1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zum Weltfrauentag in den postkommunistischen Ländern

9. März 2006

In vielen postsowjetischen Ländern war und ist der 8. März, der internationale Frauentag, ein staatlicher Feiertag. Heute blicken Frauen in Ost- und Südosteuropa mit gemischten Gefühlen auf das Datum und seine Bedeutung.

https://p.dw.com/p/85sG
Clara Zetkin initiierte 1911 den Internationalen FrauentagBild: dpa

In den postkommunistischen Ländern ist der 8. März als internationaler Frauentag bekannt und wird als solcher gefeiert. Wie damals soll auch heute an diesem Tag gezeigt werden, dass die Frau geachtet wird. Damals organisierte die Partei die Feste und für jede Frau gab es Blumen, meistens rote Nelken. An diesem Tag wurden Ausflüge organisiert, im Radio und Fernsehen gab es massenhaft Sendungen, die die Rolle der Frau in heroischer Pose als Kriegerin, Mutter, oder Arbeiterin dargestellten.

Frau und Mutter im Mittelpunkt

Die bulgarische Journalistin Antoaneta Nenkova schaut ins Familienalbum: "Auf dem einen Foto sieht man mich in einer weißen Bluse mit Pfadfindertuch um die Schultern in einer Gruppe von zehn Kindern. Wir gehörten der Front des Vaterlandes an, in deren Namen wir den Müttern und Frauen, den Heldinnen der Arbeit, gratulierten, indem wir auf den Festen in den Fabriken gesungen und Gedichte aufgesagt haben. Auf dem zweiten Foto aus den Jahren des Übergangs sieht man meine Familie. Im Wohnzimmer meiner Eltern ist die Familie versammelt. Auf dem Tisch sind viele Blumen, Tulpen, Freesien, Schneeglöckchen. Meine Kinder schenken mir Blumen, ich beschenke meine Mutter. Wir feiern die Mutter, die Frau, gedenken der Familie."

Gefeiert wird also auch heute noch - aber eben nicht mehr staatlich organisiert. Eher bescheiden im Rahmen der Familie wie in Bulgarien, in einigen Ländern treffen sich die Frauen auch im Restaurant oder zur fröhlichen Kneipentour.

Chancengleichheit als kommunistische Propaganda

Der Glanz, der früher über den Heldinnen der Arbeit und der Familie schien, war jedoch oft nur schöner Schein. Die öffentlich verkündete Chancengleichheit gehörte zur kommunistischen Propaganda der Regime, verkündet von grauen Herren, in grauen Männerrunden. In einigen Ländern wie z.B. Rumänien und Polen haben die Frauen den 8. März sogar abgelehnt - wie vieles was von der Sowjetunion verordnet bzw. übertragen werden sollte.

Institutionell und rechtlich haben die Frauen während des Kommunismus zwar Fortschritte gemacht. Doch in der Praxis sahen die dann oft ganz anders aus, erinnert sich die Chefredakteurin der serbischen Nachrichten-Agentur Beta, Ljubica Markovic. Trotzdem ist sie froh, dass nicht alles zurückgedreht wurde: "Einiges von dem, was damals, in den früheren kommunistischen Ländern, für die berufstätige Frau und ihre Rechte erreicht wurde, wie z.B. Schwangerschaftsurlaub, Schutz des Kindes usw., hat bis heute überlebt. Das ist gut so und sichert uns eine bessere Position gegenüber Frauen in anderen Ländern", meint Ljubica Markovic.

Diese Meinung vertritt auch die Katarina Kolozova, Dozentin der Universität in Skopje: "Im Zwanzigsten Jahrhunderts sind die nominalen Rechte der Frauen erreicht worden, besonders in der westlichen Welt in Europa. Dabei müssen wir betonen, dass in Osteuropa dies viel eher geschehen ist, wegen der marxistisch-ideologischen Gleichberechtigung der Geschlechter."

Bedeutungswandel

Heute ist der 8. März in den osteuropäischen Ländern auf eine sonderliche Art zum Muttertag bzw. zum Ehefrauentag geworden. Die Kinder, die Partner, die Freunde beschenken die Frauen. Dies hat wenig zu tun mit der ursprünglichen Idee des 8. März. Der Frau begegnet weiterhin Gewalt, sie wird Opfer von Frauenhandel und es gibt immer weniger Arbeitsplätze für die Frauen. Durch die schlechte wirtschaftliche Lage entstehen neue Phänomene. In den ländlichen Gebieten bleiben immer mehr Frauen zu Hause und verrichten dort die schwersten Arbeiten. Der Mann verdient das Geld, die Frau hat keine Einkünfte - dadurch gerät sie in totale Abhängigkeit. In den Dörfern gelten noch die alten Gesetze, nach denen der Mann die Frau noch immer knechtet."

Die Feierlichkeiten zum 8. März - so sieht es Katarina Kolozova - haben das traditionelle Bild der Frau als Mutter, als Gebärende, als fürsorgliches, zartes Wesen, das für die Familie sorgen soll, eher verfestigt. Ein Frauenbild, das vor allem zum Erhalt der patriarchalischen Ordnung beigetragen hat, anstatt diese zu verändern.

Dies aber wird in den postkommunistischen Ländern am Internationalen Frauentag eher nicht diskutiert. Auch wenn viele Länder in Osteuropa die internationalen Frauenrechtsabkommen der Vereinten Nationen unterzeichnet haben - umgesetzt sind sie noch lange nicht.

Nada Steinmann
DW-RADIO/Mazedonisch, 8.3.2006, Fokus Ost-Südost