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Michael Brückner2. Juni 2003

Kunst und Kultur sind zweifellos auf internationalen Austausch angewiesen. Doch müssen sie deshalb gleich zur Handelsware auf dem globalen Marktplatz verkommen?

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Tanzvorführungen als internationale HandelswareBild: Ray Volkmann

Viele Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) - allen voran die USA - wollen so genannte kulturelle Dienstleistungen allein den Gesetzen des freien Marktes überlassen und diesen Markt dann weltweit möglichst grenzen- und schrankenlos gestalten.

In den so genannten GATS-Verhandlungen (General Agreemeent on Trade in Services / Allgemeines Abkommen über Handel mit Dienstleistungen) wird darüber in den nächsten Monaten verhandelt. Bis Ende März müssen die Wünsche und Forderungen der einzelnen WTO-Mitglieder in Genf eingegangen sein, am 1. Januar 2005 soll das Abkommen in Kraft treten.

Der "Stärkere" soll siegen

Aus Sicht der streng wirtschaftsliberalen USA, für die schon die öffentliche Subventionierung eines Opernhauses eine Art "kommunistischen Sündenfall" darstellt, sind die meisten staatlichen Initiativen im kulturellen Bereich unerlaubte Eingriffe in den freien Markt. Denn sie bevorzugen einzelne Anbieter und benachteiligen andere. Das Stichwort, unter dem über solche Ungleichbehandlungen gesprochen wird, heißt im Verhandlungsdeutsch "Meistbegünstigung".

Ginge es nach der WTO, müssten auch im Kultur-Bereich alle das Gleiche bekommen, oder niemand etwas. Konkret hieße das: Wird in Frankreich oder in Nordrhein-Westfalen ein Kinofilm direkt oder indirekt gefördert, dann müsste die nächste Hollywood-Produktion, die in diesen Ländern in die Kinos kommt, dieselbe Förderung erhalten.

Da diese Maximalforderungen bei den GATS-Verhandlungen wohl kaum so durchzusetzen sind, versucht man es auf eleganterem, um nicht zu sagen verschleiertem Wege: Grundsätze sollen aufgestellt werden, die für alle Bereiche des Handels gelten. Und Kunst und Kultur sollen eben zur "kulturellen Dienstleistung" umetikettiert werden, für die dann alle Bestimmungen gelten, genauso wie für Dosenfisch oder Versicherungspolicen.

Eine Liste von Ausnahmen soll die alten Einrichtungen Europas schützen, doch diese Liste soll starr sein. Das käme einer Liberalisierung durch die Hintertür gleich, so Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats im Gespräch mit DW-WORLD. "Dann dürfte nichts Neues mehr gefördert werden, wo Kultur sich doch ständig weiterentwickelt".

Ein Spielball der Diplomatie?

Doch die einzelnen Länder der EU sind noch nicht einmal direkt an den Verhandlungen in Genf beteiligt: Das Mandat hat die EU-Kommission in Brüssel. Auf Bestreben Frankreichs und der deutschen Kulturminister wird die Kommission von sich aus keine Liberalisierungsangebote für den Kultur- und Medien-Bereich vorlegen.

Doch am Ende, wenn die Zeit drängt, wird es vermutlich eine Paketlösung geben. Da wird dann im Extremfall mit der Fischfangquote und Versicherungsfreiheit gegen Kulturförderung gepokert. Und bei diesen Verhandlungen ist dann kein Vertreter eines Kulturministeriums anwesend, geschweige denn die Öffentlichkeit.

Vor allem die fehlende Transparenz der GATS-Verhandlungen beunruhigt und verärgert sogar Regierungsvertreter: Hinter vorgehaltener Hand bezeichnen einige von ihnen die Informationspolitik der EU-Kommission und der WHO als "sehr bedenklich" und die Prozedur der Verhandlungen "demokratisch mehr als fragwürdig".