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Zum Studium gekommen und geblieben

Anna Bakovic15. September 2004

Rund 61.000 ausländische Studenten fangen im Oktober an den deutschen Unis an. Wenn es ihnen gefällt, werden sie nach dem Studium vielleicht sogar bleiben. Wie der Kroate Branimir Cuturic und die Serbin Svetlana Ressel.

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Viele junge Ausländer möchten gerne in Deutschland studierenBild: dpa

Sie waren nicht gezwungen, das ehemalige Jugoslawien zu verlassen. Sie haben auch nicht gegen das kommunistische Tito-Regime gekämpft. Sie mussten nicht fliehen und kein Asyl beantragen. Svetlana Ressel und Branimir Cuturic kamen schon Anfang der 1970er-Jahre nach Deutschland, weil es ihnen in der eigenen Heimat schlicht zu eng geworden war. Deswegen ging die eine von Serbien nach Münster, der andere von Bosnien nach Nürnberg.

Frei reden, frei fühlen, frei bewegen

Für Branimir Cuturic aus der bosnischen Stadt Zenica war Deutschland kein unbekanntes Land. Sein älterer Bruder Dragan arbeitete als Seelsorger für kroatische Migranten in der Nähe von Heidelberg. Branimir Cuturic besuchte ihn in den Schulferien, besserte mit Ferienjobs sein Taschengeld auf und lernte nebenbei ganz gut Deutsch.

Nach der Niederschlagung einer Protestbewegung in seiner Heimat - dem so genannten Kroatischen Frühling - fasste er 1971 den Entschluss, seinem Bruder nach Deutschland zu folgen. Als Kroate aus dem Bundesland Bosnien-Herzegowina gab es für ihn in der Heimat keine Perspektive: "Die Kroaten sind da einerseits Minderheit, andererseits wurden sie als politisch Andersdenkende erklärt; als Nationalisten, als Chauvinisten oder Staatsfeinde." Außerdem wollte er sich, auch in Bezug auf sein Studium, frei fühlen, frei reden und frei bewegen.

Deutsche Ordnung und Verlässlichkeit

Svetlana Ressel beschloss aus anderen Gründen, aus der serbischen Hauptstadt Belgrad in die Universitätsstadt Münster umzusiedeln. Deutschland, das war für sie das Land der Mathematiker und Philosophen, in dem sie sich den Eintritt in die Welt der Wissenschaft erhoffte. Sie kam in einer deutschen Familie unter, wo es ihr leicht fiel, die deutsche Sprache zu lernen. Erfahrungen von Diskriminierung kennt sie nicht: "Ich habe nie das Gefühl gehabt, Anfang der 1970er-Jahre, dass mir jemand feindselig gegenüberstand oder mich feindselig behandelt hätte."

Nicht nur als Studentin, auch später in ihrem Beruf als Slavistik-Dozentin an der Universität Heidelberg, hat sie sich dank der weltweit bekannten "deutschen Ordnung" sehr wohlgefühlt: "Ich bin ein ordnungsliebender Mensch - dieses Geregeltsein lässt mir viel Raum für meine eigene Kreativität, für meine eigene Entwicklung." Neben der Korrektheit und Verlässlichkeit schätzt Svetlana Ressel an Deutschland auch die Gastfreundlichkeit und das gemäßigte Klima. Trotz einiger Veränderungen der "typisch deutschen" Tugenden während ihres 33-jährigen Aufenthalts bleibt Deutschland das Land ihrer Wahl, meint die heute 53-Jährige.

Ein typisch deutsches Leben

Auch Branimir Cuturic hat diese Wahl schon während des Studiums getroffen. Er heiratete eine Deutsche, bekam zwei Kinder und baute ein Haus im fränkischen Fürth. Von seinem Lehrergehalt zahlte er die Hypothek ab, in der Garage steht ein VW-Passat. Branimier Cuturic lebt wie viele andere Familien in Deutschland: Strebsam und ein beschauliches bürgerliches Leben vor Augen. Auf die regelmäßigen Treffen mit Landsleuten in kroatischen Vereinen möchte er allerdings nicht verzichten: "Ich fühle mich so wie damals, ich lebe jetzt nur größtenteils zwischen Deutschen. Ich sehe und fühle nicht, dass etwas von meiner Identität verloren gegangen ist."

Nicht nur im Herzen, auch auf dem Papier ist der 54-Jährige noch Kroate, denn einen deutschen Pass hat er nicht. Er fühle sich so komplett integriert und habe auch keine Probleme, was den deutschen Arbeitsplatz betrifft. Den Lebensabend in seiner alten Heimat zu verbringen, kann sich Cuturic trotzdem vorstellen - schließlich sei das Klima da besser.