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Moderne Sklaverei

19. Juni 2008

Illegale Einwanderer, aber auch immer mehr Einheimische geraten in Russland in Sklaverei. Gründe dafür sind Experten zufolge eine mangelhafte Umsetzung von Gesetzen, Korruption und eine schwache Bürgergesellschaft.

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Wenige Fälle werden aufgedecktBild: DW-TV

Vor drei Jahren, als der Begriff "Sklaverei" der russischen Gesetzgebung noch fremd war und darüber nicht gesprochen wurde, stufte das UN-Zentrum für internationale Verbrechensverhütung (CICP) Russland als eines der führenden Länder ein, in dem Sklaverei stattfindet. Diese beschränkt sich Experten zufolge nicht mehr nur auf die Sex-Industrie. Heute gebe es Zwangsarbeit in Haushalten, Sklaverei aufgrund von Verschuldung, Ausbeutung von Menschen als Organspender, Zwangsheirat, Zwangsschwangerschaft und Bettelei.

Sklaverei nicht überwunden

Obwohl in Russland ein Gesetz verabschiedet wurde, das Zwangsarbeit unter Strafe stellt, ist das Problem der Sklaverei nicht überwunden, meint die russische Soziologin Jelena Tjurjukanowa. Sie sagte, man könne Länder in drei Kategorien einstufen: Länder, die erfolgreich Menschenhandel bekämpften; Länder, in denen nichts unternommen werde; und Länder, die sich von der einen auf die andere Stufe hinbewegten. Zu dieser Gruppe zähle Russland. Es seien viele Gesetze verabschiedet worden, aber deren Umsetzung sei unbefriedigend.

Alberto Andreani von der Internationalen Organisation für Migration (IOM), der ein gemeinsames Projekt mit der EU gegen Menschenhandel koordiniert, sagte, alle Länder ließen sich im Bereich des Menschenhandels verschiedenen Kategorien zuordnen: "Lieferländer", "Transitländer" und "Empfängerländer". Russland gehöre in alle drei Kategorien zugleich.

Der Experte weist darauf hin, dass die Russische Föderation unter den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion nicht an der Spitze der Länder liege, in denen es Menschenhandel gebe. "Wenn man sich die Statistik anschaut, dann sieht man, dass es andere Länder gibt, beispielsweise die Republik Moldau oder die Ukraine, deren Bürger viel häufiger Opfer des internationalen Menschenhandels werden." In Russland, so Andreani, komme es aber zur Ausbeutung von Arbeitskräften. Auch würden russische Bürger ins Ausland verkauft. Gleichzeitig sei die Russische Föderation ein Drehkreuz im internationalen Menschenhandel.

Große Dunkelziffer

In die Hände russischer Sklavenhändler geraten der Soziologin Tjurjukanowa zufolge sowohl Einheimische als auch illegale ausländische Einwanderer. "In Russland ist der Unterschied des Lebensstandards zwischen Stadt und Land gewaltig. Viele Menschen kommen in die Städte. Dort finden sie keine Unterstützung, sondern werden als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Und das ist ein Bereich des Menschenhandels, der sehr schwer aufgedeckt werden kann", sagte Tjurjukanowa.

Die Ausmaße des Menschenhandels in Russland wage niemand zu schätzen. Sicher könne man nur die Gründe nennen, die es ermöglichen, Menschen auszubeuten, so Tjurjukanowa: Eine unzulängliche Gesetzgebung, Korruption und eine schwache Bürgergesellschaft.

Jegor Winogradow