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Zurück, egal wie

Kristin Helberg19. April 2003

In Damaskus machen sich Exil-Iraker auf den Weg in die Heimat. Sie alle freuen sich über das Ende von Saddams Regime – zu Freunden Amerikas macht dies die meisten aber nicht.

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Die Flüchtlingslager stehen nahezu leerBild: AP

Die Drohungen der USA in Richtung Syrien zeigen Wirkung: Bereits vor Tagen hat die syrische Regierung ihre Grenze für Iraker geschlossen. Dadurch ergibt sich ein ernstes Problem: Viele Exil-Iraker wollen zurück in ihre Heimat und sind angewiesen auf Busse und Taxis mit irakischem Nummernschild, denn die Amerikaner lassen nur irakische Fahrzeuge in den Irak. Diese Busse können jedoch nicht zurückkehren, weil in umgekehrter Richtung die Syrer sie nicht mehr reinlassen.

So gehen den Transportunternehmern in Damaskus die Busse und Taxis aus, täglich steigen die Preise. Trotzdem sind die meisten Iraker entschlossen, in ihre Heimat zu fahren. Unter ihnen Dissidenten, die zwischenzeitlich in Deutschland, den USA, Syrien und anderen arabischen Ländern unterkamen. Sie alle wollen endlich nach Hause zurückkehren, die Familie wieder sehen, ein neues Leben beginnen. Wer die 100 US-Dollar für einen Sitzplatz im Bus nicht bezahlen kann, der findet andere Mittel, in den Irak zu kommen.

15 Stunden im geschlossenen LKW

Ein langer Transporter, ein großer schwarzer Laderaum, davor etwa 40 Männer. Die Klappe ist heruntergelassen, einsteigen möchte noch keiner. Ein paar Taschen und Plastiktüten stehen am Rand, das einzige Gepäck dieser Iraker. "Ich war acht Jahre hier. Ich will zurück und habe kein Geld, die Fahrt ist teuer." Der junge Mann zeigt auf seine Kleidung und lacht - ihm ist gerade alles egal. "Ich habe gar nichts dabei außer dieser Hose und diesem Hemd. Die trage ich im Sommer wie im Winter." Hauptsache er kommt nach Hause, in einen Irak ohne Saddam. 20 Dollar hat er bezahlt für 15 Stunden im geschlossen LKW.

Noch vor zwei Wochen hätte dieser Mann einen großen Bogen um jedes Mikrofon gemacht, jetzt drängen sich Dutzende Iraker um ihn. Jeder will endlich sagen, was er denkt. "Saddam Hussein hat uns 99 Prozent von allem weggenommen", sagt einer von ihnen. "Wir wissen, dass die Amerikaner nur das Öl wollen. Aber wenn sie 90 Prozent nehmen, bleiben immer noch zehn Prozent für die Iraker, dann werden wir sehr reich sein."

Saddam als Waffe der USA

Der Mann neben ihm schüttelt den Kopf. Saddam Hussein sei das Produkt der Amerikaner, sagt er. "Die Amerikaner haben Saddam 1963 an die Macht gebracht, das weiß jeder. Sie haben ihn als Waffe benutzt und das Volk hat dafür bezahlt." Daran glauben viele in der Region. Wenn jetzt die USA über die Nachkriegsordnung entscheiden, könne sich der Albtraum von Unterdrückung und Ausbeutung fortsetzen. "Wir sind Saddam gerade los und schon bringen sie uns den nächsten Saddam?" Viele der Umstehenden nicken, sie wünschen sich einen Irak ohne Amerikaner. Einen Irak, in dem sie selbst gestalten und bestimmen können.

Etwa fünfzig Meter weiter sind die Menschen anderer Ansicht. Sie stehen nicht mit Plastiktüten vor einem LKW, sondern haben ihre Koffer auf das Dach eines irakischen Busses geschnallt. 100 Dollar kostet die Fahrt im Sitzen, 65 Dollar im Stehen. Nur Exil-Iraker können sich das leisten, sie haben die vergangenen Jahre als politisch Verfolgte im Ausland verbracht.

35 Jahre Albtraum

Ein 43-jähriger Mann hat zehn Jahre im irakischen Gefängnis gesessen, acht Jahre davon habe seine Familie nicht mal gewusst, dass er noch lebt. "Ich bin überglücklich, dass dieser finstere Albtraum vorbei ist, der den Irak 35 Jahre lang gequält hat. Ich danke den amerikanischen und britischen Soldaten, dass sie uns geholfen haben, diese Diktatur loszuwerden." Er bittet die Amerikaner und Engländer, im Irak zu bleiben - ohne sie befürchtet er Chaos und Bürgerkrieg.

Ein kleiner Mann taucht aus der Menge auf. Er sei soeben aus Deutschland gekommen und wolle jetzt seine Eltern und Geschwister in Bagdad suchen. Vor zehn Tagen hätten sie das letzte Mal telefoniert. Er hofft, dass alle gesund sind. "Wenn ich an meine Familie denke, dann sehe ich, was ich mache - vielleicht weinen. Es gibt nichts zu lachen, weil ich meine Familie seit sieben Jahren nicht gesehen habe. Ja, ich glaube, ich muss weinen."