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Zum Deutsch lernen in den Kindergarten

31. Mai 2011

Fast alle Bundesländer machen Deutsch-Tests für Kinder unter sechs Jahren. Doch die Förderprogramme bringen wenig. Im Kindergarten-Alltag lernen die Kleinen offenbar am besten Deutsch. Besonders Migranten-Kinder.

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Kinder brauchen andere Kinder und Erwachsene, die mit ihnen Deutsch sprechen: drei Kinder lehnen sich über einen Baumstamm
Kinder brauchen andere Kinder und Erwachsene, die mit ihnen Deutsch sprechenBild: Fotolia/Lucky Dragon

Donnerstagvormittag in der Kindertagesstätte Rheinaue in Bonn. Sanni, Julia und Paul spielen Zoo-Memory: "Julia, was ist das denn?", fragt Erzieherin Stephanie Lindlahr. "Eine Kuh", weiß das Mädchen. Ihre Spielkameraden entdecken noch ein Schwein und erfahren, dass der große Vogel auf einer der Holzkarten ein Pfau ist. Stephanie Lindlahr freut sich.

Im Kindergarten wird Deutsch gesprochen

Bei der Suche nach dem passenden Tierpärchen üben die drei Kinder zwischen zwei und drei Jahren ganz nebenbei ihr Deutsch. Sannis Eltern sind Franzosen, Julias Eltern kommen aus China und Paul hat Deutsch als Muttersprache. In der Kita Rheinaue werden Kinder ab dem 4. Lebensmonat bis zur Einschulung mit sechs Jahren betreut. Von 70 Familien haben fast 40 einen Migrationshintergrund, sie sind aus der ganzen Welt zum Studieren nach Bonn in Nordrhein-Westfalen (NRW) gekommen. Der Kindergarten wird vom Studentenwerk in Bonn betrieben.

Das Konzept für diese Kinder ist einfach: Zuhause mit ihren Eltern lernen sie ihre Muttersprache. Und in der Kindertagesstätte - kurz Kita - lernen sie Deutsch. Von Vorteil sei dabei, dass die Kleinen meist deutlich vor dem dritten Lebensjahr einen Platz in der Kita bekommen, sagt Jutta Deißler, Erzieherin und Leiterin des Hauses.

Sprachtests sollen die Deutschkenntnisse feststellen

Zwei Mädchen malen Bilder(Foto: Fotolia/ChristArt)
Kita-Alltag: malen, spielen, sprechen inklusiveBild: Fotolia/ChristArt

Zielgruppe von Sprachtest und anschließendem Förderangebot sind Kinder mit Migrationshintergrund. Sie sprechen Deutsch oft nicht als Erstsprache. Es soll gesichert werden, dass bis zur Einschulung jedes Kind genug Deutsch spricht, um am Unterricht teilnehmen zu können.

In Deutschland gehen rund 85 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen aus Migrantenfamilien in eine Kita oder andere Tagesbetreuung. Bei deutschen Kindern sind es laut Statistischem Bundesamt sogar 95 Prozent. Bei Kindern unter drei Jahren liegt der Anteil beider Gruppen aber wegen der fehlenden Plätze deutlich niedriger.

Unterschiedliche Verfahren

NRW war 2007 das erste Bundesland, das einen Sprachtest eingeführt hat, der bereits zwei Jahre vor der geplanten Einschulung der Kinder gemacht wird. Heute gibt es in 14 Bundesländern 17 verschiedene Verfahren. Die Bandbreite reicht von freiwilligen Tests in Hessen bis zu Pflichttests für alle Kinder in NRW. In Bayern hingegen müssen Kinder ihr Deutsch nur dann testen lassen, wenn mindestens ein Elternteil einen Migrationshintergrund hat. Mal wird zwei Jahre, mal ein Jahr vor dem Schulstart zum Test geladen.

Trotz der Bandbreite der Sprachtests: Kinder mit Migrationshintergrund würden fast überall getestet, weiß Andrea Lisker, Expertin für vorschulische Sprachstandserhebung für das Deutsche Jugendinstitut. Nur in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern gibt es keine Deutsch-Tests.

