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Zum Forschen nach Deutschland

Suzanne Cords6. April 2013

Jeder zehnte Forscher hat einen ausländischen Pass. Ein Spitzenruf, gute Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt ein ausreichender Bildungsetat locken Wissenschaftler aus aller Welt an deutsche Universitäten.

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Prof. Sanjay Mathur und Studentin im Labor an der Uni Köln Foto: DW/Suzanne Cords, März 2013
Bild: DW/S. Cords

Die trübe Lauge brodelt, als Dr. Sanjay Mathur den chemischen Versuch startet. Wenn der Professor selbst ins Labor geht, stehen wichtige Forschungsreihen im Bereich erneuerbare Energien an. Der Inder leitet den Lehrstuhl für Anorganische Chemie an der Universität zu Köln und gilt in seinem Fach als Koryphäe.

1994 kam er als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung nach Deutschland und blieb – trotz aller verlockenden Jobofferten aus seiner Heimat. "Ich fühle mich einfach hier im System zuhause, habe meine Netzwerke hier, meine Kontakte. Ich glaube, ich kann viel mehr für Indien aus Deutschland tun als wenn ich in Indien wäre", ist er überzeugt, denn er versteht sich als Vermittler zwischen den beiden Kulturen.

Doch das ist nicht der einzige Grund. Die Programme an deutschen Universitäten seien extrem freundlich für ein Forscherleben, ergänzt er. "Ich bin selbst auch in vielen Teilen dieser Welt unterwegs und kann sagen: Die Freiheit, die man hier hat, ist einmalig und unbezahlbar."

Ein attraktiver Standort

Der Inder ist nicht der einzige, der Deutschland als Forschungsstandort zu schätzen weiß. Das ist das Ergebnis einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Im Jahr 2011 arbeiteten rund 22.500 aus aller Welt an deutschen Universitäten. Vor allem nach Beginn der Weltwirtschaftskrise 2008 entdeckten immer mehr Wissenschaftler weltweit die Vorzüge deutscher Hochschulen. Ihre Zahl stieg binnen fünf Jahren um mehr als ein Drittel. Das liegt wohl auch daran, dass Deutschland vergleichsweise gut durch die Krise kam und den Bildungsetat sogar weiter ausbaute. Zusätzlich spült die Exzellenzinitiative frisches Geld in die Kassen ausgewählter Universitäten.

Schild Welcome Center an der Uni Köln Foto: DW/Suzanne Cords,
Anlaufstelle für ausländische ForscherBild: DW/S. Cords

Allerdings sei Deutschland auch schon vorher ein attraktiver Standort für viele Forscher gewesen, meint Katrin Pieper vom Welcome Center für Gastwissenschaftler. "Deutschland ist, was Forschung angeht, in ganz vielen Bereichen an der Spitze, das ist weltbekannt; und dementsprechend streben viele Forscher danach, hierher zu kommen."

Sparmaßnahmen im Ausland

Die meisten Wissenschaftler kommen aus der EU und hier aus osteuropäischen Ländern, gefolgt von Chinesen, Indern und erstaunlicherweise auch US-Amerikanern, denn im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gab es massive Einschnitte im Forschungsetat. Der Doktor der Philosophie Brendan Balcerak Jackson aus Chicago ist froh, jetzt in Deutschland arbeiten zu können.

Der amerikanische Philosophie-Professor Brendan Balcerak Jackson liest ein Buch Foto: DW/Suzanne Cords
Philosophieprofessor Jackson lebt sehr gern in DeutschlandBild: DW/S. Cords

 "Speziell auf meinem Gebiet ist es in Deutschland viel einfacher, unabhängige Forschungsgelder zu bekommen als in den USA", sagt er. Was Deutschland außerdem attraktiver als andere EU-Länder wie zum Beispiel Frankreich oder Spanien mache, sei die Tatsache,  dass man hier auch im Alltag gut mit Englisch durchkomme.  

Vier Jahre lang ist Jackson schon in Deutschland, am liebsten würde er für immer blieben. So weit möchte die britische Geologin Judd Coggon nicht gehen, aber im Moment genießt sie ihren Aufenthalt in Bonn: "Als ich meinen Abschluss in England gemacht habe, gab es in meinem Bereich keinen Job für mich", erzählt sie. "Unsere Regierung hat in meinem wissenschaftlichen Feld starke Einsparungen vorgenommen, in Deutschland ist da auf jeden Fall mehr Geld zur Verfügung."

Jude Coggon arbeitet in einem internationalen Team und weiß zu schätzen, dass sie so viele unterschiedliche Sichtweisen kennenlernt. Auch die Masterstudenten, denen Jude Coggon geologische Kniffe beibringt, profitieren von der Muttersprachlerin, denn mit ihr können sie ihre Sprachkenntnisse verbessern. Immerhin werden an deutschen Universitäten immer mehr Studien auf Englisch veröffentlicht.

Die englische Geologin Dr. Jude Coggon in Bonn (am Rhein), Sommer 2012; Copyright: privat
Jude Coggon untersucht SteinstrukturenBild: privat

Mobilität ist gefragt

Auch Professor Sanjay Mathur beschäftigt Mitarbeiter aus 13 verschiedenen Ländern in seinem Team. "Als Wissenschaftler spielt die Mobilität eine enorm große Rolle, weil die Projekte immer internationaler werden und die Forschung sehr interdisziplinär ist", betont er. Längst seien Förderprogramme, die internationalen Netzwerke unterstützen, gang und gäbe, vor allem in Deutschland.

Wissenschaftler aus aller Welt arbeiteten schon vor 150 Jahren zusammen, so der Professor, doch in Zeiten der Globalisierung und des Internets sei das zunehmend einfacher geworden – und selbstverständlicher. Als internationaler Botschafter der Universität Köln setzt er sich verstärkt für eine Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg ein. "Ich unterscheide zwischen Internationalität und Internationalisierung. Internationalität kann man in Zahlen ausdrücken, aber Internationalisierung ist für mich eine Philosophie oder ein Gefühl."

Professor Dr. Sanjay Mathur, Leiter der Anorganischen Chemie an der Uni Köln Foto: DW/Suzanne Cords
Professor Sanjay Mathur ist internationaler Botschafter der Uni KölnBild: DW/S. Cords