirtschaftslage zu verbessern." Demokraten und Republikaner wären zu sehr auf Konfrontationskurs: "Sie verbeißen sich zu sehr in eher unwichtige politische Kämpfe, anstatt eine gemeinsame Linie zu finden und die Lage zu verbessern." So wie in den 80er Jahren, als der republikanische Präsident Ronald Reagan zusammen mit Politikern der Demokratischen Partei durch eine Steuerreform die Grundlage für mehr als ein Jahrzehnt Wirtschaftswachstum gelegt habe, ergänzte er.

Frau arbeitet an einem Teppich (Foto: DW)
Selbst Teppiche werden in den USA produziertBild: DW

Was besonders wichtig sei: die Ausbildung zu verbessern. Firmen in den USA haben immer wieder Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden. "Da bekommen wir gute Tipps von unseren Freunden in Deutschland", sagt Bullock, dessen Firma in St. Charles, Illinois, 270 Mitarbeiter beschäftigt, "vor allem was Lehrlingsausbildung angeht. Programme für Mechatroniker oder die Ausbildung für technische Berufe sind gute Beispiele für uns in den USA, denn davon sind wir ziemlich abgekommen".

95 Prozent des Absatzmarktes sind außerhalb der USA

Auch Chad Moutray, Chefökonom der Nationalen Vereinigung der Fertigungswirtschaft, beklagt die Skepsis, die seinem Wirtschaftszweig begegnet: "Das produzierende Gewerbe hat immer noch ein negatives Image, besonders unter Akademikern." Es gilt noch immer als laut und schmutzig, ein Job für die weniger gut Ausgebildeten. Doch das hat sich inzwischen geändert, hochtechnisierte Arbeitsplätze verlangen qualifizierte Arbeiter. Und die Zahl der Arbeitsplätze nimmt zu. "Der Präsident hat das verstanden, aber bei vielen anderen Politikern in Washington ist das nicht so", meinte auch Moutray im Gespräch mit der DW.

Die Studie des Aspen-Instituts hält er für ein gutes Instrument, diesen Politkern vor Augen zu führen, "was wäre, wenn". "Sie ermöglicht uns darüber zu diskutieren, was die Gesetzgeber dazu beitragen können, um zu diesem Ergebnis zu kommen." Doch damit die Vorhersagen des Aspen-Instituts eintreffen können, sind die USA nicht nur auf Partner wie asiatische Länder oder die EU zum Abbau von Handelsschranken angewiesen, sondern auch auf eine robuste globale Wirtschaft. "Der Rest der Welt muss unsere Waren kaufen. Viel hängt also davon ab, dass wir die internationale Wirtschaft wieder ankurbeln", betonte der Ökonom.

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