Wie viele der Kinder mit Migrationshintergrund nach einem Sprachtest eine Förderung benötigen, ist hingegen nicht bekannt. "Danach haben wir gefragt", sagt Lisker vom Deutschen Jugendinstitut. "Aber es wurde von den wenigsten Bundesländern zurückgemeldet. Manchmal aus Datenschutzgründen. Aber meist, weil es gar nicht so differenziert vermerkt wurde."

Lisker hat Sprachtest und -förderung in den Bundesländern für das Deutsche Jugendinstitut in zwei Expertisen zusammengefasst. Die Ergebnisse gehen auch in den Nationalen Bildungsbericht des Bundesfamilienministeriums ein.

Verschiedene Förderangebote in den Bundesländern

So unterschiedlich wie die Tests, so verschieden ist auch die anschließende Deutsch-Förderung für die Kinder in den einzelnen Bundesländern. Bayern beispielsweise finanziert in 18 Monaten bis zu 240 Stunden. In Brandenburg hingegen bekommen Kinder drei Monate lang jeden Tag eine halbe Stunde Deutsch-Förderung.

Im Kindergarten lernen die Kleinen spielerisch Deutsch (Foto: Fotolia/Monkey Business)
In Kindergärten lernen die Kleinen spielerisch DeutschBild: Fotolia/Monkey Business

Einzelne Studien über den Erfolg der Deutschprogramme liefern allerdings ernüchternde Ergebnisse. "Kinder, die zusätzlich mit speziellen Programmen gefördert wurden, hatten nicht mehr Lernzuwachs als die Kinder, die im Kindergartenalltag durch die Erzieherinnen in ihrer täglichen Arbeit gefördert wurden", weiß Liska. In einigen Bundesländern werde darum diskutiert, ob man die Förderprogramme verbessern müsse, oder ob das Geld für Sprachtests und Förderangebote nicht besser gleich für die alltagsintegrierte Sprachförderung in den Kindergärten ausgegeben werden sollte.

Ein Beispiel dafür bietet die Kita Rheinaue in Bonn, in der die Sprachförderung zu den Aufgaben der Erzieherinnen und Erziehern gehört.

Besseres Deutsch durch Kita-Alltag?

Anette Stein ist Expertin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann-Stiftung. Sie hat dazu eine klare Meinung: "Sprache lernt man durch Sprechen." Deshalb bräuchten Kinder nicht nur Kinder, sondern möglichst Erzieherinnen und Erwachsene, die mit ihnen reden. "Das wiederum hat viel mit der Qualität von Einrichtungen zu tun. Wie groß ist der Personalschlüssel?", meint Stein. "Die beste Sprachförderung findet im Alltag von Kindertageseinrichtungen statt. Und nicht in zusätzlichen Sprachförderprogrammen."

Es müssen aber auch genug Kita-Plätze vorhanden sein. Es gebe nicht in allen Bundesländern genug für alle Kinder ab drei Jahren, weiß Stein von der Bertelsmann-Stiftung. In manchen Bundesländern ist die Vergabe eines Kita-Platzes zudem von der Berufstätigkeit der Eltern abhängig. "Jemand, der arbeitslos ist oder minimal arbeitet, bekommt maximal einen halben Kita-Platz. Und das sehen sie dann auch an den Quoten der Kinder", sagt Stein.

Barrieren abbauen

Neben der Verfügbarkeit von Plätzen müssten zudem Barrieren abgebaut werden, die verhinderten, dass Eltern mit Migrationshintergrund einen Kita-Platz bekommen bzw. ihre Kinder anmelden. Aus Sicht von Stein sind das beispielsweise versteckte Gebühren - etwa für Mittagessen. "Wir haben ja in Deutschland die Situation, dass Migrantenfamilien häufig gekoppelt sind mit dem Thema Armut."

Sanni, Julia und Paul aus Bonn haben Spaß beim Memory-Spiel. Nach der ersten Runde wollen sie gerne noch eine spielen. Sie wissen noch nicht, dass sie Glück haben, weil in der Kita Rheinaue ihre Erzieherin auch dafür Zeit hat.

Autorin: Klaudia Prevezanos
Redaktion: Hartmut Lüning